Homeoffice im Ausland
Manch ein Arbeitgeber möchte seinem Team ermöglichen, vor einer schönen Naturkulisse zu arbeiten, für andere ist es der Hoffnungsschimmer beim Thema Fachkräftemangel: Die Idee, Arbeitskräfte im eigenen Unternehmen einzusetzen, die vom Ausland aus arbeiten, gewinnt immer mehr Popularität. Aus rechtlicher und steuerrechtlicher Sicht gilt es jedoch Einiges zu bedenken, bevor man diese Option ermöglichen kann.
- Fachkräfte und Flexibilität
- Was sagt der Arbeitsvertrag?
- Welchem Arbeitsrecht unterliegen die Mitarbeitenden?
- Wie macht sich das jeweils geltende Arbeitsrecht in der Praxis bemerkbar?
- Stichwort Workation
- Visum, Arbeitserlaubnis und Meldepflichten
- Sozialversicherung und Steuern
- Stichwort Betriebsstätte
- Fazit
Fachkräfte und Flexibilität
Studien zeigen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch nach der Covid-19 Pandemie einen Teil der Arbeitszeit von zu Hause aus erledigen möchten, viele erwarten sogar, häufiger zu Hause als im Büro sein zu können. Nachdem die neue Arbeitswelt auf diese „remote work“ eingestellt ist, werden auch zunehmend Wünsche geäußert, das „Homeoffice“ ins Ausland zu verlegen. Die darin enthaltenen Arbeitsmuster scheinen nach der Covid-19-Pandemie Teil des Maßnahmenkatalogs beim „War for Talents“ zu sein, wenn man as attraktiver Arbeitgeber gelten möchte. Aus rechtlicher Sicht sollten Sie die folgenden Punkte bedenken.
Was sagt der Arbeitsvertrag?
Nur in seltenen Fällen dürfte die Frage nach der Zulässigkeit des „Homeoffice im Ausland“ von bereits bestehenden arbeitsvertraglichen Regelungen gedeckt sein. Wenn Mitarbeitenden die Möglichkeit des vorübergehenden Homeoffice im Ausland erlaubt werden soll, sollten Arbeitgeber eine individuelle internationale Mobile-Work-Vereinbarung abschließen. Denn nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen unterliegt die Bestimmung des Tätigkeitsorts grundsätzlich erst einmal dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Ist im Arbeitsvertrag geregelt, von wo aus Mitarbeitende ihre Arbeitsleistung zu erbringen haben, kann davon nur einvernehmlich abgewichen werden.
Selbst wenn die Parteien sich auf das sogenannte mobile Arbeiten verständigt haben und es den Mitarbeitenden freigestellt ist, an welchem Ort sie ihre Arbeitsleistung erbringen, beschränkt sich diese Abrede grundsätzlich auf eine Tätigkeit innerhalb Deutschlands. Mitarbeitende können daher nicht ohne Weiteres verlangen, aus einem ausländischen Homeoffice arbeiten zu dürfen. Auch die vom Gesetzgeber (temporär) eingeführte Homeoffice-Angebotspflicht erstreckt sich nicht auf eine Tätigkeit im Ausland. Aus diesem Grund sollten Arbeitgeber mit einer Zusatzvereinbarung für Klarheit sorgen.
Weiterhin sollte auch der Betriebsrat einbezogen sein. Aus kollektivrechtlicher Sicht ist der durch den im Rahmen des „Betriebsrätemodernisierungsgesetzes“ neu eingefügte § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG zu beachten, wonach der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit hat, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird. So sollten in einer kollektiven Vereinbarung mit dem Betriebsrat die allgemeinen Rahmenbedingungen des mobilen Arbeitens festgehalten werden.
Welchem Arbeitsrecht unterliegen die Mitarbeitenden?
Im Rahmen dieser Vertragsgestaltung ist zunächst die Frage des anwendbaren Rechts zu klären. Dieses richtet sich nach dem zeitlichen Umfang der Tätigkeit des Homeoffice im Ausland. Bei lediglich kurzzeitigen vorübergehenden Einsätzen ändert sich der gewöhnliche Beschäftigungsort und damit das anzuwendende Recht nicht. Wenn jedoch Mitarbeitende dauerhaft mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit im Homeoffice im Ausland erbringen, werden sie wohl nicht mehr dem deutschen Arbeitsrecht unterliegen. Nicht weniger kompliziert wird es dann, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abwechselnd sowohl im Inland als auch im Homeoffice im Ausland tätig werden sollen. In diesen Fällen ist die Geltung des anwendbaren Rechts vom Einzelfall abhängig.
