Konjunkturumfrage: „Im Zickzackkurs nach unten“

Die deutsche Wirtschaft steckt fest in einer Konjunkturkrise, da macht auch die südbadische Region keine Ausnahme. „Wir sehen kein Licht am Ende des Tunnels“, sagte der Stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein, Alwin Wagner, bei der Vorstellung des Konjunkturberichts zum Herbst 2024 in Freiburg. Selbst am so robusten Arbeitsmarkt spielt der Abwärtstrend mittlerweile eine Rolle.
Seit rund zwei Jahren kämpfen die Unternehmen und insbesondere die Industrie am südlichen Oberrhein mit einem fallenden Auftragseingang. Die Folgen sind rückläufige Umsätze und immer weniger Unternehmen, die die eigene Ertragslage als gut bezeichnen. Das zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage der IHK Südlicher Oberrhein zum Herbst. Nur noch knapp sind die Unternehmen mit guter Geschäftslage (25 Prozent) in der Überzahl, schon 18 Prozent klagen über eine schlechte Geschäftslage. Der entsprechende Index über alle Branchen hinweg fällt von 18 auf 7 Punkte ab und erreicht damit den tiefsten Stand seit Jahresbeginn 2021.
„Es gibt keine Aufbruchsstimmung.“
Insbesondere in der Industrie fällt der Index der Geschäftslage zum ersten Mal seit vier Jahren wieder in den negativen Bereich, und zwar um 15 auf minus 5 Punkte. Lange konnte man hier noch von einem Auftragspolster zehren. Das erneute Ausbleiben konjunktureller Impulse scheint nun aber endgültig die Lage zu verschärfen. Erstmals seit dem Herbst 2020, der noch ganz im Zeichen der Covid-19-Pandemie stand, geben wieder mehr Unternehmen an, eine schlechte (27 Prozent) Geschäftslage zu haben als eine gute (21 Prozent). Dies macht sich auch in der Investitionspolitik der Industrieunternehmen bemerkbar. Nur noch 22 Prozent von ihnen planen die Investitionen am Standort auszuweiten, während 36 Prozent diese zurückfahren wollen. Dies unterstreicht einmal mehr, dass die Gefahr einer Schrumpfung der industriellen Basis auch für Südbaden besteht.
Das Problem fehlender positiver Dynamik verfestigt sich jedoch insgesamt. „Es gibt keine Aufbruchsstimmung. Seit fünf Jahren springt die Wirtschaft nicht mehr so richtig an, es geht im Zickzackkurs nach unten“, sagte Wagner. „Das deutet stark auf strukturelle Probleme am Standort Deutschland hin.“ Dass sich in der kommenden Zeit nichts daran ändern wird, zeigt auch der Index der Geschäftserwartungen. Zum fünften Mal in Folge blicken die Unternehmen am südlichen Oberrhein überwiegend pessimistisch in die Zukunft. Aktuell sind es 29 Prozent, die mit einer Verschlechterung rechnen, während sich nur noch 11 Prozent der Unternehmen ihren Optimismus erhalten konnten. Der Index der Geschäftserwartung fällt nochmals um 6 Punkte auf nun minus 17 Punkte.
Tiefster Stand seit zwei Jahren
Die Angaben zur aktuellen Geschäftslage und den zukünftigen Geschäftserwartungen werden zum IHK-Konjunkturklimaindex kombiniert. Dieser kann Werte zwischen 0 und 200 annehmen, wobei Werte über 100 Wirtschaftswachstum anzeigen und Werte unter 100 auf eine Rezession hindeuten. Die schlechtere Lageeinschätzung und die negativen Geschäftserwartungen lassen den IHK-Konjunkturklimaindex weiter abwärts taumeln. Er verliert 8 Punkte und befindet sich mit 94 Punkten nun auf dem tiefsten Stand seit zwei Jahren. Ähnlich ergeht es dem Index für ganz Baden-Württemberg, der bei 93 Punkten steht.
Die verhaltene Stimmung schlägt mittlerweile auch auf den Arbeitsmarkt durch. Noch vor der Corona-Krise sprach man hier von „Vollbeschäftigung“, doch die Zahl der Arbeitssuchenden im Kammerbezirk hat sich in den vergangenen vier Jahren um fast 4.000 Personen auf knapp 26.000 erhöht. Die Arbeitslosenquote stieg im selben Zeitraum von 3,5 Prozent auf 4 Prozent an. Auch das Mittel der Kurzarbeit wurde in den vergangenen Jahren vermehrt von einzelnen Unternehmen herangezogen, um auf die schwächere Nachfrage zu regieren. Diese Daten decken sich auch mit den Angaben, welche die Unternehmen zu ihren Personalplanungen machen. Bereits seit einem Jahr stehen hier die Zeichen überwiegend auf Beschäftigungsabbau. Aktuell planen 27 Prozent der Unternehmen mit weniger Mitarbeitenden in den kommenden zwölf Monaten, 57 Prozent möchten ihren Personalstamm stabil halten, nur 16 Prozent wollen diesen vergrößern.
„Wir befinden und auf dem Weg in Richtung Wahlkampf.“
Was sind aktuell die größten Belastungsfaktoren der Unternehmen? Bei der IHK-Umfrage gaben fast zwei Drittel der Betriebe an, sich Sorgen über die Inlandsnachfrage zu machen – der höchste Wert, seitdem die Frage im Jahr 2011 in den Fragebogen aufgenommen wurde. Dies unterstreicht die Verunsicherung, die derzeit in vielen Unternehmen herrscht. Ausdruck einer großen Unzufriedenheit ist auch die Entwicklung des Risikofaktors Wirtschaftspolitik. 42 Prozent aller befragten Unternehmen bestätigen, dass sie in dieser ein Risiko für das eigene Unternehmen sehen. Noch nie in den vergangenen 13 Jahren waren so viele Unternehmen unzufrieden mit der Politik. Im Frühsommer vergangenen Jahres lief das Thema mit 17 Prozent auch noch unter dem Radar.
Der Eindruck, dass in Deutschland nicht genügend Priorität auf die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit gelegt wird, verfestigt sich immer mehr. Besonders die zu hohe Bürokratiebelastung wird von den Unternehmen oft genannt, so etwa in Bezug auf Bauvorschriften, Berichtspflichten, Datenschutz oder dem Lieferkettengesetz. Aber auch die fehlende Verlässlichkeit zum Beispiel bei Fördermaßnahmen wird angemahnt. „Das alles darf einen Standort wie Deutschland nicht kennzeichnen, wo die Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen eigentlich ein wesentliches Merkmal sein müsste“, warnte Wagner. „Wir benötigen dringend ein Reformprogramm.“ Wagner befürchtet allerdings, dass die politisch Verantwortlichen hier wenig Ambitionen an den Tag legen werden. „Wir befinden und auf dem Weg in Richtung Wahlkampf. Die Gefahr ist groß, dass wir ein weiteres Jahr dabei verlieren, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland wieder zu verbessern und damit den Transformationsprozess der Wirtschaft zu unterstützen.“
(16.10.2024)