IHK-Berufswegekompass 2024: Ausbildung ist keine Einbahnstraße

„Ganz schön ausgebildet“ war das Motto des 24. IHK-Berufswegekompasses. Rund 1.200 Schülerinnen und Schüler waren in die Friedberger Stadthalle gekommen, um rund 100 Ausbildungsberufe hautnah zu erleben.

Seit über zwei Jahrzehnten schlägt die beliebte Ausbildungsmesse eine Brücke zwischen talentierten jungen Menschen und regionalen Unternehmen. Dass der IHK-Berufswegekompass ein Erfolgsmodell ist, zeigte die gute Resonanz seitens der 50 Aussteller und der vielen Besucher. Bereits vor der Öffnung um 9:00 Uhr hatte sich eine lange Schlange von Schülern vor den Türen der Friedberger Stadthalle gebildet. Viele von ihnen waren von ihren Schulen gut vorbereitet, hatten Fragebögen dabei und zum Teil auch mit der Matching-basierten App „talentefinder“ im Vorfeld Termine vereinbart. „Die Chancen, einen Ausbildungsplatz zu finden, stehen besser denn je. Bereits seit Jahren liegt hier das Angebot über der Nachfrage“, betonte IHK-Präsident Rainer Schwarz zur Eröffnung.

Im Dialog mit Unternehmen

Im Hinblick auf rund 330 duale Ausbildungsberufe fällt die Wahl nicht immer leicht. Hier setzt der Berufswegekompass an, indem er eine effektive Orientierungshilfe im Dschungel der Möglichkeiten bietet und den Besuchern hilft, bis dato unbekannte Berufe kennenzulernen. Zu den Ausstellern gehörten in diesem Jahr neben namhaften Betrieben auch Ämter, Bildungseinrichtungen und Institutionen aus der Region und darüber hinaus. Viele von ihnen sind seit Jahren dabei, andere neu hinzugekommen. Kaufmännische Berufe wurden ebenso vorgestellt wie gewerblich-technische und Trend-Berufe aus dem IT-Bereich. Im Mittelpunkt stand dabei immer das persönliche Gespräch mit Ausbildungsverantwortlichen und Auszubildenden selbst. Denn gerade für unentschlossene Jugendliche stellt der Dialog mit anderen jungen Menschen, die von ihren Erfahrungen berichten, eine große Hilfe dar. „Gerade hieraus sind in der Vergangenheit schon viele Praktika und Ausbildungsverträge hervorgegangen“, weiß Kai Schelberg, Leiter des IHK-Geschäftsbereichs Aus- und Weiterbildung.
Wertvolle Tipps zur Selbstvermarktung gab das Bewerbertraining mit Susanne Parisi, während Berater der Agentur für Arbeit am Vormittag einen Check der Bewerbungsunterlagen anboten. Unternehmen hingegen konnten sich bei einem Vortrag über interessante Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten der IHK zum Thema Einstellung und Beschäftigungssicherung von Auszubildenden und Mitarbeitern informieren. Vorgestellt wurden unter anderem die Beratungsangebote Passgenaue Besetzung, Fachberatung für Inklusion und Willkommenslotse. Erstmals wurde die Messe mit der innovativen Matching-basierten App „talentefinder“ ergänzt.

Präsenz zeigen

„Wir sind sehr froh, wieder auf dem Berufswegekompass zu sein“, betonte Hendrik Schneider, Ausbildungsleiter bei ContiTech. „Nichts geht über einen persönlichen Kontakt.“ Je zwei Ausbildungsplätze in den Berufsbildern Elektroniker für Betriebstechnik und Industriemechaniker bot die Wolf Verpackungsmaschinen GmbH. Erstmals möchte das Licher Unternehmen im kommenden Jahr auch Industriekaufleute ausbilden. „Bisher konnten wir immer alle Stellen besetzen“, erklärte Henrik Rentz, Ausbilder Elektronik.
Das erste Mal dabei waren unter anderem die Deutsche Lufthansa AG und die Rovema GmbH aus Fernwald. „Unser Ziel ist es, mehr Präsenz zu zeigen, um junge Menschen auf uns aufmerksam zu machen“, betonte Rovema-Ausbilderin Sarah Gaden. „Es ist das erste Mal, dass wir Probleme haben, alle Ausbildungsplätze zu besetzen.“ Vor allem im gewerblich-technischen Bereich sei es schwerer geworden, qualifizierten Nachwuchs zu gewinnen. Zwischen 80 und 90 Prozent der Rovema-Auszubildenden im kaufmännischen Bereich seien Studienabbrecher. Für das kommende Jahr suche das Unternehmen insgesamt etwa 15 Auszubildende.
„Durch unsere Teilnahme am Berufswegekompass konnten wir den juLeuten vor Ort erklären, was eine Fachkraft für Lagerlogistik bei der DHL GmbH in Florstadt so macht“, berichtete Ausbilderin Anne Timm. „Viele dachten, dass wir den ganzen Tag nur Pakete fahren, dabei beschäftigen wir uns schwerpunktmäßig mit Pharmalogistik.“ Neben diversen anderen Berufen möchte DHL in Florstadt ab dem kommenden Jahr auch Elektroniker für Betriebstechnik und Mechatroniker einstellen.
Eine Umfrage unter den Ausstellern hat ergeben, dass sich die überwiegende Mehrheit der teilnehmenden Unternehmen sicher ist, auf der Messe potenzielle Auszubildende gefunden zu haben.

