IHKplus 2.2024 | Starke Region

Oberberg: Champions, gut versteckt

Der Oberbergische Kreis hat doppelt so viel Fläche wie Köln, aber nur gut ein Viertel der Bevölkerung im Vergleich zur Domstadt. Doch der Oberbergische Kreis ist ein starker Wirtschaftsstandort mit rund 15.000 Unternehmen.
Das Oberbergische ist geprägt von vielen mittelständischen, oft familiengeführten Unternehmen, vor allem aus den Bereichen Automotive (zum Beispiel Voss in Wipperfürth, Martinrea in Bergneustadt, Montaplast in Morsbach oder die BPW Bergische Achsen in Wiehl), Kunststoff (Beispiel Fischbach in Engelskirchen, Jokey in Wipperfürth und Gummersbach, GIZEH in Bergneustadt), Maschinenbau (Beispiel Kampf Schneid- und Wickeltechnik in Wiehl, SN Maschinenbau in Wipperfürth), Edelstahl (Kind & Co. in Wiehl, Schmidt+Clemens in Lindlar, Dörrenberg in Engelskirchen, Klaus Kuhn in Radevormwald). Unter diesen Betrieben sind viele so genannte Hidden Champions, also heimliche Weltmarktführer und hochinnovative Unternehmen.

Oberberg: Unentdeckte Vielfältigkeit

Die Welt gut beschirmt: Bahama

Das im Jahr 1950 unter dem Namen „Carl Becher – Planen und Zelte“ gegründete Unternehmen Bahama steht mit seinen Sonnen- und Großschirmen für Innovation ebenso wie für das Qualitätssiegel „Made in Germany“. Zu den Kundinnen und Kunden in aller Welt zählen unter anderen Luxushotels in Dubai, das Hotel Sacher in Wien oder das Dali-Museum im US-amerikanischen St. Petersburg. 100 Mitarbeitende sind heute bei Bahama beschäftigt.
Dr. Patrick Kleedehn, seit 2023 geschäftsführender Gesellschafter, weiß den Standort im Oberbergischen sehr zu schätzen: „Der Standort Reichshof bietet uns sehr gut ausgebildetes, beständiges Personal und eine hervorragende Anbindung durch die Nähe zur A4, ideal gelegen für eine starke Anbindung an Großstädte wie Köln, Leverkusen oder Bonn.“

Immer auf Draht: Elektrisola

Die 1948 von Gerd Schildbach als kleine Feindrahtfabrik gegründete Elektrisola ist heute eine international tätige Unternehmensgruppe mit Produktionsstandorten in sieben Ländern und über 3.000 Mitarbeitenden. Die Produkte finden sich in Automobilen, Haushaltsgeräten, Smartphones, Solaranlagen, medizinischen Geräten und zahllosen anderen Anwendungen wieder. Am Gründungsort in Reichshof-Eckenhagen produziert Elektrisola bis heute Kupferlackdrähte und Hochfrequenz-Litzen. Auch ein Großteil der Fertigungsanlagen und Prüfgeräte werden hier entwickelt und montiert.
„Oberberg bietet Elektrisola qualifizierte und loyale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und eine hohe Dichte lokaler Zulieferer“, sagt Werksleiter Dr. Josef Kummer. Gleichzeitig stellen der hohe Strompreis, die Versorgungssicherheit mit elektrischer Energie und die marode Infrastruktur, insbesondere der Neubau der Rahmede-Talbrücke und die Arbeiten an der A4, Herausforderungen für den Standort dar.

Standort mit vielen Vorzügen: brehmergroup

Die brehmergroup mit Hauptsitz in Wiehl hat sich in nur gut 20 Jahren seit der Gründung zum Technologieführer für anspruchsvolle Mechatronik in rauen Umgebungen entwickelt. Die patentierten Produkte sind in Motorrädern, Pkw, Lkw, Flugzeugen und Sonderfahrzeugen zu finden. Das inhabergeführte Familienunternehmen beschäftigt heute 85 Mitarbeitende.
Geschäftsführer Dennis Blättermann schätzt die Vorzüge des Standortes hoch ein: „Wir entwickeln in der Hauptsache mechatronische Produkte, bei denen unter anderem verschiedenste Kunststoffe zum Einsatz kommen. In der Region gibt es viele Spezialisten auf diesem Gebiet, wodurch wir ein gutes Netzwerk aufbauen konnten. Wir können uns somit voll und ganz auf die Produktentwicklung und die Qualifikation in unserem Umweltsimulationslabor und die Industrialisierung konzentrieren. Wir haben in der Region hervorragende Partner, die sich um die Fertigung der Einzelteile kümmern.“
Für die brehmergroup ist die Nähe zum Campus Gummersbach der TH Köln besonders wertvoll: „Viele unserer Mitarbeitenden haben an der TH studiert, bei uns die Abschlussarbeit geschrieben und sind dann im Unternehmen geblieben und mit uns gemeinsam gewachsen“, sagt Blättermann.

