Wettbewerbsfähigkeit der EU sollte gestärkt werden

Wettbewerbsfähigkeit der EU sollte gestärkt werden (1)

Deutschlands Unternehmerinnen und Unternehmer setzen trotz einer hohen Bürokratiebelastung weiter auf den Mehrwert der Europäischen Union (EU). Gleichzeitig betonen sie aber, dass nach der Europawahl die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft dringend gestärkt werden muss. Denn diese sehen die Betriebe in Gefahr. Das geht aus dem IHK-Unternehmensbarometer zur Europawahl 2024 hervor. Dessen Ergebnisse basieren auf Antworten von rund 3.000 Unternehmen bundesweit aus allen Branchen und Regionen, die über die Industrie- und Handelskammern (IHKs) befragt wurden.
Danach beschreibt eine breite Mehrheit der Unternehmen wichtige Errungenschaften der EU als konkreten Nutzen auch für ihr Geschäft. Dazu zählen vor allem Faktoren wie politische Stabilität (82 Prozent), eine gemeinsame, stabile Währung (76 Prozent), einheitliche EU-Normen und Standards (68 Prozent), Zugang zu europäischen Märkten (66 Prozent), weniger Wettbewerbsverzerrungen (64 Prozent) und Fachkräftegewinnung aus anderen EU-Mitgliedsstaaten (61 Prozent). Alarmierend ist allerdings: Für fast zwei Drittel der deutschen Industriebetriebe ist die Attraktivität der EU als Unternehmensstandort in den vergangenen fünf Jahren gesunken. Nur fünf Prozent sehen verbesserte Standortbedingungen. Über alle Branchen hinweg spüren 56 Prozent eine gesunkene und sieben Prozent eine gestiegene Attraktivität.
„Europa läuft trotz der grundlegend guten Ausgangslage Gefahr, im internationalen Wettbewerb an Boden zu verlieren. Dieser Trend muss umgehend gestoppt werden“, sagt Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). „Die EU braucht gerade bei dem viel zu bürokratischen Green Deal einen Kassensturz: Bürokratie muss ab- und nicht aufgebaut werden, damit die Betriebe mehr Ressourcen für eine klimagerechte Umgestaltung ihrer Geschäftsaktivitäten haben. Nur so kann Europa wie[1]der ein attraktiver Standort für Unternehmen werden.“
Top-Thema: Bürokratieabbau
Sibylle Thierer, Vizepräsidentin bei Eurochambres und Vertreterin der DIHK im Dachverband der europäischen Industrie-und Handelskammern, sieht ebenfalls vor allem bei der Bürokratie dringenden Handlungsbedarf – so wie 95 Prozent der befragten Unternehmen. „Viele Betriebe haben in den vergangenen Jahren wahre Bürokratiemonster erlebt. Das Regulierungsdickicht wird immer größer – von der Datenschutzgrundverordnung über zahlreiche neue Berichtspflichten bis hin zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Hinzu kommt die Regulierung des Green Deal. Das alles kostet Zeit, Geld und bindet Personal. Statt dem versprochenen Bürokratieabbau erleben wir immer mehr Regulierungen.“ Die notwendigen Initiativen müssten in der nächsten Legislaturperiode konsequent umgesetzt werden damit die Entlastungen für die Unternehmen zeitnah und konkret spürbar würden. Gerade komplexe Zulassungs- und Genehmigungsverfahren sowie kleinteilige Dokumentationspflichten wirkten sich besonders negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit aus.
Von der kommenden EU-Politik erhoffen sich mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen (68 Prozent) zudem eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Bei den energieintensiven Branchen liegt der Wert sogar bei 76 Prozent. „Wir mussten schmerzlich lernen, dass eine erschwingliche und sichere Energieversorgung nicht selbstverständlich ist. Aber sie ist elementar für die Unternehmen und damit auch für die Arbeitsplätze in Europa“, so Thierer.
Zudem betonen die Unternehmen, dass der effektive Schutz vor Cyberangriffen immer wichtiger wird. Rund die Hälfte der Unternehmen (52 Prozent) ist der Ansicht, dass die Prävention vor digitalen Angriffen eine weitere Priorität der EU sein sollte. „Allein durch eine gute Zusammenarbeit zwischen der EU und der Wirtschaft kann der Kampf gegen Cyberkriminalität gelingen. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen müssen sich besser gegen diese Angriffe schützen können“, fordert Thierer.
Wettbewerbsfähigkeit stärken
„Insgesamt muss sich die EU wieder auf ihre eigentlichen Kernaufgaben konzentrieren: die Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit“, fordert Martin Wansleben. „Hier hat die EU-Kommission einige Hausaufgaben zu machen, beispielsweise auch bei den Freihandelsabkommen. Das Mercosur-Abkommen sollte so schnell wie möglich abgeschlossen werden. Eine weitere Verzögerung geht zulasten der europäischen Wettbewerbsfähigkeit.“ Innovationen, technischer Fortschritt, der breite Einsatz von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz können zudem den Standort stärken.
„Wir müssen Europa wieder attraktiver für Unternehmen sowie die besten Fach- und Führungskräfte gestalten“, sagt Wansleben und nennt die wichtigsten Baustellen für die kommende Legislaturperiode: weniger Bürokratie, eine bessere internationale Verzahnung, mehr Innovation, niedrigere Energiekosten, schnellere Verfahren und mehr Fachkräfte. „Diese Themen müssen wir unverzüglich angehen, um die Wirtschaft in Europa wieder stark zu machen.“  
Stand: 31.05.2024