Fallstricke im internationalen Handel

Der Austausch zwischen dem Zoll und der Unternehmerschaft stand im Fokus des diesjährigen Zollforums Mittelhessen. Zudem waren Digitalisierung und Veränderungen im Außenhandel zentrale Themen der Veranstaltung.
„Die Dynamik internationaler Warenströme steigt weiterhin. Deshalb muss auch der Zoll seine Prozesse weiter optimieren“, erläuterte Uta Ruge, Leiterin des Hauptzollamts Gießen (HZA), vor den knapp 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Zollforums Mittelhessen Anfang Juli in Gießen. Einen erleichterten Zugang zum Zoll stelle das Zollportal dar. Dieses habe im vergangenen Jahr eine Nutzensteigerung von 60 Prozent erfahren. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Chatbots habe sich zudem die Erreichbarkeit des Zolls auch zu Stoßzeiten erheblich verbessert, erklärte Ruge.

Bürokratieabbau durch Digitalisierung

„Ein Präferenznachweis ermöglicht zollrechtliche Bevorzugungen für Waren aus bestimmten Ländern“, erläuterte Jürgen Leitschuh, Zollamtsrat im HZA, im Rahmen seines Vortrags über Änderungen im Präferenzrecht. Präferenznachweise hätten allerdings nur eine begrenzte Lebensdauer. Bei älteren Nachweisen ende die Gültigkeit bereits nach vier Monaten, neuere Nachweise seien inzwischen bis zu ein Jahr gültig. In diesem Zusammenhang betonte Leitschuh, dass es wichtig sei, mit dem Zoll Kontakt aufzunehmen: „Auch wenn nicht alle Nachweise bestehen, wird Ihnen der Präferenznachweis nicht direkt aberkannt. Wichtig ist, dass Sie sich bei uns melden.“ Thomas Fiedler, Zolloberamtsrat HZA, ergänzte, dass der Zoll sich zwar weitestgehend digitalisiere, wichtige Dokumente wie der förmliche Präferenznachweis jedoch weiterhin aufbewahrungspflichtig seien.
Ganz ohne Papier soll es künftig bei dem von der Europäischen Kommission eingeführten elektronischen System „Proof of Union Status“ (PoUS) gehen. Das System dient zum elektronischen Informationsaustausch von Dokumenten zum Nachweis des Unionscharakters einer Ware. „Die Implementierung des PoUS läuft bereits seit März dieses Jahres und wird voraussichtlich im August 2026 abgeschlossen“, berichtete Ralf Lauer, ebenfalls Zolloberamtsrat im HZA, über die aktuellen Änderungen. Die Benutzung der Plattform sei allerdings nicht selbsterklärend, gab Lauer zu bedenken. Daher stünde seitens der Europäischen Union ein E-Learning-Seminar zur Verfügung. Der Zoll stelle zudem Erklärungen online bereit. „Durch PoUS ergeben sich durchaus Synergien, die zur Entbürokratisierung und Prozessbeschleunigung beitragen“, sagte Lauer.

Der Weg zum zertifizierten Produkt

„Alle Firmen, die nach China verkaufen wollen, müssen sich zertifizieren lassen. Dies stellt für viele eine Herausforderung dar“, erklärte Florian Wägele, Managing Director der Cisema GmbH. Denn hauptsächlich hätten chinesische Unternehmen die Berechtigung, Zertifikate auszustellen, auch die Kommunikation laufe primär auf Chinesisch. Wägele empfahl Unternehmen, die über Exporte nach China nachdenken, sich frühzeitig mit den jeweiligen Voraussetzungen auseinanderzusetzen. Eine Kooperation mit lokalen Unternehmen sei oftmals förderlich, sollte aber vertraglich wasserdicht sein. Eine weitere Besonderheit bestehe darin, dass in China legislative Änderungen sehr rasch vorgenommen würden und gebündelt erfolgten, meist um den Zeitraum des chinesischen Neujahrs herum.

Übers Ziel hinaus geschossen

Anfang 2023 trat das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft. Damit verbunden waren und sind drastische Veränderungen des bürokratischen Aufwands für deutsche Unternehmen. Eine kritische Einschätzung des Gesetzes aus Sicht der Wissenschaft gab Stefanie Fehr, Professorin für angewandte Wissenschaften der Hochschule Ansbach. „Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz betroffen, auch wenn das nicht die Absicht des Gesetzgebers war“, erklärte Fehr. Großkunden würden die Nachweispflicht auf ihre Zulieferer auslagern, die aufgrund ihrer Abhängigkeit vom Abnehmer keine Wahl hätten, als den Nachweispflichten nachzukommen. Ziel des Gesetzes sei es ursprünglich gewesen, die Einhaltung von Menschenrechten auch bei Herstellern in Drittländern zu wahren. Jedoch hätten viele Unternehmen schlicht den Produktionsstandort verlagert, wodurch sich die Lebensbedingungen in den ursprünglichen Ländern sogar verschlechtert hätten. Diese Probleme seien auch auf legislativer Ebene bekannt, weshalb es aktuell den Vorstoß gebe, das Gesetz zu ändern. „Aktuell sollten KMU abwarten, bis sich eine klare Linie gefunden hat“, empfahl Fehr.
Eine bürokratische Herausforderung stellt der geplante Grenzausgleichsmechanismus CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) dar. Marc Bauer, Referatsleiter Internationaler Warenverkehr der IHK Stuttgart erklärte, dass der CBAM einen Beitrag zur Treibhausgasneutralität der EU bis 2050 leisten sowie die Verlagerung von CO₂- Emissionen in andere Länder verhindern solle. Der Grenzausgleichsmechanismus betreffe ausschließlich Importe. „Wir robben uns da gemeinsam ran“, sagte Bauer. Gegenwärtig laufe eine Übung, in der teilnehmende Unternehmen die Emissionsdaten ihrer Lieferungen berechnen und eintragen könnten. Bis 2026 wolle man so die größten Lieferanten involviert und faktenbasierte Emissionsdaten ermittelt haben.
Die Reaktion der Lieferanten auf die Frage nach Emissionsdaten falle bisher allerdings durchwachsen aus. Die Konsequenz für viele Mittelständler bestehe darin, dass sie ihre Importe von außerhalb der EU reduzieren und die Produkte von Großhändlern innerhalb der EU beziehen würden. „Wir brauchen eine mengenbasierte Bagatellgrenze. Schließlich ist das emittierte CO₂ dasselbe, egal ob das Produkt einen Kilopreis von 100 oder 1.000 Euro hat“, erklärte Bauer. Den anwesenden Unternehmern auf dem Zollforum gab der Referent noch einen Rat mit auf den Weg: „Kontaktieren Sie Ihre Lieferanten und kommunizieren Sie Ihre Ergebnisse, auch wenn Sie keine Rückmeldung erhalten haben.“

VON SIMON DEVENTER

Stand: 02.09.2024