Warum sich Gründen lohnt

Die Unternehmensgründung ohne großes Startkapital nennt sich „Bootstrapping“. Julian Lauth, Gründer der Holzfreude GmbH, hat es gemacht.

Es gibt keinen besseren Weg, sich konzentrierter mit sich selbst auseinanderzusetzen, als das Gründen. Jede durchbrochene Grenze, jeder Erfolg, aber auch jeder Fehltritt sind zu großen Teilen auf einen selbst zurückzuführen“, erklärte Julian Lauth Anfang September vor Gründern und Interessierten im Makerspace in Gießen. Aus diesem Grund lohne sich das Gründen für viele Menschen.
14 Jahre sind vergangen, seit sich Julian Lauth frisch nach seiner Ausbildung zum Schreiner selbstständig gemacht und die Holzfreude GmbH gegründet hat. Er habe damals eine klare Vorstellung davon gehabt, wie er als Schreiner arbeiten wollte. In den umliegenden Betrieben habe er diese Vision jedoch nicht verwirklichen können. „Mit meiner kleinen Grundausstattung konnte ich zunächst Arbeiten in der Region erledigen. Ich lebte so bescheiden, wie es nur möglich war, und habe von jeden 500 Euro, die übrig waren, ein weiteres Werkzeug gekauft“, berichtete Lauth. Dies sei für ihn die Bedeutung des Begriffs „Bootstrapping“: sich selbst zurückzustellen und in kleinen Schritten jeden Tag auf ein großes Ziel hinzuarbeiten.

Mit knappen Ressourcen

Beim „Bootstrapping“ handelt es sich um eine Start-up-Finanzierung ganz ohne Fördermittel oder externes Kapital. Der englische Begriff für „Stiefelschlaufe“ ist ein Begriff aus der Finanzwelt. Im weitesten Sinn steht er für eine schrittweise Umsetzung, das heißt, Gründer bauen ihr Start-up in diesem Fall ganz ohne fremde Hilfe auf. „Wenn man sein Unternehmen komplett aus eigenen Mitteln entwickelt, ist man niemandem verpflichtet. Dadurch besitzt man als Gründer die Freiheit aufzuhören, wenn es nicht mehr geht“, führt Lauth aus. Ein weiterer Vorteil beim „Bootstrapping“ sei die Beschränkung auf wesentliche Ausgaben aufgrund der knappen finanziellen Ressourcen.
Zwei Jahre nach der Gründung hat Lauth seinen ersten Auszubildenden eingestellt, kurz darauf die erste Fachkraft. „In diesem Tempo ging es dann weiter. 2020 hatten wir 20 Mitarbeiter und zwei Werkstätten.
Dann kam Corona“, berichtete Lauth. Sein Unternehmen, das individuell hochwertige Möbel und Innenausbauten produziert, habe zu den Corona-Gewinnern gehört. In kürzester Zeit sei die Holzfreude GmbH auf über 30 Mitarbeiter gewachsen. Dieses sprunghafte Wachstum sei dem Unternehmen fast zum Verhängnis geworden. „Mit jedem weiteren Mitarbeiter verkompliziert sich die Kommunikation exponentiell. Mit dem drastischen Anstieg hat die Organisation nicht mehr funktioniert, und wir sind mit der Produktion einfach nicht mehr hinterhergekommen“, erklärte der Unternehmer. Inzwischen habe sich das Unternehmen wieder auf 23 Mitarbeiter verschlankt.

Die Frage nach dem Warum

Eine Besonderheit bei der Holzfreude GmbH sei der Altersdurchschnitt von unter 30 Jahren, betonte Lauth. Nur wenige Unternehmen im Handwerk hätten eine solch junge Belegschaft, was in vielerlei Hinsicht eine Stärke sei, aber auch Risiken mit sich bringe. „Was uns wirklich fehlt, ist die Erfahrung. Dieses Manko haben wir während der starken Wachstumsperiode zu spüren bekommen“, so Lauth. Ein Vorteil des jungen Teams sei allerdings die extrem steile Lernkurve.
Dass sich so viele junge Leute durch die Holzfreude GmbH angesprochen fühlen, erklärt der Geschäftsführer mit der Unternehmensethik. Die „Generation Z“ sei eine Generation, die im Durchschnitt viel häufiger nach dem Warum bei ihrer Arbeit frage. „Wenn ein Unternehmen die Frage, warum es sich neben dem Geld lohnt, dort zu arbeiten, nicht authentisch beantworten kann, dann hat es Schwierigkeiten bei der neuen Generation an Arbeitskräften“, erklärte Lauth.

Das zweite Standbein im Nirgendwo

Beim Gründen gehe es um Chancenverwertung. Ein guter Gründer erkenne Gelegenheiten und wisse, diese zu nutzen. Als Beispiel führte Lauth den Erwerb seiner zweiten Werkstatt an. „Beim Scrollen auf Ebay-Kleinanzeigen habe ich eine Werkstatt 150 Kilometer entfernt von meinem Standort entdeckt. Sie war sehr günstig, lag aber mitten im Nirgendwo.“ Gemeinsam mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe er einen Weg gefunden, diese Werkstatt als zweiten Standort zu nutzen. Schwer gefallen sei Lauth im Zuge der Expansion vor allem das Delegieren der Zuständigkeit an einen neuen Werkstattleiter. „Ich würde mich als Generalist bezeichnen, der alles kann, aber nichts perfekt. In der Anfangsphase war das eine extrem hilfreiche Eigenschaft, weil ich alles selbst gemacht habe“, berichtete Lauth. Doch mit dem wachsenden Unternehmen sei es zunehmend wichtig gewesen, Aufgaben abzugeben. „Mitunter finde ich es schon schwierig loszulassen.“

Mehr Anerkennung erwünscht

Als Führungskraft hat Lauth zudem die Erfahrung gemacht, dass es in jedem Unternehmen eine zeitliche Verzögerung zwischen einer Aktion und ihren Konsequenzen gebe. In kleineren Unternehmen sei die Verzögerung geringer, aber immer noch vorhanden. „Das heißt zum einen, dass Fehler sich oftmals nicht sofort als solche entpuppen. Zum anderen bedeutet es aber auch, dass man in Krisensituationen auf seine Gegenmaßnahmen vertrauen muss, auch wenn sie nicht sofort Wirkung zeigen“, so Lauth.
„Ein Unternehmen zu gründen ist nicht ‚cool‘, es ist nicht ‚romantisch‘, es ist oft einfach harte Arbeit, für die man in der Anfangszeit noch immer belächelt wird“, betonte Lauth. In den vergangenen Jahren habe sich die Gründungskultur jedoch stetig verbessert. Dennoch wünscht sich Lauth zukünftig mehr Anerkennung für Menschen, die sich entscheiden zu gründen.
VON SIMON DEVENTER
Makerspace Gießen: Das Makerspace in Gießen ist ein gemeinnütziges Bildungsforum mit offener Werkstatt. Regelmäßig finden dort Veranstaltungen wie der Gründungsstammtisch statt, bei denen Gründer und Interessierte sich über ihre Erfahrungen austauschen können. Die IHK Gießen-Friedberg beteiligt sich regelmäßig an der Organisation dieser Veranstaltungen.
Stand: 11.11.2024