Die Zukunft des Dieselmotors – wie Fahrverbote vermieden werden können

Die IHK Gießen-Friedberg hat in ihrer Vollversammlung vom 13. Dezember 2018 folgende Position zur Dieselabgas-Thematik beschlossen.

Präambel:

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Februar 2018 entschieden, dass Diesel-Fahrverbote in Städten nach geltendem Recht grundsätzlich zulässig sind, soweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dabei gewahrt bleibt. Es gibt jedoch Abgasnachbehandlungssysteme, die sogar ein Euro 3-Diesel-Fahrzeug auf Euro 6-Norm verbessern können. Für den Einbau dieser Systeme in Personenkraftwagen, Transporter und Lastkraftwagen gibt es jedoch noch keine Rechtsgrundlage.
Die politische Diskussion um die Dieselabgasthematik und die Gespräche mit der Automobilindustrie sind seit über zwei Jahren virulent. Die Expertenkommission hat bereits ihren Abschlussbericht verabschiedet. Dennoch ist es wichtig, dass Politik und Öffentlichkeit auf den Umgang mit der Dieseltechnologie und dem dieselbetriebenen Verbrennungsmotor sowie einer vernünftigen Aufteilung der Kosten für die Nachrüstung informiert werden.

Position der IHK Gießen-Friedberg

Der Dieselmotor ist eine wichtige, zukunftsfähige Technik!

Begründung

Der Euro 6-Verbrenner ist sowohl als Otto- als auch als Dieselantrieb hochsauber; die besten Vertreter dieser Technik reinigen sogar die Umgebungsluft im Hinblick auf NOx und Feinstaub. Euro 6-Fahrzeuge sind in dieser Hinsicht ein Quantensprung in der Motorentwicklung. Bei der verschärften Überwachung der Motoren gemäß der In-Use-Compliance-Vorschrift („Gesetzesübereinstimmung während des Gebrauchs“. Die Hersteller müssen nach neuester Gesetzgebung sicherstellen, dass das neue Kfz‐Modell während des regulären Fahrzeugbetriebs nicht mehr Abgase ausstößt als erlaubt. Dies bedeutet die Abgasmessung während des Fahrbetriebs. Mit Wechsel von Euro 5 zu Euro 6 wächst diese Nachweispflicht für Lkw ab 16 Tonnen von 500.000 km Laufleistung auf 700.000 km beziehungsweise sieben Jahre Nutzungsdauer. Für Lkw, die leichter als 16 Tonnen sind, besteht  die Nachweispflicht über 300.000 Kilometer) ergibt sich ein Ausstoß von unter einem Gramm NOx pro Kilometer im Stadtverkehr. Aus Sicht des Umweltschutzes gibt es demnach keinen Grund mehr, vom Verbrennungsmotor im Allgemeinen und vom Diesel-Motor im Besonderen abzugehen.
Der Dieselmotor ist in der Summe der Eigenschaften als Fahrzeugantrieb kaum zu
ersetzen, insbesondere bei “schweren” Anwendungen. Neben den Schadstoffen sind
CO2-Emissionen und Kosten zu beachten. Hier schneiden gerade elektrische
Antriebe in der Summe der Eigenschaften ungünstiger ab, sogar bei den „leichten“
Pkw.
Die Vor-und Nachteile einzelner Technologien müssen stets unter Berücksichtigung
des gesamten „Energiesystems“ einschließlich Erzeugung, Umwandlung, Transport
und Speicher bewertet werden.

Position der IHK Gießen-Friedberg

Die IHK Gießen-Friedberg lehnt Fahrverbote ab. Statt der Diesel-Fahrverbote
fordert sie die Politik auf, die Rechtsgrundlage für die Nachrüstung von
Abgasnachbehandlungssystemen bei Personenkraftwagen, Transportern und
Lastkraftwagen zu schaffen.

