EU-Japan Freihandelsabkommen

Vom Volumen der betroffenen Handelsströme ist das EU-Japan Wirtschaftspartnerschaftsabkommen das bisher umfangreichste Freihandelsabkommen der EU. Japan wird ab Inkrafttreten die Zölle auf 94 Prozent aller Einfuhren aus der EU (vorausgesetzt Präferenzursprungswaren) abschaffen. Allein 82 Prozent der Zölle entfallen auf Agrar- und Fischereierzeugnisse. Die EU wird sogar ab Inkrafttreten 99 Prozent der Einfuhrzölle aus Japan (vorausgesetzt Präferenzursprungswaren) abschaffen.
Ratifizierung
Das EU-only Abkommen ist am 01. Februar 2019 in Kraft getreten und soll im Laufe der nächsten Jahre unter anderem fast alle Zölle zwischen der EU und Japan abschaffen, Dienstleistungshandel erleichtern und regulatorische Kooperation erleichtern. Es hat als erstes EU-Abkommen ein dezidiertes KMU-Kapitel.
Die wesentlichen Inhalte des EU-Japan Freihandelsabkommens
  • Die meisten Zollsätze für Investitionsgüter werden mit Inkrafttreten des Abkommens vollständig abgebaut.
  • Der größte Verhandlungserfolg der japanischen Seite dürfte wohl im auf sieben Jahre gestreckten Abbau des EU-Importzolls von 10% auf Automobile liegen. Umgekehrt erhofft sich die europäische Automobilindustrie von der nun erstmals von Japan zugestandenen Anerkennung der hierzulande verwendeten UNECE-Normen eine Erleichterung des Marktzugangs.
  • Wesentlich längere Anpassungszeiträume wurden für den Abbau von Zöllen und Einfuhrquoten im Bereich Landwirtschaft und Nahrungsmittel vereinbart.
  • Für mehr als 200 EU-Produkte wurden geschützte geografische Herkunftsangaben vereinbart.
  • Im Bereich Dienstleistungsliberalisierung ist das Abkommen wenig ambitioniert.
  • Erstmals erhalten EU-Unternehmen Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen von 48 Großstädten in Japan sowie im Eisenbahnsektor.
  • Regelungen zu Vorschriften über Rezepturen, Normen, Verpackungsgrößen, Testverfahren und Beschriftungen wurden zu verschiedenen Warenkategorien vereinbart.
  • Beide Seiten bekennen sich zu hohen Standards im Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutz.
  • Das Abkommen enthält keine Regelung zur Streitschlichtung bei Investitionen. Hierzu werden die Verhandlungen außerhalb des Freihandelsabkommens fortgesetzt.
Präferenzrechtliche Aspekte
Die Be- und Verarbeitungslisten der EU-Freihandelsabkommen verfolgten bis auf das EU-Kanada CETA-Abkommen ein einheitliches Aufbauschema in den sogenannten Be- und Verarbeitungsregeln (Listenregeln) mit der
  • HS-Position
  • Warenbeschreibung
  • Be- oder Verarbeitung von Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft, die Ursprung verleihen.
Auch die Be- und Verarbeitungslisten im Freihandelsabkommen mit Japan weichen vom Aufbauschema von der bisherigen bekannten EU-Darstellung ab und werden voraussichtlich wie beim CETA-Abkommen eine Überschrift beinhalten, die auf eine ausreichende Fertigung nach Artikel 3.2 hinweist.
Zahlreiche Listenregeln wurden auch mit einem für EU-Abkommen neuen alternativen Be- und Verarbeitungskriterium versehen. Der Tarifsprung und/oder eine Prozentklausel ist bisher weitestgehend der Standard bei Industriewaren gewesen. Das neue Alternativkriterium zielt mit dem sogenannten Regional Value Content (regionaler Wertanteil) auf Basis der Lieferbedingung FOB (Free on Board) auf die prozentuale Verwendung von Vormaterialien mit Ursprungseigenschaft. Das Alternativkriterium ist sowohl in der Berechnungsmethodik als auch vom Ansatz der zu verwendenden Vormaterialien mit Ursprungseigenschaft eine neue Vorgehensweise für die EU.
