Regionale Unternehmen unter Druck
Die Wirtschaft im IHK-Bezirk steht vor großen Herausforderungen. Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, der Fachkräftemangel und eine nachlassende Inlandsnachfrage belasten die Unternehmen.
Die aktuelle Herbst-Konjunkturumfrage der IHK Gießen-Friedberg zeichnet ein anhaltend düsteres Bild der regionalen Wirtschaftslage mit wenigen Lichtzeichen. Der IHK-Konjunkturklimaindex erreicht lediglich 92,9 Punkte. Die Unternehmen im IHK-Bezirk kämpfen mit erheblichen Herausforderungen in Form von hohen Energiepreisen, einem anhaltenden Fachkräftemangel und einer stagnierenden Inlandsnachfrage, die ihre wirtschaftliche Stabilität gefährden. „Unsere Wirtschaft benötigt dringend Vertrauen in eine wirtschaftspolitische Ausrichtung, die den Rahmen für Investitionen und Wachstum nachhaltig verbessert und vor allem verlässlich ist“, sagte IHK-Präsident Rainer Schwarz auf der heutigen Konjunkturpressekonferenz bei dem Unternehmen Gal Digital in Hungen-Obbornhofen. Mit der Auflösung der Regierungskoalition seien die Herausforderungen für die Unternehmen der Region weiter gewachsen, die Unsicherheit habe nochmals zugenommen. Diese Schockstarre müsse so schnell wie möglich beendet werden. „Es geht jetzt wirklich darum, Vorgänge zu beschleunigen. Es ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, warum eine Fachkraft, die einen Arbeitsvertrag in den Händen hält, bis zu eineinhalb Jahre auf einen Visatermin warten muss. Wir fordern das Auswärtige Amt auf, die Visavergabe deutlich zu beschleunigen“, so Schwarz weiter.
Der Index zum wirtschaftlichen Klima ist ein Durchschnittswert, ermittelt aus den Einschätzungen zur geschäftlichen Lage im Hinblick auf Gegenwart und Zukunft. Ein Wert von 100 markiert die Zufriedenheitsschwelle, der Index kann zwischen 0 als schlechtestem und 200 als bestem Wert notieren. Befragt wurden knapp 2.300 Mitgliedsbetriebe aus den Landkreisen Gießen, Vogelsberg und Wetterau. An der Umfrage haben 440 Betriebe teilgenommen.
Skeptischer Blick in die Zukunft
IHK-Präsident Rainer Schwarz erklärte, dass es an Impulsen mangele, um eine Trendwende einzuleiten. „Das Bild ist eindeutig und macht tief besorgt: Die Unternehmen gehen davon aus, dass die Rahmenbedingungen sich kurzfristig nicht zum Positiven verändern, sich möglicherweise sogar noch deutlich verschlechtern werden.“ Rund 31 Prozent rechnen mit einer ungünstigen zukünftigen Geschäftslage. Knapp 14 Prozent blicken optimistisch in die Zukunft. Als größtes Entwicklungsrisiko nennen die Betriebe die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (59 Prozent), gefolgt von einer nachlassenden Inlandsnachfrage (54 Prozent) und dem Fachkräftemangel (48 Prozent). Sorgen bereiten ebenso die hohen Energie- und Rohstoffpreise (44 Prozent).
„Die einzige Branche mit einem positiven Ausblick ist der Dienstleistungssektor“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Leder. In der Herbstumfrage erreichte dieser Sektor rund 108 Punkte beim Konjunkturklimaindex. Spitzenreiter unter den Dienstleistern ist das Kredit- und Versicherungsgewerbe mit über 139 Punkten. Die Finanzdienstleister profitieren freilich von der hohen Sparneigung aufgrund der wirtschaftspolitischen Unsicherheiten.
In einer Zeit, in der viele Unternehmen gezwungen sind, ihre Investitionen infolge einer nachlassenden Inlandsnachfrage erheblich zu reduzieren, hat sich die Abhängigkeit von den belastenden politischen Rahmenbedingungen als signifikantes Hindernis erwiesen. Die zunehmende Bürokratie verschlingt wertvolle Ressourcen, die für zukunftsweisende Investitionen genutzt werden könnten. Ein Beispiel hierfür ist das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“, das von Unternehmen weitreichende und kostspielige Auskünfte verlangt. „Was stattdessen gefragt ist, sind Lösungen auf politischer Ebene und Negativlisten für Länder, Branchen, Regionen oder einzelne Unternehmen“, betonte Schwarz.
Matthias Leder, IHK-Hauptgeschäftsführer, Daniel Gal, Geschäftsführer von Gal digital, Rainer Schwarz IHK-Präsident (v.l.n.r.)
© Petra A. Zielinski
Exportchancen durch internationale Vernetzung
Das schwierige wirtschaftliche Umfeld wird zusätzlich durch einen Abwärtstrend auf den Auslandsmärkten verschärft. „Mit weniger Exporten rechnet jeder dritte Betrieb“, erläutert Leder. „Als IHK wollen wir Teil der Lösung sein und gemeinsam mit unseren Unternehmen Chancen auf ausländischen Märkten schaffen.“ Der IHK-Hauptgeschäftsführer wies auf die internationale Konferenz „The World meets in Giessen“ hin. Am 21. und 22. Mai 2025 wird die Netzwerktagung erneut stattfinden und Experten aus Politik und Wirtschaft und aus mehreren Kontinenten nach Gießen führen. Im Vordergrund steht der Austausch über Möglichkeiten der Kooperation, so etwa im Vertrieb, im Einkauf oder bei Investitionen. „Wir werden uns auch weiter als Vorreiter und Brückenbauer verstehen.“
IHK-Initiativen sollen lokale Wirtschaft stärken
Die IHK Gießen-Friedberg sieht es als ihre Aufgabe, in dieser herausfordernden Zeit Unterstützung zu leisten. Durch Initiativen wie den Internationalen Fachkräfte Nexus bietet die IHK wertvolle Hilfestellung beim Zugang zu qualifizierten Mitarbeitern aus dem Ausland und zur Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit der lokalen Wirtschaft. Zusätzlich fördert die IHK Projekte wie „Heimat shoppen“, um den lokalen Einzelhandel zu stärken und kreative Lösungen wie das Innovationsquartier Kaiserstraße in Friedberg umzusetzen, geschaffen von einer Gemeinschaft von engagierten Geschäftsleuten, die der wirtschaftlichen Talfahrt entgegentreten wollen. Durch gezielte Programme und den umfassenden Einsatz für die Bürokratieentlastung will die IHK die Belastungen für die Unternehmen verringern und den Weg für Erholung und Wachstum in der Region ebnen: „Als IHK wollen wir das in unseren Möglichkeiten liegende tun, um den heimischen Unternehmen zur Seite zu stehen und sie dabei unterstützen, die enormen Herausforderungen meistern zu können“, erklärte IHK-Präsident Schwarz.
Herausgegeben am 14. November 2024
Pressemeldung Nr. 75
Verantwortlich für den Inhalt: Doris Steininger, Tel. 06031/609-1100
Pressestelle: Doris Steininger, Tel. 06031/609-1100
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Stand: 15.11.2024