Pflegezeit und Familienpflegezeit
- 1. Gesetzliche Regelung
- 2. Wer ist Beschäftigter?
- 3. Wer ist naher Angehöriger?
- 4. Wer ist pflegebedürftig?
- 5. Kurzzeitige Arbeitsverhinderung (§ 2 PflegeZG)
- 6. Pflegezeit (§§ 3, 4 PflegeZG)
- 7. Urlaub
- 8. Kündigungsschutz (§ 5 PflegeZG)
- 9. Unabdingbarkeit (§ 8 PflegeZG)
- 10. Sozialversicherung
- II. Familienpflegezeit
- 1. Gesetzliche Regelung
- 2. Darlehen
- 3. Kündigungsschutz
- 4. Unabdingbarkeit (§ 8 PflegeZG)
- 5. Sozialversicherung
- 6. PflegeZG und FPfZG
- III. Befristete Verträge zur Vertretung
- IV. Weitere Informationen
Seit 1. Juli 2008 ist das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) in Kraft getreten, das Beschäftigte die Möglichkeit eröffnet, nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen und damit die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege verbessern soll. Darüber hinaus ist zum 1. Januar 2015 das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf in Kraft getreten.
1. Gesetzliche Regelung
Das Gesetz eröffnet zwei Möglichkeiten der Beschäftigten, zur Pflege naher Angehöriger einen Freistellungsanspruch gegenüber ihrem Arbeitgeber geltend zu machen. Zum einen wird bei Eintritt einer akuten Pflegesituation ein Anspruch auf Freistellung von bis zu 10 Arbeitstagen begründet (kurzzeitige Arbeitsverhinderung), zum anderen gibt das Gesetz einen Anspruch auf eine bis zu sechsmonatige Pflegezeit, ähnlich der Elternzeit.
2. Wer ist Beschäftigter?
Beschäftigte i. S. d. PflegeZG sind Arbeitnehmer, die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten (auch Volontäre, Praktikanten) sowie arbeitnehmerähnliche Personen (wirtschaftliche Unselbstständigkeit), zu denen auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten zählen (§ 7 Abs. 1 PflegeZG). Die Erfüllung einer bestimmten Wartezeit sieht das Gesetz nicht vor. Es gilt vom ersten Tag der Beschäftigung an.
3. Wer ist naher Angehöriger?
Zu den nahen Angehörigen (§ 7 Abs. 3 PflegeZG) gehören seit 1. Januar 2015
- Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern,
- Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Schwägerinnen und Schwäger
- Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, die Kinder oder Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners (nicht die Kinder des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft), Schwieger- und Enkelkinder.
4. Wer ist pflegebedürftig?
Pflegebedürftig sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem Maße der Hilfe bedürfen. Die Voraussetzungen der §§ 14, 15 SGB XI (Pflegeversicherung) müssen erfüllt sein (§ 7 Abs. 4 PflegeZG), d. h. es muss mindestens Pflegestufe I vorliegen.
5. Kurzzeitige Arbeitsverhinderung (§ 2 PflegeZG)
Bei einer akut aufgetretenen Pflegesituation haben Beschäftigte das Recht, der Arbeit kurzzeitig, bis zu zehn Arbeitstagen, fernzubleiben, um eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen.
Voraussetzungen:
- Voraussichtliche Pflegebedürftigkeit
Wann die Pflegbedürftigkeit voraussichtlich zu erwarten ist, wird im Gesetz nicht näher erläutert. Es spricht einiges dafür, Tatsachen zu fordern, aufgrund derer der Eintritt einer Pflegebedürftigkeit als (überwiegend) wahrscheinlich erscheint. - eines nahen Angehörigen
- akut aufgetretene Pflegesituation
- Erfordernis des Fernbleibens von der Arbeit, um eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung sicherzustellen.
Liegen diese Voraussetzungen vor, haben Beschäftigte das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fern zu bleiben, d. h. die Beschäftigten haben einen Freistellungsanspruch. Einer Zustimmung des Arbeitgebers bedarf es nicht.
Allerdings muss der Beschäftigte die Verhinderung an der Arbeitsleistung und deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen und auf Verlangen des Arbeitgebers eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit und die Erforderlichkeit vorliegen.
Aus dem PflegeZG ergibt sich kein Entgeltfortzahlungsanspruch. Eine Verpflichtung zur Fortzahlung der Vergütung kann sich aber aus anderen gesetzlichen Vorschriften (z. B. § 616 BGB) oder aufgrund einer Vereinbarung (z. B. Arbeitsvertrag, Tarifvertrag) ergeben. Nach geltender Rechtsprechung begründet das unvorhergesehene Ereignis der Pflege naher Angehöriger für eine nicht erhebliche Zeit einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB. Allerdings kann § 616 BGB durch Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden.
Seit 1. Januar 2015 hat der Beschäftigte einen Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld – vergleichbar dem Kinderkrankengeld – als Lohnersatzleistung für bis zu zehn Arbeitstage (67 % des weggefallenen Bruttoeinkommens).
