Änderungen im Kaufrecht ab 2022
Zum Ende der aktuellen Legislaturperiode hat der Gesetzgeber nochmals mehrere Gesetzesvorhaben verabschiedet. Hier finden Sie eine Übersicht über die Änderungen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).
Darüber hinaus geht unser Merkblatt Das neue Gewährleistungsrecht im Kaufrecht speziell auf die Änderungen im herkömmlichen Kaufrecht und bei Waren mit digitalen Elementen ein. Unser Merkblatt Neue Regeln für Verbraucherverträge über digitale Produkte informiert außerdem über das völlig neu geschaffene Rechtsregime für digitale Produkte .
Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz für faire Verbraucherverträge vom 25.06.2021 sowie zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags vom 25.06.2021 die Novellierung des Kaufrechts und somit Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beschlossen.
Die Änderungen gelten vorwiegend für Verträge, die ab 1. Januar 2022 abgeschlossen wurden.
Die Regelungen gelten vorwiegend für den Bereich Verbraucherverträge (B2C). Jedoch haben die Änderungen im BGB auch Auswirkungen auf Geschäfte unter Unternehmern (B2B).
Die wichtigsten Elemente sind die Neuregelung des Sachmangelbegriffs in § 434 BGB-neu, die Einführung einer Sache mit digitalem Inhalt in den §§ 475b ff. BGB-neu inklusive einer Aktualisierungspflicht und die Verlängerung der Beweislastumkehr in § 477 BGB-neu. Daneben sieht das Gesetz weitere Anpassungen vor. Hierzu gehören unter anderem die konkretisierenden Ergänzungen der Sonderbestimmungen für Garantien, die Neugestaltung des Ausschlusses von Mängeln bei Kenntnis des Käufers und die praktische Streichung des Fristsetzungserfordernisses bei Verbrauchsgüterkäufen.
Nachfolgend haben wir die Änderungen im BGB für Sie in einer Übersicht dargestellt.
Paragraph
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Inhalt
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§ 308 - Abtretungsverbot
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Um Verbrauchern die Übertragbarkeit ihrer Ansprüche zu sichern, soll das AGB-Recht in § 308 Nr. 9 BGB-neu geändert werden: Danach soll ein neues Klauselverbot für Abtretungsverbote eingefügt werden. Bei auf Geld gerichteten Ansprüchen soll hiernach die Abtretung künftig nicht mehr durch AGB allgemein ausgeschlossen werden können. Verbraucher sollen ihre Ansprüche gegen den Unternehmer an Dritte abtreten können. Das Inkrafttreten ist bereits auf den 01.10.2021 datiert. Es sollten umgehend bestehende Verträge und AGB angepasst werden.
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§ 309 - Laufzeitklauseln
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Ein weiteres Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit soll in § 309 Nr. 9 BGB-neu hinzugefügt werden. Demnach sollen Laufzeitvereinbarungen künftig als Erstlaufzeiten von über einem Jahr bis zu zwei Jahren sowie Verlängerungen von über drei Monaten bis zu einem Jahr nur bei Beachtung zusätzlicher Anforderungen wirksam vereinbart werden können. Zudem soll die Kündigungsfrist für den Verbraucher auf einen Monat verkürzt werden.
Demnach sollen automatische Vertragsverlängerungen von mehr als drei Monaten nur noch dann zulässig sein, wenn Unternehmen ihre Vertragspartner vorher auf ihre Kündigungsmöglichkeit hingewiesen haben. Eine stillschweigende Vertragsverlängerung ist künftig nur noch dann erlaubt, wenn diese auf unbestimmte Zeit erfolgt und eine Kündigung jederzeit mit Monatsfrist möglich ist.
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§ 312k - Kündigung von Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr
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Verträge, die über das Internet abgeschlossen werden, sollen künftig auch online gekündigt werden können. Im Gesetz wurde nunmehr verankert, dass dafür ein „Kündigungsbutton“ auf der Webseite eines Unternehmens platziert werden muss. Stichtag für das Inkrafttreten ist der 01.07.2022.
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§ 434 - Sachmangelbegriff
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Nach der Neufassung des § 434 BGB ist eine Sache zukünftig frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang sowohl den subjektiven (Beschaffenheitsvereinbarung) als auch den objektiven Anforderungen (Branchenüblichkeit und Kundenerwartung) entspricht. Daneben werden Anforderungen an die Montage, bei Waren mit digitalen Inhalten an die Installierbarkeit, geregelt (§ 475b Abs. 2 BGB). Das objektive Fehlerverständnis ist bereits auch jetzt im Sachmangelbegriff zu finden. Die Vereinbarung über die Beschaffenheit obliegt den Parteien. Andererseits wird die Bedeutung des Sachmangelbegriffs durch Merkmale, wie z.B. die gewöhnliche Verwendbarkeit oder die übliche Beschaffenheit und den Montageanforderungen weiter geprägt. Dementsprechend wird zukünftig mehr denn je auf die durchschnittliche Käufererwartung abgestellt. Eine vertragliche Abweichung wird künftig nur noch unter hohen Anforderungen möglich sein (vgl. § 476 Abs. 1 S. 2 BGB-neu).