Motivierte Besucher, kreative Aussteller

Die meisten Unternehmen hatten sich viel einfallen lassen, um die Aufmerksamkeit der Schüler zu gewinnen. So konnten die jungen Leute unter anderem ihre handwerklichen Fähigkeiten ausprobieren, aber auch Maschinen steuern und Versuche durchführen, wie beispielsweise am Stand der OVAG mit dem „Heißen Draht“, bei dem die Geschicklichkeit getestet und mit einem Preis belohnt wurde. Der Golf Club Bad Nauheim, der 2025 Kaufleute für Büromanagement ausbilden möchte, lud zum Golfen auf einer Putting-Matte ein.
Einige Schüler waren mit klaren Vorstellungen zur Messe gekommen, wie beispielsweise der 15-jährige Niklas. Sein Wunsch: Nach dem Schulabschluss eine Ausbildung zum Elektroanlagenmonteur bei der OVAG machen. „Das ist ein zukunftssicherer Job, einen Plan B brauche ich nicht“, erklärte der Schüler, der die 10. Klasse der Adolf-Reichwein-Schule besucht. Für die ebenfalls 15-jährige Amy, die auf die Montessori Sekundarschule Wetterau geht, soll der künftige Beruf „etwas mit Menschen zu tun haben“. Am liebsten möchte sie eine Ausbildung zur Fachpflegekraft machen. Für ihre Schulkameradin Juliane hingegen steht nur fest, dass sie nicht in die Pflege gehen möchte. „Ich bin hier, um neue Berufe kennenzulernen“, erklärte die 16-Jährige.
Daniela Schmidt, Lehrerin an der Geschwister-Scholl-Schule in Assenheim, hat mit „hochmotivierten Achtklässlern“ die Messe besucht und zeigte sich sehr zufrieden. „Ich bin heute das erste Mal hier und freue mich, dass meine Schülerinnen und Schüler an allen Ständen willkommen sind. Die Messe ist ansprechend gestaltet und es herrscht eine nette Atmosphäre. Meine Schüler waren gut vorbereitet und konnten gezielt Fragen stellen.“

Niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa

Rainer Schwarz unterstrich, dass zwar die Nachfrage der Jugendlichen nach einer Berufsausbildung in den vergangenen Jahren gestiegen sei, aber leider auch der Anteil von unbesetzten Ausbildungsstellen im vergangenen Jahr einen Höchststand erreicht habe. Gründe hierfür sieht der IHK-Präsident in der Fokussierung der Jugendlichen auf einen der Top-15-Ausbildungsberufe, aber auch in einer mangelnden Bereitschaft, für einen Job einen Umzug in Kauf zu nehmen. Umso wichtiger sei es dennoch für Arbeitgeber, sich sichtbar zu machen und für junge Menschen ansprechbar zu sein. Im Hinblick auf einen stetig wachsenden Fachkräftemangel rief er Unternehmen dazu auf, sich für Lehrerin Daniela Schmidt ist von der netten Atmosphäre begeistert. Bewerber zu öffnen, die auf den ersten Blick nicht zu den Wunschkandidaten zählen. „Es ist fahrlässig, nicht aus dem gesamten Pool bildungsfähiger junger Leute zu schöpfen.“ Dass Deutschland mit 6,2 Prozent noch immer die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der EU habe – der EU-Durchschnitt liege bei 14,4 Prozent – zeige, dass die duale Ausbildung ein Erfolgsmodell sei. „Ausbildung ist keine Einbahnstraße, sondern ein Autobahnkreuz mit vielen Abzweigungen, die zwar in unterschiedliche Richtungen, aber immer zum Ziel, in eine erfolgsversprechende Zukunft, führen.“
VON PETRA A. ZIELINSKI
Stand: 11.11.2024