Moderne Führung: Werner Flosbach GmbH

Die Werner Flosbach GmbH in Marienheide ist ein Großhandel für Dach- und Fassadenbaustoffe mit rund 130 Mitarbeitenden im Firmenverbund. Geschäftsführende Gesellschafterin ist heute die Enkelin des Firmengründers, Carina Maren Flosbach. Sie hat das Unternehmen 2022 nach dem Tod ihres Vaters Dieter übernommen und sich eine moderne Führung auf die Fahnen geschrieben: Kommunikation auf Augenhöhe, Transparenz und Familienfreundlichkeit.
Ein Konzept, das offenbar aufgeht: „Die Umstrukturierungen tragen Früchte und mein Team, welches ich mir aufgebaut habe, bringt mir Loyalität und Leistungswillen entgegen“, sagt die Unternehmerin, die sich auch weit über den eigenen Betrieb hinaus für den Standort einsetzt und sowohl in der Beratenden Versammlung Oberberg als auch in der Vollversammlung der IHK Köln engagiert ist. Ihre politischen Kernziele sind gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft generell und ein Abbau der „bisher stetig zunehmenden bürokratischen Belastung“.

Die Region in Zahlen

  • Etwa 272.000 Menschen leben im Oberbergischen Kreis.
  • Mehr als 40 Prozent der Beschäftigten arbeiten in der Industrie.
  • Der Kreis umfasst mit 919 Quadratkilometern mehr als ein Drittel der Fläche des gesamten IHK-Bezirks.
  • 15.000 Mitgliedsunternehmen werden von der IHK-Geschäftsstelle in Gummersbach vertreten.
Quelle: IHK Köln

Die Geschäftsstelle Oberberg: Engagement für die heimische Industrie

Auch in Oberberg sind wegen der produzierenden Industrie die Energiepreise und der Ausbau der Infrastruktur beherrschende Themen der Region. Viele Betriebe würden zudem gerne ihre Betriebsstätten erweitern – der Flächenmangel gestaltet dies schwierig. Genug Themen, um sich in der Region zu engagieren.
Die Geschäftsstelle Oberberg der IHK Köln hat ihre Wurzeln in der 1919 gegründeten Zweigstelle der damaligen IHK Lennep, die 1949 Teil der IHK Köln wurde. Die heute auf dem ehemaligen Steinmüllergelände in direkter Nähe zum TH-Campus beheimatete Geschäftsstelle vertritt die Interessen von rund 15.000 Mitgliedsunternehmen im Kreis.
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Michael Sallmann ist Leiter der Geschäftsstelle Oberberg der IHK Köln. © IHK Köln
Eine besondere Stärke der Wirtschaft im Oberbergischen Kreis ist nach Einschätzung von Michael Sallmann, Leiter der IHK Geschäftsstelle Oberberg, auch ihre intensive Netzwerkarbeit. Tatsächlich hat wohl kaum eine Region eine solche Vielfalt an Initiativen. In Oberberg gibt es die Ausbildungsinitiative Oberberg, das FachKraftWerk Oberberg, das IT-Forum Oberberg, die Kunststoff-Initiative Oberberg, den Innovation Hub Bergisches RheinLand. Die Liste ließe sich verlängern, und fast überall ist die IHK aktiv dabei, denn es geht um ihre Kernthemen: Standortbedingungen, Fachkräftegewinnung, Innovationsförderung und Vernetzung.
In der Beratenden Versammlung Oberberg tauschen sich die derzeit über 40 Mitglieder einmal pro Quartal zu den aktuellen für die Wirtschaft in der Region relevanten Themen aus und diskutieren diese mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik. Aktuell steht hier die Europawahl 2024 im Mittelpunkt. „Die BVO-Mitglieder haben drei Themen priorisiert, die für uns besondere Bedeutung haben. Das waren: Bürokratie spürbar abbauen! Industrie in Europa halten! Arbeitskräftezuwanderung organisieren und berufliche Integration von Geflüchteten erleichtern!“, sagt Sven Gebhard, der Vorsitzender der BVO und auch Vizepräsident der IHK Köln ist. Aus der BVO heraus gebe es „noch einige Spin-off Formate, bei denen wir uns mit Politik, Verwaltung und Wissenschaft austauschen und so unsere Vorstellungen platzieren können“.

Michael Sallmann
Leiter der Geschäftsstelle Oberberg