Was Spediteure bewegt

Änderungen bei der Mautpflicht und der Testbetrieb für Oberleitungs-Hybrid-Lkw auf der Autobahn bei Darmstadt: Diese Themen beschäftigen Logistikunternehmer beim Arbeitskreis Verkehr.
Antworten auf die Frage, welche Entwicklungen auf die Speditionsbranche zukommen, bekamen die Mitglieder des IHK-Arbeitskreises Verkehr im Gießener Gewerbegebiet VGP Park „Am Alten Flughafen“. Wolfgang Bork, Arbeitskreisleiter und Geschäftsführer der Spedition Bork GmbH & Co. KG, Langgöns, hatte zu dem Treffen eingeladen. Vorgestellt wurden Änderungen der Mautpflicht und der Stand des Forschungsprojekts „Elisa“, in dessen Rahmen die seit 2019 laufenden Probefahrten für die Akku-Aufladung von Oberleitungs-Hybrid-Lkw (OH-Lkw) über einen stromführenden Draht auf einem Teilbereich der A5 bei Darmstadt erfolgen. Beide Themen wurden von den versammelten Logistikexperten durchaus kritisch betrachtet.
Mit Blick auf die Mautpflicht lieferte Daniel Kaiser, stellvertretender Leiter Standortpolitik der IHK Gießen-Friedberg, eine Übersicht über den Stand der Regelungen. „Zu diesem Thema herrscht viel Aufregung“, sagte Kaiser. Die Änderungen sind bereits seit dem 1. Juli 2024 in Kraft. Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen bis 7,5 Tonnen technisch zulässige Gesamtmasse fallen seit diesem Zeitpunkt unter die Mautpflicht. Eine Ausnahme gilt lediglich für Handwerksbetriebe, deren Fahrzeuge Material, Ausrüstungen und Maschinen oder handwerklich hergestellte Güter befördern beziehungsweise Maschinen, die der Fahrer zur Ausübung seines Handwerks benötigt. Bei der Beförderung darf es sich nicht um einen gewerblichen Transport für Dritte handeln.

Irritierende Ausnahmen

Ein besonderes Problem sei die Ungleichbehandlung der handwerksähnlichen Betriebe, so Kaiser. „Landschafts- und Gartenbauer, Unternehmen aus der Veranstaltungsbranche und Messe
bauer müssen Maut bezahlen, während Unternehmen mit einem ähnlichen Tätigkeitsfeld von der Maut befreit wurden.“ Zudem sehe er die Gefahr, dass durch die seit Juli geltende Neuregelung viele Betriebe mautpflichtig geworden seien, die dies jedoch noch nicht erkannt hätten.
Vor allem die neue „Handwerkerausnahme“ des Bundesamts für Logistik und Mobilität stieß bei den anwesenden Speditionsunternehmern auf Kritik. Verwunderung riefen beispielsweise von der Ausnahmeregelung profitierende Branchen wie „Bestatter“ oder „Friseure“ hervor, denn bei diesen Betrieben seien eigentlich kaum größere Fahrzeuge als Pkw-Kombis üblich. Nach Einschätzung von Disk löste daher wenig Verständnis bei den Logistikunternehmern aus.

Feldversuch auf der Autobahn

Im Fokus des AK Verkehr stand zudem ein Abschnitt der Autobahn A5 bei Darmstadt, der zurzeit an eine Eisenbahntrasse erinnert. Denn auf einer Länge von 17 Kilometern hängt eine elektrische Oberleitung einige Meter über der Fahrbahn. Sie lädt die Akkumulatoren von OH-Lkw über deren auf dem Fahrzeugdach angebrachte Stromabnehmer (Pantografen) mit Energie auf.
Bei dieser Anlage handelt es sich um das Forschungsprojekt „Elisa“ (Elektrifizierter, innovativer Schwerverkehr auf Autobahnen). Seit 2019 besteht diese besondere Lademöglichkeit für schwere Lastwagen. Die Alltagstauglichkeit des E-Highway-Systems erforscht zusammen mit weiteren Wissenschaftlern Maya Ada Scheyltjens vom Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften am Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der TU Darmstadt. „Das E-Highway-System ermöglicht einen emissionsfreien Straßengüterverkehr“, sagte die Maschinenbauingenieurin gegenüber den Teilnehmern des Arbeitskreises.
Ein wichtiges Argument für den Regelbetrieb der Oberleitung ist für Scheyltjens das Einsparen von CO₂. Rund acht Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen ließen sich durch eine mit Oberleitungen versorgte 4.000 Kilometer lange Autobahnstrecke einsparen. Die Kosten dafür würden mit rund sechs Milliarden Euro prognostiziert, so Scheyltjens.

OH-Lkw ist fünf Tonnen schwerer

Bei den anwesenden Unternehmen stieß eine mögliche Übertragung des Forschungsprojekts auf die alltägliche Praxis des gewerblichen Güterkraftverkehrs der Logistikbetriebe auf Skepsis. So wies ein Verkehrsexperte darauf hin, dass sich bei der Bahn der Fahrdraht stets als Schwachstelle erwiesen habe und eine Störung massive Beeinträchtigungen des Betriebs zur Folge habe.
Ein weiterer Teilnehmer merkte an, dass bei E-Lkw allein schon der Akku rund vier Tonnen wiege. Bei einem OH-Lkw komme mit dem notwendigen Stromabnehmer eine weitere Tonne Mehrgewicht auf die Waage. Diese fünf Tonnen verringerten die Nutzlast bei vor allem leichten Lkw bis 18 Tonnen deutlich, selbst bei schweren Lkw mit 40 Tonnen sei dies ein spürbarer Nachteil. Daher sei ein wirtschaftlich rentabler Betrieb kaum denkbar.
Zudem, so ein Gesprächsteilnehmer, werde etwa die Hälfte des deutschen Ferngüterverkehrs von ausländischen Speditionen belegt. Von diesen sei kaum zu erwarten, dass sie ihre Fahrzeuge auf Oberleitungsbetrieb umstellen. Dies bedeute einen Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen.
Gastgeber der Veranstaltung war UPS Healthcare, in dessen Räumen im neu gebauten VGP Park in Gießen ein hochmodernes, spezialisiertes Logistikzentrum für den Pharmamarkt entstehen wird (siehe Kasten).

VON MICHAEL DÖRFLER


Lager für Medikamente

Eine neue Logistikeinrichtung für das Gesundheitswesen hat der Logistikdienstleister UPS Healthcare in Gießen im VGP Park im Gewerbegebiet „Am Alten Flughafen“ errichtet. Auf einer Fläche von 27.200 Quadratmetern sollen 150 neue Arbeitsplätze entstehen. Auf rund 30.000 Palettenpositionen lassen sich Gesundheitsprodukte mit unterschiedlichen Temperatur-Anforderungen von 2 bis 25 Grad und bis zu minus 20 Grad lagern. Für die hauseigene Energieversorgung sorgt eine 850.000 Kilowattstunden-Solarenergieanlage auf dem Dach des Gebäudes.

Stand: 02.09.2024