Die Formel für die Anwendung der Regional Value Content ist wie folgt:
Der präferenzielle Nachweis wird über eine Ursprungserklärung auf der Rechnung, dem Lieferschein oder einem anderen Handelspapier mit dem Wortlaut und in einer Sprachfassung nach Anhang 3-D des EU-Japan-Abkommens geführt. Für präferenzielle Sendungen von über 6.000 Euro ist eine Registrierung als „Registrierter Ausführer“ beim zuständigen Hauptzollamt erforderlich. Unter dem vorgenannten Betrag können Ursprungserklärungen ohne eine Registrierung beim Zoll ausgestellt werden. Ausfuhrseitig kann eine Ursprungserklärung für Mehrfachsendungen mit einer Gültigkeitsdauer von bis zu 12 Monaten ausgestellt werden.
Die Ursprungserklärung zum Freihandelsabkommen mit Japan hat einen gänzlich neuen Bestandteil zu den bisherigen Ursprungserklärungen der EU-Freihandelsabkommen, in dem der Ausführer Angaben zur verwendeten Ursprungsregel („A“ für vollständige Gewinnung, „B“ für vollständige Herstellung, „C1“ für Tarifsprung, „C2“ für Prozentklausel, „C3“ für Herstellungsprozess, „C4 für besondere Regeln für PKWs und einige PKW-Teile, „D“ für Kumulierung oder „E“ für Toleranzregel) für die Ursprungsfindung machen muss.
Mehrfachnennungen zu den in Anwendung gebrachten Ursprungsregeln sind möglich.
Fragwürdig ist zurzeit, wie die Darstellung von im Handelsgeschäft tätigen Ausführern von präferenziellen Handelswaren in der Ursprungserklärung abgebildet werden soll. Die Ursprungserklärung sieht aktuell dafür kein Feld vor.
Ein Händler kann allerdings die zur Anwendung gebrauchte Ursprungsregel nicht durch die vom Vorlieferanten erhaltene Lieferantenerklärung bestimmen und dadurch das vorgesehene Feld in der Ursprungserklärung für Japan nicht ausfüllen. Zusätzlich ist es unwahrscheinlich, dass zum Beispiel ein EU-Hersteller einem EU-Händler, der Waren nach Japan exportiert Angaben zu den Herstellungsdaten liefern wird.
Aktuell veröffentlichte englische Fassung der Ursprungserklärung
Nachstehend finden Sie die aktuell veröffentliche englische Fassung der Ursprungserklärung mit den jeweiligen offiziellen Erläuterungen:
(Period: from…….. to……….. (1) )
The exporter of the products covered by this document (Exporter Reference No .… (2)) declares that, except where otherwise clearly indicated, these products are of ….. preferential origin (3).
(Origin criteria used (4) )
……………………………………………………………………………………
(Place and date (5) )
……………………………………………………………………………………
(Printed name of the exporter)
……………………………………………………………………………………
  1. If the statement on origin is completed for multiple shipments of identical originating products within the meaning of subparagraph 5(b) of Article 3.17, indicate the period for which the statement on origin will apply. That period shall not exceed 12 months.
    All importations of the product must occur within the period indicated. Where a period is not applicable, the field can be left blank.
  2. Indicate the reference number through which the exporter is identified. For the European Union exporter, this will be the number assigned in accordance with the laws and regulations of the European Union. For the Japanese exporter, this will be the Japan Corporate Number. Where the exporter has not been assigned a number, this field may be left blank.
  3. Indicate the origin of the product; the European Union or Japan.
  4. Indicate, depending on the case, one or more of the following codes;
    „A“ for a product referred to in subparagraph 1(a) of Article 3.2;
    „B“ for a product referred to in subparagraph 1(b) of Article 3.2;
    „C“ for a product referred to in subparagraph 1(c) of Article 3.2, with the following additional information on the type of product specific requirement actually applied to the product;
    „1“ for a change in tariff classification rule;
    „2“ for a maximum value of non-originating materials or a minimum regional value content rule;
    „3“ for a specific production process rule; or
    „4“ in case of application of the provisions of Section 3 of Appendix 3-B-1;
    „D“ for accumulation referred to in Article 3.5; or
    „E“ for tolerances referred to in Article 3.6.
  5. Place and date may be omitted if the information is contained on the document itself.
Fakten zum Handel EU-Japan
Japan ist der sechstwichtigste Handelspartner der EU und der zweitwichtigste Handelspartner Deutschlands in Asien. Für europäische Unternehmen gestaltet sich der Export nach Japan aus folgenden Gründen dennoch bisher oft schwierig: Auf bestimmte Erzeugnisse (zum Beispiel Wein, Teigwaren, Schokolade (10 Prozent), Käse (30 Prozent), sowie Schuhe (30 Prozent) und Lederwaren) erhebt Japan hohe Zölle. EU-Exporteure entrichten derzeit im Jahresdurchschnitt Einfuhrgebühren in Höhe von 134 Millionen Euro auf Wein, 174 Millionen Euro auf Lederwaren und Schuhe und 50 Millionen Euro auf forstwirtschaftliche Erzeugnisse.