Begründung

Fahrverbote sind schwerwiegende Eingriffe in die Mobilität der betroffenen Bürger und eine Einschränkung der Gewerbefreiheit durch Behinderung von Liefer- und Verteilerverkehr.
Von solchen Fahrverboten sind ältere Fahrzeuge betroffen, die über eine uneingeschränkte allgemeine Betriebserlaubnis verfügen. Fahrverbote bedeuten eine drastische Wertminderung der davon betroffenen Fahrzeuge.
Der Omnibusbereich, für den es bereits eine Nachrüstrichtlinie gibt, hat bewiesen, dass mehrere verfügbare Systeme zur Abgasnachbehandlung in der Lage sind, sogar Euro-3-Fahrzeuge auf ein  Euro-6-Niveau zu bringen. Diese Technologie lässt sich auch auf den Pkw, Transporter und Lkw übertragen. Es ist ein Fakt, dass auch beim Personenkraftwagen grundsätzlich Platz für diese Hardware-Nachrüstungen vorhanden ist. Die Technik ist verfügbar und kann unmittelbar angewendet werden.
Für den Einbau dieser Systeme in Personenkraftwagen, Transporter, Lastkraftwagen und Arbeitsmaschinen ist daher eine Nachrüstrichtlinie erforderlich. Wäre eine solche Rechtsgrundlage für die Nachrüstung von Abgasnachbehandlungssystemen vorhanden, könnten grundsätzlich Euro 3-Diesel-Fahrzeuge auf Euro 6-Norm verbessert werden.

Position der IHK Gießen-Friedberg

Ein Software-Update für Dieselfahrzeuge ist nicht immer der ausreichende Ansatz.

Begründung

Ein Software-Update, das sich ausschließlich auf innermotorische Optimierungen der Stickoxidemissionen bezieht, ist nicht immer zielführend (Ein Software‐Update ist allerdings durchaus sinnvoll bei Fahrzeugen, die bereits mit SCR‐Technik ausgestattet sind. Seit 2004 wird die SCR‐Abgasreinigung serienmäßig in Lkw‐Motoren  ab der Abgasnorm Euro 4 verwendet. Fahrzeuge mit der Euro 6d‐Norm unterschreiten sogar die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte von 80 mg/km.). Zum Tragen kommt der dieseltypische Zielkonflikt, der bei jeder Senkung der Stickoxidemissionen einen Anstieg des Kraftstoffverbrauchs und der Partikel zur Folge hat. Die erhöhten Partikelemissionen bedingen eine frühzeitige Versottung der Abgas-Rückführventile, verstopfen den Ansaugtrakt und beladen die Partikelfilter viel schneller. Die Folge ist ein schnellerer Verschleiß und ein steigender  Kraftstoffverbrauch.

Position der IHK Gießen-Friedberg

Die Nachrüstung von Abgasnachbehandlungssystemen sollte sowohl von öffentlichen Mitteln wie auch von Mitteln der Automobilindustrie finanziert werden.

Begründung

Bei der Einführung von Grenzen für den Schadstoffausstoff von Dieselfahrzeugen war für die Politik der Grundgedanke tragend, dass eine allgemeingültige, nachprüfbare und umsetzbare Regelung gefunden werden musste. Dabei bezog die Politik sich maßgeblich auf technische Zielwerte und auf technische Verfahren bei der Abgasmessung. Dass dabei Katalysatorabschaltanlagen in Fahrzeuge eingebaut wurden, hat der Gesetzgeber über Jahre hinweg wissentlich geduldet.
Allerdings kann die Automobilindustrie nicht vom Mitverschulden freigesprochen werden. Insofern bietet sich die Förderung der Nachrüstung aus einem Fonds an, der aus öffentlichen Mitteln und aus finanziellen Mitteln der Automobilhersteller gespeist wird. Wichtig ist, dass eine Förderung der Nachrüstung fahrzeugbezogen ist und nicht auf private Halter beschränkt wird. Auf diese Weise können auch gebrauchte Lagerfahrzeuge mit Dieselmotor nachgerüstet werden. Gleiches gilt für die fast ausschließlich dieselbetriebenen Fahrzeugflotten des Handwerks und anderer Gewerbetreibender. Die Höhe dieses Fonds sollte ausreichend groß ausgelegt sein, um alle betroffenen gewerblichen und privaten Fahrzeuge fördern zu können.

Forderung

Die IHK Gießen-Friedberg fordert daher Politik und Regierung auf,
  • schnellstens für eine Zulassung von Abgasnachbehandlungssystemen für mit Diesel betriebene Personenkraftwagen, Transporter, Lastkraftwagen und Arbeitsmaschinen zu sorgen,
  • die Einführung von Dieselfahreinschränkungen zu verhindern,
  • die Weiterentwicklung von innovativen Antriebs- und Kraftstofftechnologien auch außerhalb der Elektromobilität zu fördern und
  • die Kosten für die Nachrüstung von Abgasnachbehandlungssystemen aus öffentlichen Mitteln zusammen mit Mitteln der Automobilindustrie zu finanzieren.
Stand: 20.09.2023