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Ein Sprungbrett für Gründer
Im Technologie- und Innovationszentrum Gießen stehen Büroflächen, Laborkapazitäten, Lagerflächen, ein Konferenz- und Tagungsraum sowie ein Hausmeisterservice zur Verfügung
© heypixel
Das Technologie- und Innovationszentrum Gießen (TIG) bietet Existenzgründern seit 25 Jahren günstige Mietangebote und vielfältige Unterstützung. Geschäftsführerin Antje Bienert gibt Einblicke in die Erfolgsgeschichte.
Seit dem Jahr 1999 ist die Technologie- und Innovationszentrum Gießen (TIG) GmbH ein unverzichtbarer Partner für Existenzgründer in der Region. Mit seinen vier Gebäuden im Gießener Europaviertel bietet das TIG Gründerinnen und Gründern nicht nur insgesamt 6.000 Quadratmeter günstige Mietflächen, sondern auch ein Umfeld, das Innovationsgeist fördert.
Aktuell beherbergt das TIG rund 100 Unternehmen. Geschäftsführerin Antje Bienert betont, wie wichtig günstige Mietangebote für die Anfangsphase sind: „Wir haben lange keine Mieterhöhungen vorgenommen. Ein typisches Beispiel ist ein 13-Quadratmeter-Büro für nur etwa 150 Euro im Monat. Früher, als die Gebäude noch als Kaserne dienten, waren das Offiziersbüros.“ Eigentlich sei das Zentrum als Aushängeschild für die Biotechnologie-Region Mittelhessen gegründet worden. Aber nachdem die „Biotech-Blase“ im Jahr 2001 geplatzt sei, habe sich das TIG anders orientiert und unterstütze seitdem technologieorientierte Gründungen und Start-ups aus unterschiedlichen Branchen, zum Beispiel aus der Medizinwirtschaft, der Umwelttechnik oder der Kreativwirtschaft.
„Manchmal sind wir eine Art ‚Frühmeldesystem‘ für gesellschaftliche Entwicklungen“, erklärt Bienert. So habe es auch schon einige Gründer gegeben, die ihrer Zeit voraus gewesen seien – Visionäre, die großartige Ideen entwickelt hätten, jedoch aufgrund des vorherrschenden Marktumfelds zunächst keinen durchschlagenden Erfolg erzielten. „Wir hatten hier beispielsweise einen Gründer, der bereits in den 1990er-Jahren ein Carsharing-System aufbauen wollte“, erinnert sich Bienert. Doch damals sei die Technologie und die gesellschaftliche Akzeptanz noch nicht so weit gewesen, sodass die Idee verworfen wurde. Ein anderes Beispiel sei ein Existenzgründer, der frühzeitig auf Internetradio gesetzt habe. Obwohl er zu den Pionieren auf diesem Gebiet gezählt habe, sei der große Erfolg ausgeblieben, weil die etablierten Radiosender das Konzept ebenfalls für sich entdeckt hätten.
Günstige Startbedingungen
Diese Geschichten zeigen, dass Timing bei einer Gründung von entscheidender Bedeutung ist. „Es erfordert nicht nur die richtige Idee zur richtigen Zeit, sondern auch einen langen Atem“, betont Bienert. „Nicht jede Idee ist sofort erfolgreich. Und manchmal braucht es einfach Geduld und Durchhaltevermögen.“
Mit einer Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Quartalsende und niedrigen Fixkosten können Gründer im TIG flexibel und risikofrei agieren. Diese Bedingungen seien besonders während der Corona-Pandemie von Vorteil gewesen, als viele Gründungen durch die Rahmenbedingungen ausgebremst worden seien, sagt Bienert. Die Mieter blieben in der Regel etwa fünf bis acht Jahre, je nach individuellem Erfolg und Wachstum.
Obwohl in den Räumen des TIG aufgrund der Ausrichtung auf Existenzgründer eine natürliche Fluktuation herrsche, gebe es eine hohe Auslastungsquote von etwa 98 Prozent, erklärt Bienert. Interessenten würden ihren Weg ins TIG über Netzwerke, Gründungsveranstaltungen oder manchmal auch Immobilienplattformen finden. Auch persönliche Verbindungen spielten eine Rolle: „Wir haben derzeit einen Mieter, dessen Vater schon bei uns gegründet hat“, fügt sie hinzu.