6. Pflegezeit (§§ 3, 4 PflegeZG)
Beschäftigte sind für bis zu sechs Monaten von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen.
Voraussetzungen:
- Der Arbeitgeber hat regelmäßig über fünfzehn Beschäftigte.
- Bestehende Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen
- Pflege in häuslicher Umgebung (bei Minderjährigen auch Pflege in außerhäuslicher Umgebung): Das Gesetz bestimmt nicht näher, was unter häuslicher Umgebung zu verstehen ist. Die Voraussetzung dürfte auch dann erfüllt sein, wenn der Beschäftigte den Angehörigen in dessen Haushalt pflegt, ohne den eigenen Haushalt aufzugeben.
- Schriftliche Ankündigung
Wird die Form nicht eingehalten, ist die Pflegezeit nicht wirksam geltend gemacht. - Spätestens zehn Arbeitstage vor Beginn der Pflegezeit
Wird die Frist nicht eingehalten, verschiebt sich der Beginn der Pflegezeit nach hinten. - Gleichzeitige Erklärung für welchen Zeitraum und in welchem Umfang die Freistellung gewünscht ist. Ist eine völlige Freistellung gewünscht, bedarf es keiner Zustimmung des Arbeitgebers. Bei nur teilweiser Freistellung (Teilzeit) ist die schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten über die Verringerung und die Verteilung der Arbeitszeit notwendig. Der Arbeitgeber hat hierbei den Wünschen des Beschäftigten zu entsprechen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.
- Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse über die Pflegebedürftigkeit. Bei privater Pflege-Pflichtversicherung ist ein entsprechender Nachweis zu erbringen.
Liegen diese Voraussetzungen vor, hat der Beschäftigte einen Freistellungsanspruch für die beantragte Dauer, maximal jedoch für sechs Monate für jeden pflegebedürftigen Angehörigen. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht für die Freistellungszeit nicht. Die Beschäftigten haben aber einen Rechtsanspruch auf ein zinsloses Darlehen, das das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben gewährt (siehe hierzu II 2).
Hat der Beschäftigte den Sechs-Monats-Zeitraum nicht ausgeschöpft, kann die Pflegezeit bis zur Höchstdauer verlängert werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Eine Verlängerung bis zur Höchstzeit kann verlangt werden, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Person des Pflegenden aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann.
Eine vorzeitige Beendigung der Pflegezeit ist nur mit Zustimmung des Arbeitsgebers möglich. Etwas anderes gilt, wenn die Pflegebedürftigkeit nicht mehr besteht oder die häusliche Pflege des nahen Angehörigen unmöglich oder unzumutbar wird. Die Pflegezeit endet dann vier Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände. Der Arbeitgeber ist über die veränderten Umstände unverzüglich zu unterrichten.
Die Aufteilung der Pflegezeit in mehrere getrennte Abschnitte ist nach bisheriger Rechtsprechung nicht möglich.
Außerdem sind Beschäftigte außerhalb der Pflege in häuslicher Umgebung zur Begleitung eines nahen Angehörigen von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen, wenn dieser an einer Erkrankung leidet, die progredient verläuft und bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat, bei der eine Heilung ausgeschlossen und eine palliativmedizinische Behandlung notwendig ist und die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten erwarten lässt. Die Höchstdauer der Freistellung beträgt hier allerdings nur drei Monate.
7. Urlaub
Gem. § 4 Abs. 4 PflegeZG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, um ein Zwölftel für jeden vollen Kalendermonat der vollständigen Freistellung kürzen.
8. Kündigungsschutz (§ 5 PflegeZG)
Von der Ankündigung, höchstens jedoch zwölf Wochen vor dem angekündigten Beginn, bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung oder der Pflegezeit besteht ein Kündigungsverbot. In besonderen Fällen kann eine Kündigung von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde (Gewerbeaufsichtsamt) für zulässig erklärt werden.
9. Unabdingbarkeit (§ 8 PflegeZG)
Von den Vorschriften des PflegeZG kann nicht zuungunsten der Beschäftigten abgewichen werden.
10. Sozialversicherung
Abhängig vom Umfang der Pflegezeit i. S. d. § 3 PflegeZG ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen hinsichtlich der Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Als Arbeitgeber sollten Sie Ihren Beschäftigten vor Inanspruchnahme der Pflegezeit darauf hinweisen, sich (auch bei nur teilweiser Freistellung) bei den Sozialversicherungsträgern zu informieren (z. B. Familienversicherung, freiwillige Versicherung oder Versicherungspflicht als „Nichtversicherter“ mit Anspruch auf Zuschuss in der Kranken- und Pflegeversicherung; Übernahme der Beiträge zur Renten- und Arbeitsversicherung durch die Pflegekasse).
II. Familienpflegezeit
Das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) ist seit 01. Januar 2012 in Kraft. Durch das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf zum 1. Januar 2015 hat es wesentliche Änderungen erfahren.