Für die Einhaltung der japanischen Vorschriften und Regelungen entstehen zum Teil signifikante Kosten, wenn diese von internationalen Standards abweichen. Es bestehen so genannte technische Handelshemmnisse, zum Beispiel
  • Auflage getrennter Genehmigungen für jede Sorte von nach Japan ausgeführten Zitrusfrüchten
  • Ausschluss ausländischer Firmen von öffentlichen Ausschreibungen in einigen Sektoren
Fast 74.000 EU-Unternehmen exportieren nach Japan, 78 Prozent davon sind KMUs. In der EU dürften unter anderem folgende Branchen profitieren:
  • Arzneimittel
  • Medizinprodukte
  • Agrarerzeugnisse und Lebensmittel
  • Kraftfahrzeuge
  • Beförderungsmittel
Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse
Im Bereich der nicht-tarifären Handelshemmnisse konnten entscheidende Ergebnisse erzielt werden, insbesondere auch im Kfz-Sektor (weitgehende Anerkennung von UNECEStandards; Einbeziehung von Nutzfahrzeugen). Wichtig ist, dass es gelungen ist, Mechanismen zu etablieren, die die Einführung neuer nicht-tarifärer Handelshemmnisse wirksam verhindern beziehungsweise sanktionieren (sogenannte snap back Klausel). Das Abkommen berücksichtigt auch die defensiven Interessen der europäischen Seite durch Übergangsfristen für Zollsenkungen (Beispiel: lineare Senkung der Zölle auf Pkw über sieben Jahre).
Dienstleistungssektor
Auch im Dienstleistungsbereich wurden weitreichende Marktöffnungen in Japan erreicht: Insbesondere die Regeln zu Post-, Kurier- und Telekommunikationsdienstleistungen tragen zu besseren Rahmenbedingungen für europäische Dienstleister in Japan bei.
Öffentlicher Beschaffungsmarkt
Im Rahmen des EU-Japan Freihandelsabkommens ist Japan Verpflichtungen eingegangen, die über die eigenen Verpflichtungen des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (WTO Government Procurement Agreement) hinausgehen.
Auswahlverfahren werden transparenter gestaltet, deutsche beziehungsweise europäische Testergebnisse werden künftig anerkannt und der Marktzugang wird weiter geöffnet:
Japan hat seinen GPA-Anwendungsbereich auf zentralstaatlicher Ebene um insgesamt 21 neue Dienstleistungskategorien, wie etwa telekommunikationsnahe Dienste, für europäische Unternehmen geöffnet
  • Japan gewährt im Rahmen des Abkommens Marktzugang zu Vergabeverfahren bei 51 Universitäten, 25 Krankenhäusern und elf industrie- und industriellen Forschungszentren
  • Japan verschafft europäischen Unternehmen Marktzugang zu 48 sogenannten „core-cities“ Es handelt sich hierbei um Kommunen mit mehr als 300.000 Einwohnern (die genaue Definition von „core-city“ ist in Artikel 252-22 der Regulierung No. 67 von 1947 festgelegt)
  • Japan wird seinen nationalen Eisenbahn-Beschaffungsmarkt öffnen. Explizit miteinbezogen sind Hokkaido Railway Company, Japan Freight Railway Company, Japan Railway Construction Transport and Technology Agency, Shikoku Railway Company and Tokyo Metro Co., Ltd. Zudem wird Japans Sicherheitsvorbehalt bei der Beschaffung von Ausrüstungsteilen (“Operational Safety Clause“) künftig aufgehoben.
Insgesamt können deutsche Unternehmen durch das EU-Japan Freihandelsabkommen künftig besser an dem lukrativen Beschaffungsmarkt Japans teilnehmen.
Schutz des geistigen Eigentums
Ein wichtiger Teil des Abkommens umfasst den Schutz von sogenannten geographischen Angaben, welche den Export von Agrarprodukten und Lebensmittel fördern wird. Insgesamt werden über 200 Produkte geschützt, darunter auch deutsche Waren, wie etwa Hopfen aus der Hallertau, Lübecker Marzipan und Nürnberger Rostbratwürste.
Investitionsschutz
Beim Thema Investitionsschutz setzt sich die EU für ein System nach dem Vorbild von CETA ein. Eine Einigung zur Investor-Staat-Streitbeilegung steht noch aus. Die Verhandlungen dazu werden fortgesetzt.
Stand: 02.01.2024