IHK-Innenstadtberatung am südlichen Oberrhein: Den Blick von außen auf die City
Das Ziel ist klar umrissen: Die Innenstädte sollen auch in Zukunft lebendig bleiben. Um das zu erreichen, fördert das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg 2023/2024 die IHK-Innenstadtberaterteams im Land mit einer Gesamtsumme von 1,7 Millionen Euro. Die IHK Südlicher Oberrhein erhält aus dem Topf insgesamt 214.000 Euro, was die Fortsetzung der Innenstadtbegleitung in der Region ermöglicht. Zahlreiche Städte haben bereits ihren Hut in den Ring geworfen.
Innenstädte stecken mitten in einem großen Wandel, der sich fortsetzen wird. Digitalisierung, geändertes Einkaufsverhalten, Corona- und Energiekrise sowie ein deutlicher allgemeiner Preisauftrieb beschleunigen diesen Veränderungsprozess. Die Städte am südlichen Oberrhein sind gefordert, Zukunftskonzepte für ein lebendiges und vielfältiges Stadtzentrum zu entwickeln. „Die Innenstädte sind gesellschaftlich sehr wichtig, sie sind ein bedeutendes Kulturgut mit einer teils langen Historie“, sagt Alwin Wagner, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK. „Sie sind Zentren der Begegnung und des Arbeitens.“ Um diesen Wert zu erhalten, erarbeitet die IHK zusammen mit kommunalen Akteuren individuelle Zukunftskonzepte. Wagner: „Die Aufgabe, die Innenstädte zu schützen und zukunftsfest aufzustellen, ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die sich in unserem Projekt der Innenstadtberatung widerspiegelt.“
„Wir sitzen alle in einem Boot”
Auf den Weg gemacht haben sich in der vorangegangenen Förderperiode bereits die Städte Kehl, Haslach, Ettenheim, Emmendingen Neuenburg, Neustadt und Oberkirch. Der Wirtschaftsförderin von Oberkirch, Nadine Klasen, war am Anfang des Projektes die Betrachtung von außen wichtig. Wo steht die Ortenauer Kommune im Vergleich zu anderen Städten dieser Größenordnung? „Wir haben jede Menge Beteiligungsformate gestartet, um Akteure aus der Politik, aus der Innenstadt, Funktionsträger und Eigentümer, an einen Tisch zu holen“, erläutert sie. Das Vernetzen und das Einsammeln von Feedbacks habe die Verwaltung beim Thema Innenstadtentwicklung enorm vorangebracht. Für Klasen ist auch ein weiterer Punkt bei der IHK-Innenstadtberatung sehr wichtig: Der Austausch der Städte in der Region untereinander. „Es geht hier nicht um Abgrenzung und Konkurrenzanalyse, sondern um den Erfahrungsaustausch. Wir sitzen alle in einem Boot.“ Diesen Austausch soll es auch in Zukunft geben – zwischen Städten, die die IHK-Beratung bereits in Anspruch genommen haben und denen, die sich gerade in diesem Prozess befinden.
Das Ergebnis von Befragungen, Analysen und Priorisierungen hat für Oberkirch einen Masterplan mit 37 Einzelmaßnahmen ergeben, sagt Klasen. Hier spielt – so wie in anderen Kommunen auch – das Thema Stärkung des Ehrenamts eine Rolle. Klasen: „Sich neben seiner eigentlichen Arbeit für etwas zu engagieren, ist heute nicht mehr selbstverständlich. Das braucht man aber, um eine Innenstadt als Gemeinschaftsaufgabe weiterzuentwickeln.“ Weitere Projekte, die Oberkirch im Moment angeht, sind unter anderem die Schaffung eines digitalen Einkaufsführers und die Erweiterung des bereits bestehenden Gutscheinsystems vor Ort.
