Sachverständige/r werden

Öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständige durch die IHK Südlicher Oberrhein gemäß § 36 Gewerbeordnung (GewO)

1. Bedeutung der öffentlichen Bestellung

Die IHK Südlicher Oberrhein ist berechtigt, im Rahmen der §§ 36, 36a Gewerbeordnung Sachverständige öffentlich zu bestellen und zu vereidigen. Voraussetzungen und Verfahren im Einzelnen regelt die Sachverständigenordnung der IHK Südlicher Oberrhein (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 197 KB).

Öffentlich bestellte Sachverständige sind Fachleute, die über besondere Erfahrung auf einem bestimmten Gebiet verfügen und äußerst zuverlässig sind. Sie genießen großes Vertrauen, weil ihre Fachkompetenz und Zuverlässigkeit nach gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien überprüft werden und weil ihre Tätigkeit überwacht wird. Sie können von Gerichten, Behörden, der Wirtschaft, aber auch der Allgemeinheit beauftragt werden. Aus diesem Grund werden ihre Namen und Kontaktdaten im bundesweiten IHK-Sachverständigenverzeichnis geführt.

Die öffentliche Bestellung ist nicht zwingend Voraussetzung für eine Tätigkeit als Sachverständige/r. Zweck der öffentlichen Bestellung ist es, Gerichten, Behörden und der Öffentlichkeit besonders sachkundige und persönlich geeignete Sachverständige zur Verfügung zu stellen, deren Aussagen besonders glaubhaft sind. Dabei umfasst die öffentliche Bestellung die Erstattung von Gutachten und andere Sachverständigentätigkeiten wie Beratungen, Überwachungen, Prüfungen, Erteilung von Bescheinigungen sowie schiedsgutachterliche und schiedsrichterliche Tätigkeiten.

Die öffentliche Bestellung erfolgt deshalb ausschließlich im öffentlichen Interesse, nicht um den persönlichen Zielen oder Vorstellungen eines/einer Bewerber(s)/in Rechnung zu tragen. Sie ist insbesondere keine Zulassung zu einem Beruf, sondern die Zuerkennung einer besonderen Qualifikation, die allerdings im Wirtschaftsleben einen hohen Stellenwert aufweist.

Die öffentliche Bestellung kann inhaltlich beschränkt, mit einer Befristung versehen und mit Auflagen verbunden werden. Die Bestellung ist jeweils auf fünf Jahre befristet. In begründeten Fällen kann die Fünf-Jahres-Dauer unterschritten werden.

2. Voraussetzungen für die öffentliche Bestellung

Öffentliche Bestellung und Vereidigung erfolgen auf Antrag. Die wesentlichen Voraussetzungen sind nach § 3 Sachverständigenordnung eine eingeschränkte Bedürfnisprüfung (siehe 2.1), die Feststellung der besonderen Sachkunde und der Rechtskenntnisse, die im Zusammenhang mit der Sachverständigenausübung erforderlich sind (siehe 2.2) sowie die Feststellung der persönlichen Eignung (siehe 2.3).

2.1 Das öffentliche abstrakte Bedürfnis
Es muss ein Bedarf an Sachverständigenleistungen für das Sachgebiet bestehen, für das eine Bestellung beantragt wird. Dabei darf aber nur geprüft werden, ob für ein bestimmtes Sachgebiet überhaupt ein Bedarf an öffentlich bestellten Sachverständigen besteht. Das ist immer dann der Fall, wenn Sachverständigenleistungen auf dem betreffenden Gebiet in nicht nur unerheblichem Umfang nachgefragt werden. Irrelevant hingegen ist, ob für ein bestimmtes Sachgebiet bereits genug Sachverständige bestellt worden sind, so dass hier konkret kein Bedarf mehr an Sachverständigen besteht.