Wie macht sich das jeweils geltende Arbeitsrecht in der Praxis bemerkbar?
Feiertage
Besonderes Augenmerk sollte hierbei auf die Regelungen zu Feiertagen gelegt werden. Wird grundsätzlich das deutsche Arbeitsrecht vereinbart, so kann dies dazu führen, dass Mitarbeitende, die vom deutschen Arbeitgeber im Ausland eingesetzt werden, an deutschen Feiertagen grundsätzlich keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 2 EFZG haben. Deutsche gesetzliche Feiertage begründen kein Arbeitsverbot im Ausland, sodass sie nicht zu einem Arbeitsausfall führen. Umgekehrt werden ausländische gesetzliche Feiertage nicht von § 2 EFZG erfasst, wenn auf den Arbeitnehmenden im Ausland deutsches Arbeitsrecht anzuwenden ist. Hier sollten Absprachen getroffen werden, wie beide Parteien damit umgehen wollen.
Mindestlohn
Ein weiterer Aspekt, der beim Homeoffice im Ausland bedacht werden muss, ist die Einhaltung des Mindestlohns im Einsatzland. Insbesondere innerhalb Europas sind in vielen Ländern nach Umsetzung der Änderungs-Richtlinie (2018/957/EU) grundsätzlich ab dem 1. Tag sämtliche die „Entlohnung“ ausmachenden Vergütungsbestandteile im Aufnahmestaat, die per Gesetz oder per allgemeinverbindlichem Tarifvertrag gelten, einzuhalten. Damit soll weitestgehend der Grundsatz des „Equal Pay“ mit vergleichbaren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Aufnahmestaat umgesetzt werden. Es können gerade in Fällen des Homeoffice im Ausland am Einsatzort Nachweispflichten für den Arbeitgeber entstehen. Eine Entgeltanpassung muss nur in den Fällen erfolgen, in denen die vergleichbaren Entgelte im Aufnahmestaat höher sind. Der Entgeltvergleich ist theoretisch jedoch immer erforderlich, da sonst keine Kontrollmöglichkeit für Behörden vor Ort bestehen.
Stichwort Workation
Homeoffice im Ausland soll nach der Vorstellung einiger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders gut geeignet sein, Arbeit und Urlaub zu kombinieren. „Workation“ als Symbiose von Urlaub (vacation) und Arbeit (work) soll die „Work-Life-Balance“ verbessern. Die Vorstellung, morgens die arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen und nachmittags am Strand zu liegen, scheint für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erstrebenswert. Im Rahmen der Vertragsgestaltung sind dabei jedoch arbeitsrechtliche Hürden zu beachten. Leider sind diese Arbeitsmodelle mit den Vorgaben des Bundesurlaubsgesetzes nicht unbedingt vereinbar. Die gesetzlichen Regelungen erlauben grundsätzlich nur eine tageweise, nicht jedoch stundenweise Gewährung von Urlaub, jedenfalls solange Beschäftige noch Anspruch auf mindestens einen vollen Urlaubstag haben.
Visum, Arbeitserlaubnis und Meldepflichten
Nach Klärung der verbindlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für Mitarbeitende sollten Arbeitgeber, die das Homeoffice im Ausland für einen begrenzten Zeitraum zulassen, auch klären, ob durch das Tätigwerden im Ausland ein Visum oder eine Arbeitserlaubnis benötigt wird. Eine Verlagerung dieser Pflichten auf die Angestellten ist nicht immer empfehlenswert. Sollte es etwa passieren, dass eine falsche Visumskategorie (etwa ein Touristenvisum statt eines Businessvisums) genutzt wird, so kann dies zu persönlichen Konsequenzen für die Mitarbeitenden und zu Nachteilen für den Arbeitgeber führen.
Während der kurzzeitigen Einsätze in einem anderen EU-Land benötigen Mitarbeitende keine Arbeitserlaubnis und keine Aufenthaltsgenehmigung. Auch ist kein Einreisevisum notwendig. Bürgerinnen und Bürger aus den Mitgliedstaaten der EU haben das Recht, in jedes andere EU-Land einzureisen, ohne spezielle Formalitäten erledigen zu müssen. Sie benötigen aber immer einen gültigen Personalausweis oder Reisepass. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Ausweisdokumente noch mindestens drei Monate gültig sind.