In der aktuellen Förderperiode ist auch die Stadt Kenzingen mit an Bord. „Die Belebung und Entwicklung der Innenstadt ist eine Daueraufgabe, die in Zukunft eher wichtiger wird“, konstatiert Bürgermeister Matthias Guderjan, der die Startphase für das Förderprojekt bereits initiiert hat. Am Anfang steht in Kenzingen – so wie auch in den anderen Modellstädten – die Gründung eines Innenstadt-Lenkungskreises, der sich regelmäßig trifft. „Dieser wird in Kürze zusammenkommen und beraten, was am Anfang passieren wird, beispielsweise eine Passantenzählung und -befragung.“ Mit an Bord ist auch die örtliche Handels- und Gewerbevereinigung. „Sie wird eine maßgebliche Rolle in dem Prozess einnehmen. Ich bin sehr gespannt, was an Input kommen wird“, sagt Guderjan.
Schaufensterdoktorin nimmt Außendarstellung unter die Lupe
Den Blick von außen auf die City bringt Thomas Kaiser mit. Der Innenstadtberater der IHK wird auch Kenzingen in der gerade angelaufenen Förderperiode begleiten. „In der Start- beziehungsweise Analysephase fühle ich mich wie ein Arzt, der erst einmal den Puls misst“, beschreibt Kaiser. Was ihm bei seiner Mission wichtig ist: „Die Betriebe sollen mitgenommen werden und wissen, da geht etwas gemeinsam voran.“ Bereits vom Start weg soll ein Bündnis geschmiedet werden zwischen den unterschiedlichen Akteuren. „Nicht nur die einzelnen Betriebe sollen mit an Bord sein, sondern auch die Stadtverwaltung, Handels- und Gewerbevereine, aber auch Aktive im Tourismus.“
Dass der Ausgleich nicht immer einfach ist, zeigt der Zielkonflikt zwischen Aufenthaltsqualität in den Innenstädten, also der Einrichtung autofreier und verkehrsberuhigter Zonen, und deren Erreichbarkeit. „Diese Kämpfe muss man durchstehen und am Ende gemeinsam entscheiden, welchen Weg eine Kommune in Zukunft nehmen soll“, sagt Kaiser. „Dabei gibt es keine Blaupause, die von einer Stadt auf die andere übertragen werden kann.“
Um sich einen ersten Überblick zu verschaffen, wird es Anfang März in Kenzingen einen Stadtspaziergang geben. „Das ist ein sehr gutes Instrument, um den ersten Eindruck eines Besuchers der Stadt – egal ob Mutter mit Kinderwagen, Senior mit Rollator, Tourist oder Einwohner – aufzufangen. Da geht es manchmal auch nur um einen überfüllten Mülleimer, ein schräg hängendes Schild oder einen desolat aussehenden Blumentopf.“ Aus einer solchen Begehung seien in anderen Städten bereits zwischen 80 und 120 kleine und schnell umsetzbare Maßnahmen hervorgegangen. Auch eine sogenannte Schaufensterdoktorin werde die Außendarstellung von Gastronomie und Handel in der City unter die Lupe nehmen.
Bis zu zwölf Städte können in den Genuss kommen
Zielgruppe der Fördermaßnahme des Landes Baden-Württemberg, die in den Jahren 2023 und 2024 läuft, sind Kommunen mit 10.000 bis 50.000 Einwohner. Im Gebiet der IHK Südlicher Oberrhein fallen 32 Städte in diese Größenordnung. Kleinere Städte können ebenfalls von der Förderung profitieren, wenn sie ein relevantes touristisches Potenzial oder einen gewissen Handelsumsatz aufweisen können. Bis zu zwölf Städte können in der aktuellen Periode in den Genuss einer geförderten Innenstadtberatung kommen. Der Begleitzeitraum durch die IHK ist jeweils auf sechs Monate angelegt. Neben Kenzingen ist auch Waldkirch mit dabei, weitere Städte – Achern, Wolfach, Friesenheim, Endingen, Müllheim, Bad Krozingen, Staufen und Badenweiler – haben ihr reges Interesse bekundet.
27.1.2023