2.2 Die „besondere Sachkunde“
Diese ist auf dem betreffenden Sachgebiet durch den/die Bewerber/in zur Überzeugung der IHK Südlicher Oberrhein nachzuweisen.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind überdurchschnittliche Kenntnisse, Fähigkeiten und praktische Erfahrungen auf dem betreffenden Sachgebiet erforderlich. Die ordnungsgemäße Ausübung des Berufs ist noch kein ausreichender Nachweis besonderer Sachkunde. Eine nähere Konkretisierung enthalten die „Fachlichen Bestellungsvoraussetzungen“, die es für eine Reihe von besonders bedeutenden Sachgebieten gibt und auf die wir besonders hinweisen.

Die besonderen Bestellungsvoraussetzungen stehen online im Sachverständigenverzeichnis unter https://svv.ihk.de/hauptnavigation/voraussetzungen und auf der Webseite des Instituts für Sachverständigenwesen unter Bestellungsvoraussetzungen: IfS (ifsforum.de) zum Abruf bereit. Sie können diese auch direkt bei uns anfordern. Bitte nehmen Sie insbesondere von der jeweiligen notwendigen Vorbildung und praktischen Erfahrung, auch als Sachverständige/r, Kenntnis und berücksichtigen dies vor der Antragstellung.

Zur „besonderen Sachkunde“ gehört insbesondere die Fähigkeit, das Fachwissen in Gutachtenform so darzustellen, dass die Ergebnisse und Überlegungen nachvollziehbar sind. Nachvollziehbarkeit bedeutet, das Gutachten so aufzubauen und zu begründen, dass ein Laie es versteht und auf seine Plausibilität überprüfen kann. Die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift und die Ausdrucksfähigkeit sind ebenso Inhalt der „besonderen Sachkunde“ wie die Kenntnis und Berücksichtigung der für die Gutachtertätigkeit wichtigen rechtlichen Rahmenbedingungen.

Wir empfehlen Ihnen, sich für die öffentliche Bestellung sorgfältig, gründlich und gezielt vorzubereiten. Grundsätzlich ist es erforderlich, dass Sie vor Antragstellung als Sachverständige/r auf dem beantragten Sachgebiet tätig waren. Die weitere Vorbereitung kann in unterschiedlichsten Formen wie dem Selbststudium, dem Besuch von Seminaren oder Fachtagungen, oder durch die Mitarbeit/Hospitanz bei erfahrenen Sachverständigen geschehen

Bitte beachten Sie, dass zu Überprüfungen Ihrer besonderen Sachkunde auf dem beantragten Sachgebiet in der Regel ein eigens dafür eingerichtetes Fachgremium einer IHK oder externe Fachleute hinzugezogen werden.

2.3 Die persönliche Eignung
Die persönliche Eignung des/der Bewerber(s)/in muss gewährleistet sein. Dies setzt voraus, dass der/die Bewerber/in nicht nur auf Grund seiner/ihrer persönlichen Eigenschaften Gewähr dafür bietet, die Gutachtertätigkeit objektiv und unparteiisch auszuüben, sondern diese Anforderung unter Berücksichtigung seines/ihres gesamten Umfeldes auch erfüllen kann.

Wesentliche Eigenschaften sind in diesem Zusammenhang: uneingeschränkte persönliche Zuverlässigkeit, Charakterstärke, Unparteilichkeit, Sachlichkeit auch in Bezug auf die Ausdrucksweise sowie wirtschaftliche und persönliche Unabhängigkeit und Neutralität.

Interessenbindungen jeder Art stellen die persönliche Eignung grundsätzlich in Frage, weil nicht auszuschließen ist, dass der/die Sachverständige möglicherweise nicht unabhängig tätig sein kann und damit Objektivität und Unparteilichkeit in den Augen der Öffentlichkeit nicht mehr gewährleistet sind. Zur persönlichen Eignung gehören auch der Ruf und das Ansehen des/der Bewerber(s)/in in der Öffentlichkeit und bei seiner/ihrer Berufsausbildung.