Zu den erfolgreichsten und bekanntesten Einrichtungen, die im TIG ihre Wurzeln haben, zählen zum Beispiel das Fraunhofer-Institut für Insektenbiotechnologie, das mittlerweile etwa 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, oder das weit über Gießen hinaus bekannte Mathematikum Gießen. Auch die Unternehmen medDV, Gewinner des IHK-Unternehmenspreises 2022, und Kaffee Pura, dessen Gründer heute Mitglied der IHK-Vollversammlung ist, haben hier begonnen.
„Ein gutes Netzwerk ist wichtig für Gründer“, betont Bienert. Das TIG biete hierfür vielfältige Veranstaltungen, von Sommerfesten über zahlreiche Weiterbildungsangebote bis hin zu Netzwerkabenden, auch wenn nicht alle Gründer „der Typ dafür“ seien oder aufgrund ihres hohen Arbeitspensums nicht teilnehmen würden.
Vielfältige Projekte
Neben der Vermietung von Büro- und Laborflächen ist das TIG im Rahmen vieler weiterer Projekte aktiv. Von den insgesamt elf Angestellten sind drei als Bildungscoaches im Einsatz. Sie beraten Angestellte und auch KMU in den Landkreisen Gießen, Wetterau und Vogelsberg in Bezug auf Qualifizierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Im Projekt „Sozialinnovator Hessen“ werden kostenfrei Sozialunternehmen gefördert und beraten, erläutert Bienert: „Sozialunternehmen wollen ihren gesellschaftlichen oder ökologischen Nutzen maximieren, nicht in erster Linie den Gewinn. Daher benötigen sie eine andere Art der Beratung. Gemeinsam mit den Gründern werden Ideen weitergedacht, damit sie auch gewinnbringend werden können.“ Das TIG hat bei diesem hessenweiten Projekt die Rolle als Kooperationsführer übernommen.
Ein jährliches Highlight ist für Bienert die Gründungsmesse, die potenzielle Gründer motivieren soll, ihre Geschäftsideen in die Tat umzusetzen. Ein weiteres Angebot ist das Projekt „KI für Startups“. Gründern, Startups sowie den KMU der Region Mittelhessen wird mithilfe von Netzwerkveranstaltungen und zweitägigen KI-Curriculum-Workshops eine gute Basis dafür vermittelt, ihre Produkt- und Dienstleistungsideen mithilfe von Künstlicher Intelligenz beziehungsweise Maschinellem Lernen smart und zukunftsfähig weiterzuentwickeln.
Bereits als eine feste Institution im TIG-Kalender bezeichnet Bienert den Gründungsstammtisch, der monatlich abwechselnd vom TIG, der IHK Gießen-Friedberg und weiteren Netzwerkpartnern organisiert werde. Hier könnten sich Gründer regelmäßig in entspannter Atmosphäre austauschen, voneinander lernen und wertvolle Netzwerkkontakte knüpfen. „Die Gründungsstammtische finden meistens im Makerspace Gießen statt. Der Makerspace ist ein echter Innovationshub“, freut sich Bienert. „Wir haben – auch durch unser gemeinsames Engagement als Projektpartner des Makerspace – eine sehr Das offene und helle Foyer bietet Möglichkeiten für Kunstausstellungen. gute Kooperation mit den Hochschulen und bieten Gründern die Möglichkeit, ihre Ideen mit modernster Technologie praktisch auszuprobieren und umzusetzen.“
Nicht zu vergessen sei auch das Engagement des TIG im Rahmen der „Gründungsinitiative Mittelhessen“, in der sich verschiedene Akteure unter anderem aus dem Umfeld von Hochschulen, Industrie- und Handelskammern, Handwerksammern, kommunalen Wirtschaftsförderungen und Banken zusammengeschlossen haben. Diese habe sich zum Ziel gesetzt, die zahlreichen Angebote in der Region zu einem Gesamtkonzept zusammenzuführen.
„Die Palette der Gründungsideen im TIG reicht von Hundefutter aus Seidenraupenpuppen über die Digitalisierung von Hausverwaltungen bis zu innovativen Laborartikeln aus pflanzenbasiertem Kunststoff, für die im Makerspace die ersten Prototypen gebaut wurden. Aktuell haben wir auch eine Influencerin als Mieterin“, beschreibt die Geschäftsführerin die Vielfalt im TIG und resümiert: „Über die Jahre zu beobachten, wie diese Projekte wachsen und sich entwickeln, ist wirklich absolut inspirierend.“
VON ANN-KATHRIN OBERST
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Ann-Kathrin Oberst
Stand: 30.10.2024