1. Gesetzliche Regelung
Das FPfZG sieht vor, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeit über einen Zeitraum von maximal zwei Jahren auf bis zu 15 Stunden reduzieren können, um die häusliche Pflege für einen nahen Angehörigen zu gewährleisten. Seit 1. Januar 2015 ist dies als Rechtsanspruch formuliert, gilt aber nicht für Betriebe mit regelmäßig 25 oder weniger Beschäftigten.
Voraussetzungen:
- Der Arbeitgeber hat regelmäßig über 25 Beschäftigte.
- Bestehende Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen
- Pflege in häuslicher Umgebung eines nahen Angehörigen (siehe I 3 und 4)
- Schriftliche Ankündigung
Wird die Form nicht eingehalten, ist die Familienpflegezeit nicht wirksam geltend gemacht. - Spätestens acht Wochen vor Beginn der gewünschten Familienpflegezeit
Wird die Frist nicht eingehalten, verschiebt sich der Beginn der Pflegezeit nach hinten. - Gleichzeitige Erklärung für welchen Zeitraum und in welchem Umfang innerhalb der Gesamtdauer die Verringerung der Arbeitszeit gewünscht ist. Dabei ist auch die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit anzugeben. Der Arbeitgeber hat den Wünschen des Beschäftigten zu entsprechen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.
- Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse über die Pflegebedürftigkeit. Bei privater Pflege-Pflichtversicherung ist ein entsprechender Nachweis zu erbringen.
Wird die Familienpflegezeit nach einer Freistellung zur Pflege oder Betreuung desselben pflegebedürftigen Angehörigen in Anspruch genommen, muss sich die Familienpflegezeit unmittelbar an die Freistellung anschließen. In diesem Fall soll die oder der Beschäftigte möglichst frühzeitig erklären, ob Familienpflegezeit in Anspruch genommen wird, spätestens drei Monate vor Beginn der Familienpflegezeit. Wird eine Freistellung nach einer Familienpflegezeit in Anspruch genommen, ist die Freistellung in unmittelbarem Anschluss an die Familienpflegezeit zu beanspruchen und dem Arbeitgeber spätestens acht Wochen vor Beginn der Freistellung schriftlich anzukündigen.
2. Darlehen
Für die Dauer der Verringerung der Arbeitszeit nach dem FPfZG gewährt das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben Beschäftigten auf Antrag ein in monatlichen Raten zu zahlendes zinsloses Darlehen.
3. Kündigungsschutz
Von der Ankündigung, höchstens jedoch zwölf Wochen vor dem angekündigtem Beginn, bis zur Beendigung der Familienpflegezeit hat der betreffende Arbeitnehmer gem. § 2 Abs. 3 FPfZG mit dem Verweis auf das PflegeZG einen besonderen Kündigungsschutz. Eine wirksame Kündigung kann nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde (Gewerbeaufsichtsamt) erfolgen.
4. Unabdingbarkeit (§ 8 PflegeZG)
Von den Vorschriften des FPfZG kann nicht zuungunsten der Beschäftigten abgewichen werden. § 8 PflegeZG gilt auch hier.
5. Sozialversicherung
Sozialversicherungsrechtlich wird für die Familienpflegezeit das verringerte Arbeitseinkommen zugrunde gelegt.
6. PflegeZG und FPfZG
PflegeZG und FPfZG bestehen nebeneinander, sind aber so miteinander verzahnt, dass die Dauer der Reduzierung der Arbeitszeit auch bei Kombination beider Ansprüche insgesamt 24 Monate beträgt.
III. Befristete Verträge zur Vertretung
§ 6 Abs. 1 PflegeZG regelt, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages mit einer Vertretungskraft für die Zeit, in der Beschäftigte kurzzeitig an der Arbeitsleistung verhindert sind oder Freistellung in Anspruch nehmen, sachlich gerechtfertigt ist. Die Dauer der Befristung des Arbeitsvertrages muss kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein oder den vorgenannten Zweck zu entnehmen sein. Über die sich grundsätzlich aus dem PflegeZG ergebende Höchstdauer hinaus kann die Befristung ausnahmsweise sogar um die für die Einarbeitung notwendige Zeit verlängert werden. Wird die Freistellung vorzeitig beendet, kann der Arbeitgeber den befristeten Arbeitsvertrag unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen kündigen. Das Kündigungsschutzgesetz findet hier keine Anwendung.
Diese Regelung gilt für das FPfZG entsprechend.
IV. Weitere Informationen
Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Angelegenheiten
Sibille-Hartmann-Str. 2-8
50969 Köln
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50969 Köln
Informationen finden Sie auch auf der Seite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Die Erstellung und Veröffentlichung von Merkblättern ist ein Service der IHK Südlicher Oberrhein für ihre Mitgliedsunternehmen. Dabei handelt es sich um eine zusammenfassende Darstellung der rechtlichen Grundlagen, die nur erste Hinweise enthält und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Stand: Januar 2015