Schon geringe Bedenken hinsichtlich der persönlichen Eignung reichen aus, um die öffentliche Bestellung zu versagen, da der Schutz der Öffentlichkeit und das Vertrauen auf öffentlich bestellte Sachverständige Vorrang vor den privaten Interessen des/der Bewerber(s)/in haben.

2.4 Weitere Voraussetzungen
  • Der Schwerpunkt der Niederlassung als Sachverständige/r muss im Bezirk der IHK Südlicher Oberrhein liegen.
  • Er/Sie muss über die Einrichtungen verfügen, die zur Ausübung seiner/ihrer Tätigkeit als öffentlich bestellte/r Sachverständige/r auf dem entsprechenden Sachgebiet erforderlich sind.

3. Der Antrag auf öffentliche Bestellung

Das Verfahren auf öffentliche Bestellung wird durch einen förmlichen schriftlichen Antrag eingeleitet, der bei der IHK Südlicher Oberrhein einzureichen ist. Das beizufügende Anschreiben muss die genaue Umschreibung des Sachgebiets mit einer eingehenden Erläuterung und Abgrenzung enthalten. Der Antrag ist im Hinblick auf das Vorliegen der „besonderen Sachkunde“ unter Berücksichtigung etwaiger fachlicher Bestellungsvoraussetzungen und die Motive für die Antragstellung eingehend zu begründen. Hierzu beraten wir Sie gerne auch vorab.

Dem Antrag sind die folgenden Unterlagen beizufügen:
  • Begründung des Antrags, aus der auch das Interesse für eine Tätigkeit als öffentlich bestellte/r Sachverständige/r ersichtlich ist und Darlegung der besonderen Sachkunde auf dem beantragten Sachgebiet
  • Lebenslauf in Tabellenform, der neben den üblichen Angaben zur Person eine genaue Darstellung der Schul- und Berufsausbildung im Einzelnen und der beruflichen Tätigkeit enthalten muss.
  • Abschriften oder Kopien der Berufsabschlüsse und berufsbezogenen bzw. sachgebietsbezogenen Qualifikationen z.B. Diplome, Promotion, etc
  • Kopien von Arbeits- und Dienstbescheinigungen, soweit vorhanden
  • Teilnahmebestätigungen über erfolgte fachliche Fortbildung für das beantragte Sachgebiet und für die Sachverständigentätigkeit allgemein (Kopien sind ausreichend)
  • bei Bewerbern in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis eine Zustimmungs- und weitgehende Freistellungserklärung des Arbeitgebers, die auf einem gesonderten Formblatt abzugeben ist. (Dieses bitte gesondert anfordern). Bei Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes ist die Frage der Nebentätigkeitsgenehmigung zu klären
  • polizeiliches Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde neuesten Datums
  • allgemeine Bescheinigung in Steuersachen, erhältlich bei Ihrem Finanzamt
  • ein aktuelles Passbild
  • die den besonderen Bestellungsvoraussetzungen für das beantragte Sachgebiet entsprechende Anzahl von selbst erstatteten Gutachten oder - soweit keine besonderen Bestellungsvoraussetzungen bestehen - wenigstens drei selbst erstattete Gutachten auf dem beantragten Sachgebiet
  • sonstige zum Nachweis der besonderen Sachkunde geeignete Unterlagen (z.B. Artikel und Aufsätze, die in Fachzeitschriften publiziert wurden)
  • Adressen von mindestens fünf Personen, die über Sie in fachlicher und/oder persönlicher Hinsicht Aussagen gegenüber der Kammer machen können; diese werden von uns direkt kontaktiert
Bitte vereinbaren Sie vor Antragstellung einen persönlichen Besprechungstermin mit uns. Die Antragsunterlagen sind bei uns erhältlich.

4. Weiteres Verfahren bis zur Entscheidung


4.1 Überprüfung der eingereichten Unterlagen
Die IHK Südlicher Oberrhein überprüft durch Einschaltung geeigneter Fachleute die eingereichten Unterlagen.

