IHKplus 4.2024 | Einblick

Job-Turbo: Ein doppelter Gewinn

Menschen, die als Geflüchtete nach Deutschland kommen, sind für Unternehmerinnen und Unternehmer eine wertvolle Ressource. Sie bringen Erfahrungen und Kompetenzen mit, die in der aktuellen Phase des Fachkräftemangels dringend gebraucht werden. Die IHK Köln macht sich stark für ihre Integration in den Arbeitsmarkt. Ein Einblick in zwei Unternehmen und die dortigen Erfahrungen.
Text: Johanna Tüntsch
Der Job-Turbo, den die Bundesregierung ausgerufen hat, ist bei Peter Zens längst gelebte Realität. Auf dem Gertrudenhof in Hürth beschäftigt er 90 Menschen, etwa 60 von ihnen in Vollzeit: „die Gertrudenhof-Familie“ nennt er sie gern. Biografien, in denen Migration eine Rolle gespielt hat, gibt es in seinem multinationalen Team vielfach.
„Beschäftigung und Arbeit sind ein ganz wichtiger Teil von Integration. Durch das soziale Umfeld bei der Arbeit lernt man die Sprache schneller, findet Freunde und so auch viel schneller ein wirkliches Zuhause“, sagt Peter Zens.
Der Wunsch, Menschen eine Chance zu geben, die es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben, trifft bei ihm auf pragmatische unternehmerische Erwägungen: „Es gibt einen Fachkräftemangel und gleichzeitig ‘Zigtausende, die hier eine neue Heimat finden wollen. Wenn man es ausprobiert, findet man auch die Richtigen. Natürlich kann es auch mal nicht klappen, aber das ist bei Deutschen ja nicht anders.“
Seine Erfahrung zu Teammitgliedern mit Fluchtgeschichte sei: „Nach guter betriebsinterner Förderung können sie wichtige, stabile und treue Säulen im Team werden.“
Einer, der schwierige Startvoraussetzungen hatte, ist Tekele Araya. 2015 kam er aus dem Bürgerkriegsland Eritrea nach Deutschland. Vor fünf Jahren fand er über die Hürther Brücke der Kulturen, eine ehrenamtliche Hilfsorganisation, Arbeit auf dem Gertrudenhof.
„Ich gebe den Tieren Futter, bringe Heu, mache sauber“, erzählt er, während Alpakas, Schafe und Esel sich im Streichelzoo um ihn drängen. „Er geht sehr achtsam und fürsorglich mit den Tieren um. Wenn eines krank wird, fällt ihm das sofort auf, das war bei seinen Vorgängern nicht so“, beschreibt Peter Zens. Dass jemand nicht nur seinen Job macht, sondern auch vorausschauend mitdenkt, das sei ihm wichtig. Weil Tekele Araya sich bewährt hat, hat er inzwischen einen unbefristeten Arbeitsvertrag auf dem Hof.
Job-Turbo
Unter dem Stichwort „Job-Turbo“ hat die Bundesregierung einen Aktionsplan aufgesetzt, durch den Geflüchtete schneller in den Arbeitsmarkt kommen sollen. Die dazu beschlossenen Maßnahmen richten sich an geflüchtete Menschen, die Integrationskurse beendet haben und in den Jobcentern betreut werden. Auch die IHK Köln hat eine Reihe von Aktionen angestoßen.
Auch Ameena Misho Amo konnte sich in diesem Jahr über die Entfristung ihres Vertrages freuen. Durch einen privaten Kontakt kam die Jesidin vor zwei Jahren als Spülkraft in der Gastronomie auf den Gertrudenhof.
„Sie hatte in den zwei Jahren keinen einzigen Krankheitstag, war nie zu spät und hat nie schlechte Laune. Sie ist ein wichtiger Bestandteil in unserem Gastro-Team, denn der Service für die Kundinnen und Kunden klappt nur, wenn im Hintergrund alles gut organisiert ist“, betont der Unternehmer, der das gute Zusammenspiel seines Teams als einen Erfolg sieht, der wesentlich in den Händen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegt: „Es ist das eine, als Inhaber so eine Entscheidung zu treffen, aber es kommt darauf an, wie das Team sie mit Leben füllt. Wir leben den Gedanken der Integration aktiv.“
Der Erlebnisbauernhof mit angeschlossenem Gnadenhof und vielen Aktionen rund um Biodiversität und Nachhaltigkeit sei prädestiniert dafür, Chancengeber zu sein. „Sie sind wie meine Familie“, sagt leise Ameena Misho Amo, die durch den Genozid des sogenannten Islamischen Staates an ihrem Volk einen Großteil ihrer Familie verloren hat.
„Es gibt keine bessere Möglichkeit als die einer persönlichen Begegnung. Da zeigt sich sofort, wer verstanden hat, dass dieser Tag ein Gamechanger sein kann.“
– Paula Ventura, Eventmanagerin Landhaus Danielshof Bedburg, über die Job-Börse der IHK Köln
Eine internationale Belegschaft mit vielfältiger Geschichte gibt es auch im Landhaus Danielshof in Bedburg. „Wir arbeiten sieben Tage die Woche, bei uns muss man sich aufeinander verlassen können“, sagt Paula Ventura. Auch sie schildert, dass neben Zuverlässigkeit und Arbeitswille der menschliche Aspekt zählt: „Man sieht einander hier sehr viel, da sollte man sich auch leiden können.“
Vorrangig ist sie Eventmanagerin in dem Restaurant und Hotel, das als Eventlocation für Hochzeiten, Firmenfeiern und andere Anlässe beliebt ist. Weil sie außerdem gut mit Menschen umgehen kann, ist sie auch in das Personalmanagement mit eingestiegen. „Ich bin eine Perlentaucherin“, lacht sie.
Als solche hat sie bei der Job-Börse der IHK Köln in der Geschäftsstelle Rhein-Erft sofort eine Chance gesehen: Mehrere Firmen, die von der IHK eingeladen waren, und geflüchtete Arbeitssuchende, die von der Agentur für Arbeit vermittelt wurden, kamen hier zusammen, um sich einander vorzustellen.
„Es gibt keine bessere Möglichkeit als die einer persönlichen Begegnung – eine bessere Visitenkarte von sich selbst hat man nicht. Da zeigt sich sofort, wer verstanden hat, dass dieser Tag ein Gamechanger sein kann“, beschreibt sie. Bedauerlich sei, dass nicht allen Bewerberinnen und Bewerbern bewusst gewesen sei, dass es um Tätigkeiten rund um die Küche ging. Dennoch habe sich der Besuch der Veranstaltung für sie gelohnt: „Eine Perle war dabei, die konnten wir uns nicht entgehen lassen.“
Wie hilft die IHK?
Die IHK Köln unterstützt mit Aktionen an verschiedenen Standorten das Bestreben, Geflüchtete und Betriebe, die auf der Suche nach Arbeitskräften sind, miteinander in Kontakt zu bringen. Eine große Job-Messe fand Ende Juli in Köln in der Agentur für Arbeit als Kooperation von IHK Köln, Agentur für Arbeit Köln und Jobcenter Köln statt: Hier kamen in acht Gesprächsrunden 27 Unternehmen mit 1.225 Besucherinnen und Besuchern zusammen.