Unabhängig von Visum und Arbeitserlaubnis können abhängig vom jeweiligen Einzelfall jedoch auch beim Homeoffice im Ausland Meldepflichten bestehen. Aufgrund der sogenannten Durchsetzungsrichtlinie 2014/67/EU gibt es innerhalb Europas gesteigerte Arbeitgeberpflichten, die zu Melde- und Registrierungspflichten führen, auch bei kurzfristigen grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsätzen in der EU. Ziel ist die Einhaltung von Mindeststandards hinsichtlich Mindestlohn, Arbeitszeiten, Urlaubsregelung, Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz sowie Bedingungen für die Arbeitnehmerüberlassung.
Demzufolge sind in vielen EU-Mitgliedstaaten umfangreiche Melde- und Dokumentationspflichten für ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erfüllen. In der Regel sind auf Meldeportalen Mitarbeiterdaten zu erfassen und es sind Dokumente bei der Dienstreise mitzuführen.
Sozialversicherung und Steuern
Ferner sollte das Homeoffice im Ausland auch aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht richtig aufgesetzt werden. Da der Begriff „Homeoffice im Ausland“ nichts über den Inhalt, die Dauer und die Beweggründe des Einsatzes im Ausland aussagt, ist es denkbar, dass auch beim Homeoffice im Ausland der Verbleib im heimischen Sozialversicherungssystem nachgewiesen und eine Sozialversicherungspflicht im Einsatzstaat vermieden werden kann. Es ist beim zuständigen Sozialversicherungsträger zu klären, ob – bei Einsätzen innerhalb Europas – ein Fall der Verordnung VO EU 883/2004 vorliegt, die bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten innerhalb der EU/EWR und der Schweiz den sozialversicherungsrechtlichen Status beantwortet.
Wenn das Homeoffice im Ausland eine bestimmte Einsatzdauer übersteigt, können für den Arbeitgeber Lohnsteuerpflichten im Ausland entstehen. In steuerlicher Hinsicht sollten Arbeitgeber deshalb klären, ob Deutschland mit dem beabsichtigten Einsatzland ein sog. Doppelbesteuerungsabkommen („DBA“) geschlossen hat. Sollten Mitarbeitende lediglich einzelne Tage im Ausland tätig werden, hat bei Vorhandensein eines DBA der Tätigkeitsstaat üblicherweise für diese Tage grundsätzlich kein Besteuerungsrecht, wenn der Einsatz 183 Tage im jeweiligen Ausland nicht überschreitet. Der Teufel steckt jedoch auch hier im Detail, da es je nach Abkommen darauf ankommt, ob sich die einzelnen Mitarbeitenden weniger als 183 Tage im Kalenderjahr/12-Monatszeitraum bzw. Steuerjahr (je nach Land) in dem jeweiligen Staat aufhalten. Dementsprechend sollten die Voraussetzungen im Vorfeld geprüft werden. Lesen Sie hierzu auch unseren den Beitrag “Lohnsteuerrisiken beim Homeoffice”.
Stichwort Betriebsstätte
Aus Arbeitgebersicht sind in Bezug auf Steuern auch Betriebsstättenrisiken nicht zu unterschätzen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass infolge des Homeoffice das Risiko einer (ertragsteuerlichen) Betriebsstätte im Ausland entsteht. Dabei sind insbesondere die Faktoren der Dauerhaftigkeit und der Verfügungsmacht im Zusammenhang mit der Homeoffice-Betriebsstätte zu prüfen (OECD-MK Art. 5 Z 18). Ein Homeoffice kann zur Betriebsstätte für den Arbeitgeber im Ausland werden, wenn es dauerhaft zur Ausübung einer betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers genutzt wird. Dies kann nach Einschätzung von ausländischen Finanzbehörden dann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer verlangt, seine Wohnung für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens zur Verfügung zu stellen, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt, obwohl die Tätigkeit des Arbeitnehmers einen Arbeitsplatz erfordert. Die bloß sporadische oder gelegentliche Nutzung des Homeoffice eines Arbeitnehmers ist mangels ausreichender Verfügungsmacht in der Regel nicht betriebsstättenbegründend. Es ist deshalb aus steuerlicher Pflicht zu prüfen, ab wann nicht mehr von einer bloß gelegentlichen Nutzung gesprochen werden.
Fazit
Gerade im eingangs genannten „War for Talents“ können Arbeitgeber die Frage des Homeoffice im Ausland zu ihren Gunsten nutzen. Sie sollten dann das Recht zum Homeoffice im Ausland jedoch unter einen Zustimmungsvorbehalt stellen, um die rechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen und steuerlichen Grundlagen im Vorfeld des Einsatzes im Ausland klären zu können.
Christian Speckert, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Partner, Kanzlei Rödl & Partner, Stuttgart