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§ 439 - Nacherfüllung
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In § 439 BGB wird für den Fall der Nachlieferung eine Verpflichtung zur Rücknahme des mangelhaften Gegenstandes auf eigene Kosten ergänzt. D. h. in § 439 Abs. 5 BGB wird die Obliegenheit des Käufers aufgenommen, dem Verkäufer die Sache zum Zweck der Nacherfüllung am Erfüllungsort der Nacherfüllungsverpflichtung zur Verfügung zu stellen. § 439 Abs. 6 BGB wird dahingehend ergänzt, dass es die Pflicht des Verkäufers ist, die im Wege der Nacherfüllung ersetzte Sache auch zurückzunehmen.
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§§ 445a, 445b, 478 BGB - Lieferantenregress
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Es wurde die Erweiterung des Regresses auf die Rücknahmekosten hinzugefügt, neben der Ersatzpflicht des Lieferanten für Aufwendungen des Verkäufers gegenüber dem Käufer wegen Verletzung einer Aktualisierungspflicht nach § 475b Abs. 4 BGB sowie die Abschaffung der Höchstgrenze der Ablaufhemmung von 5 Jahren seit Ablieferung der Sache vom Lieferanten an den Verkäufer nach § 445b Abs. 2 BGB.
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§ 475 – Anwendbare Vorschriften beim Verbrauchsgüterkauf
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Die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten bei Kenntnis von Mängeln wird durch § 442 BGB im Kaufrecht grundsätzlich ausgeschlossen. In § 475 Abs. 3 BGB-neu sollen nunmehr für den Verbrauchsgüterkauf abweichende Vereinbarungen ergänzt werden. Damit können Verbraucher künftig auch Mängelrechte geltend machen, obwohl sie den Mangel bei Vertragsschluss kannten.
Nach § 475 Abs. 5 BGB-neu muss die Nacherfüllung für den Verbraucher nicht nur unentgeltlich, sondern auch innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten erfolgen.
Hinzu kommt die Einführung von Sonderbestimmungen für die Rückabwicklung des Kaufvertrags nach Rücktritt (§ 475 Absatz 6-neu). Darin erfolgt eine Definition grundlegender Mindestanforderungen für die Rückabwicklung des Kaufvertrags nach der Vertragsbeendigung wegen eines Mangels der Kaufsache: Verkäufer hat Kosten der Rückgabe der Sache zu tragen; Verkäufer den Kaufpreis zurückzuerstatten, sobald er die Sache zurückerhält bzw. der Käufer den Nachweis über die Rücksendung erbringt.
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§§ 475b - 475e – Regelungen des Verbrauchsgüterkaufvertrags über digitale Produkte
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Bitte beachten sie nunmehr die Abgrenzung zwischen den Mangelbegriffen und die Neustrukturierung des Gewährleistungsrechtes:
Daher vorab zur Kontrollfrage – Wo befindet sich der Mangel: An der Ware selbst (Hier tritt die kaufrechtliche Gewährleistung ein nebst Verbrauchsgüterkaufrecht) oder im Gegenzug an den enthaltenen oder verbundenen digitalen Produkten, sodass die nachfolgenden Vorschriften entsprechend Anwendung finden.
§ 475b Abs. 1, 2 BGB:
Definiert den Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen: Eine Ware, die digitale Produkte in einer solchen Weise enthält oder mit diesen verbunden ist, dass sie ihre Funktionen ohne Letztere nicht erfüllen kann, vgl. § 327a Abs. 3 Nr. 1 BGB-neu. Ein Beispiel hierzu kann dem Gesetzesentwurf entnommen werden: Wird in der Werbung angegeben, dass ein Smart-TV eine bestimmte Video-Anwendung enthält, so ist diese Video-Anwendung als Bestandteil des Kaufvertrags anzusehen.
§ 475b Abs. 3, 4 BGB:
Auch nach Gefahrübergang ist die Bereitstellung von Aktualisierungen erforderlich, soweit dies vereinbart oder üblicherweise zu erwarten ist. Ein Unterlassen stellt einen Sachmangel darf. Für die Frage, über welche Dauer der Verbraucher legitimierweise Aktualisierungen erwarten kann, können Werbeaussagen, die zur Herstellung der Ware verwendeten Materialien sowie der Kaufpreis zählen. Je höherwertig die Ware ist, desto länger darf mit Aktualisierungen gerechnet werden. Eine Rolle spielt dabei auch die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer von Waren der gleichen Art.
§ 475b Abs. 5 BGB:
Schließt unter Umständen die Haftung des Unternehmers aus, wenn der Verbraucher die Aktualisierung nicht installiert.