4.2 Anhörung des Sachverständigenausschusses
Vor der Entscheidung hört die IHK Südlicher Oberrhein den Sachverständigenausschuss der IHK Region Stuttgart an, der zu jedem Antrag eine Stellungnahme abgibt.

Der Sachverständigenausschuss wird von der Vollversammlung der IHK Region Stuttgart berufen und setzt sich aus Vertretern der Wirtschaft, öffentlich bestellten Sachverständigen und weiteren besonders sachkundigen und/oder lebenserfahrenen Personen zusammen. Erforderlichenfalls wird der/die Bewerber/in zu einem Gespräch vor dem Sachverständigenausschuss eingeladen. Informationen zum Sachverständigenausschuss der IHK Region Stuttgart finden Sie auf der dortigen Webseite.

4.3 Überprüfung durch Fachgremien
Für die Sachgebiete, für die besondere „fachliche Bestellungsvoraussetzungen“ festgelegt sind, wird die „besondere Sachkunde“ in aller Regel durch eine zusätzliche schriftliche und/oder mündliche Überprüfung nachgewiesen. Hierfür sind bei verschiedenen IHK, teilweise auch außerhalb Baden-Württembergs, eigens unabhängige Fachgremien eingerichtet. Diese sind mit Fachleuten des entsprechenden Fachgebiets besetzt. Existiert kein Fachgremium, erfolgt die fachliche Überprüfung durch ein ad-hoc Fachgremium. Nähere Informationen hierzu erteilen wir Ihnen gerne auf Anfrage.

Es ist insgesamt mit einer Verfahrensdauer von mehreren Monaten zu rechnen.

5. Entscheidung

Die Entscheidung über den Antrag auf öffentliche Bestellung wird dem/der Bewerber/in grundsätzlich schriftlich in Form eines Bescheides, auf Wunsch auch in einem Gespräch, bekannt gegeben. Die öffentliche Bestellung erfolgt maximal auf 5 Jahre befristet, kann aber auf Antrag des Sachverständigen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen für eine erneute Bestellung um bis zu fünf Jahre verlängert werden. Die öffentliche Bestellung kann mit Auflagen versehen und unter bestimmten Voraussetzungen zurückgenommen bzw. widerrufen werden.
Der Antrag auf öffentliche Bestellung und Vereidigung kann vom Antragsteller jederzeit zurückgenommen werden.

6. Gebühren und Auslagen

Nach dem Gebührentarif der IHK Südlicher Oberrhein beträgt die Gebühr für die Bearbeitung des Antrags auf öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständige/r und Entscheidung darüber - auch bei nicht erfolgreicher Überprüfung - 305,00 Euro (Ziffer 4.1.1). Weitere Auslagen, die gegebenenfalls durch die Überprüfung des Antrags anfallen, sind zusätzlich zur Grundgebühr zu erstatten und gegebenenfalls durch einen Kostenvorschuss abzudecken. Sie können insbesondere durch die Einschaltung eines Fachgremiums entstehen. Für die Vereidigung als Sachverständige/r fällt eine weitere Gebühr in Höhe von 305,00 Euro (Ziffer 4.1.2) an. Der/Die Sachverständigenbewerber/in hat gegenüber der IHK Südlicher Oberrhein zu erklären, dass er/sie bereit ist, die Kosten des Bestellungsverfahrens zu übernehmen

7. Auskunft

In dieser Information können wir nicht jede Besonderheit eines Einzelfalls berücksichtigen. Für ergänzende Auskünfte im Zusammenhang mit der öffentlichen Bestellung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Wenn Sie einen Antrag auf öffentliche Bestellung als Sachverständige/r stellen möchten, empfehlen wir Ihnen, sich zunächst mit uns in Verbindung zu setzen.

Ihre Ansprechpartnerinnen für das Sachverständigenwesen:
Claudia Kaiser
Telefon: 0761/3858-252
Fax: 0761/3858-4252

Bei Rechtsfragen wenden Sie sich bitte an:
Andrea Buhl-Kaiser
Telefon: 0761/3858-251
Fax: 0761/3858-4251