→ Auch über die rechtlichen Rahmenbedingungen, die mit den verschiedenen Formen des Aufenthaltsstatus einhergehen, bietet die IHK Köln einen Überblick.
→ Darüber hinaus bietet die Kammer kostenfrei einen Erst-Check der Qualifikation geflüchteter Menschen und eine Anerkennungsberatung im individuellen Gespräch an.
→ Sofern im Anerkennungsverfahren Kosten entstehen, zeigt die IHK Köln Wege zur Finanzierung auf und unterstützt bei der Antragstellung zum Anerkennungszuschuss.

Einen wichtigen Beitrag leistet außerdem IHK FOSA, das bundesweite Kompetenzzentrum der Kammern. „FOSA“ steht für „Foreign Skills Approval“, also die Anerkennung im Ausland erworbener Fähigkeiten und Abschlüsse.
IHK FOSA nimmt Anträge auf Anerkennung entgegen und vergleicht ausländische Abschlüsse mit entsprechenden deutschen Berufsabschlüssen. Im Idealfall kommt es anschließend zu einer Anerkennung.
Eine mögliche Variante sind auch Teilanerkennungen. Sie bieten, nach einem speziell zu erarbeitenden Plan, die Möglichkeit der Nachqualifizierung, wobei auf schon bestehenden Kompetenzen aufgebaut wird.

Antritt im Anzug hat überzeugt

Jamshid Mohseni erwarb sich das Interesse von Paula Ventura schon mit seinem Auftreten: „Er sah ordentlich aus, hatte seinen Lebenslauf dabei und hat so viel Enthusiasmus und Freude ausgestrahlt! Er konnte nicht super deutsch, aber er sagte, er möchte nicht mehr vom Amt abhängig sein und auf eigenen Beinen stehen.“ Nachdem die Eventmanagerin und Personalerin Rücksprache mit ihrem Chef gehalten hatte, wurde zunächst ein Probearbeitstag vereinbart, bei dem der Bewerber wiederum beeindruckte: „Er kam im Anzug, obwohl er wusste, dass er sich gleich ans Spülbecken stellen würde. Damit hat er Respekt gezeigt – und auch, dass er seine Gelegenheit beim Schopfe packt.“
Inzwischen hat Jamshid Mohseni einen regulären Arbeitsvertrag, der nach seiner Probezeit entfristet werden soll. Auch den Erwerb des Führerscheins möchte die Leitung vom Danielshof ihm möglich machen, denn: „Der Spüler ist der Letzte, der geht, und auf dem Dorf fährt nachts keine Bahn. Er muss mobil sein“, so Paula Ventura. Bis es so weit ist, findet das Team unkomplizierte Lösungen – irgendjemand aus dem Team fährt den neuen Kollegen nach Hause. „Wir witzeln oft: Welche Nationalität fehlt uns denn noch?“, berichtet Paula Ventura mit Blick auf die sehr internationale Belegschaft des Unternehmens.
Die Erfahrung, die sie mit der Beschäftigung von Quereinsteigerinnen, Quereinsteigern und Geflüchteten habe, sei hervorragend. Schwierigkeiten seien ihr so gut wie keine begegnet, „man bekommt ja auch so viel Beratung und Unterstützung, sei es von der IHK oder vom Job-Center.“ Inzwischen hat noch eine weitere Frau Probearbeit geleistet, die beim Jobcenter die gleiche Maßnahme durchlief wie Jamshid Mohseni.
Wie zufrieden das Team mit ihr war, weiß Paula Ventura zum Zeitpunkt des Gespräches noch nicht. Aber in einer Sache ist sie sich sicher: „Man muss jeden Menschen individuell anschauen. Wenn man keine Chance gibt, verliert man selbst. Man sollte sich nicht die Gelegenheit nehmen, Perlen zu finden.“

Jasna Rezo-Flanze
Aus- und Weiterbildung | Leiterin Fachkräfteentwicklung