§ 475c BGB:
Nach § 475c II BGB haftet der Unternehmer dann während des Bereitstellungszeitraums, mindestens aber für zwei Jahre nach Ablieferung der Ware dafür, dass diese den Anforderungen des § 475b II BGB an die Sachmangelfreiheit entspricht.
§ 475d BGB:
Die Voraussetzungen für den Rücktritt und die Minderung werden gesenkt. Nach § 475d BGB ist eine aktive Fristsetzung des Verbrauchers nicht mehr erforderlich. Der Verbraucher kann bereits zurücktreten oder den Kaufpreis mindern, wenn er den Verkäufer vom Mangel unterrichtet und dieser in einer angemessenen Frist nicht nacherfüllt hat. Außerdem ist im Falle eines besonders schwerwiegenden Mangels ein sofortiger Rücktritt möglich. Auch bei den Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach § 281 BGB bedarf es der Fristsetzung dann nicht.
§ 475e BGB:
Enthält Regelungen zur Verjährung, insbesondere wichtige Fälle der Ablaufhemmung zur effektiven Geltendmachung der Verjährung bzw. zur Prüfung der Sache im Falle der Nacherfüllung.
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§ 476 - Abweichende Vereinbarungen zum Verbrauchsgüterkauf
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Die Einführung besonderer Anforderungen an die Vereinbarung einer Abweichung von objektiven Anforderungen an die Kaufsache wird eingeführt, § 476 Absatz 1 BGB-neu. Um den Parteien die Möglichkeit einzuräumen, beim Kauf gebrauchter Sachen die Haftungsdauer rechtssicher durch Vereinbarung zu verkürzen, soll § 476 BGB entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs angepasst und den Parteien erlaubt werden, sich auf eine Gewährleistungsfrist, die den Zeitraum von einem Jahr nicht unterschreiten darf, zu einigen. Allerdings werden die formellen Voraussetzungen für eine entsprechende Vereinbarung erheblich erhöht. Auch insoweit soll erforderlich sein, dass der Verbraucher über die kürzere Verjährungsfrist eigens in Kenntnis gesetzt und diese ausdrücklich und gesondert im Vertrag vereinbart wird. Jedoch besteht weiterhin beim Verbrauchsgüterkauf neuer Sachen ein Verbot von haftungsbeschränkenden Vereinbarungen zulasten des Verbrauchers, § 476 Abs. 1 Nr. 2 BGB-neu.
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§ 477 - Beweislastumkehr
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Die Verlängerung der Beweislastumkehr bei Mängeln wird von 6 Monate auf ein Jahr angehoben, § 477 Absatz 1 BGB-neu. Bei gebrauchten Sachen soll wieder eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr zugelassen werden. Verkäufer müssen beim B2C-Kauf künftig nicht – wie bisher – nur in den ersten sechs Monaten, sondern zwölf Monate nach Übergabe der Kaufsache beweisen, dass die Kaufsache mangelfrei war. Die Beweislastverlängerung im B2C-Geschäft hat damit eine empfindliche Verschärfung zulasten des Verkäufers erfahren. Die gesetzliche Vermutung kann zwar – wie bisher – widerlegt werden, etwa wenn der Verkäufer nachweisen kann, dass der Mangel durch unsachgemäße Behandlung oder durch Verschleiß entstanden ist. Eine solche Beweisführung kann aber aufwendig und schwierig sein. Die Verdoppelung der Frist auf ein Jahr wird den Handel deshalb aller Voraussicht nach mit mehr Streitfällen und höheren Kosten belasten.
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§ 479 - Garantien
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Die Bestimmungen für Garantien wurden weiterhin ergänzt. Nach § 479 Abs. 3 BGB muss eine Garantie künftig mindestens den Umfang des gesetzlichen Nacherfüllungsanspruchs haben.
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To-Do’s zur Umsetzung der neuen Regelungen
Handelsunternehmen sind gefordert, die zahlreichen neuen gesetzlichen Regelungen in der Praxis umzusetzen. Das betrifft nicht nur die vorgenannten Neuerungen. Auch bei der Garantie, dem Verkauf von gebrauchten Waren, Unternehmerrückgriff sowie in verschiedener anderer Hinsicht sind neue gesetzlichen Vorgaben zu beachten. Allgemeine Geschäftsbedingungen sollten deshalb überprüft, das Verkaufspersonal geschult, das Beschwerdemanagement angepasst und die Vertragsverhältnisse in Bezug auf Hersteller und/oder Lieferanten mit Blick auf die Neuregelungen angepasst werden. Folgende Punkte sollten bei der Umsetzung insbesondere beachtet werden:
- Update bestehender Geschäftsmodelle, Verträge, Widerrufsbelehrungen und AGB
- Aktualisierungen sicherstellen durch Informationen an den Verbraucher nebst entsprechenden Anpassungen der bestehenden Lieferverträge
- Prozesse, Wertschöpfungskette anpassen hinsichtlich der neuen Bedingungen
Stand: Juni 2022