Neue CE-Richtlinien ab 2016

Anfang 2014 wurde eine Reihe neuer CE-Richtlinien mit Gültigkeit ab April 2016 im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Informieren Sie sich hier über betroffene Produktbereiche und erforderliche Maßnahmen seitens Herstellern, Importeuren und Händlern.
Im Folgenden finden Sie eine Übersicht der neuen Richtlinien sowie verschiedene Hinweise zu Änderungen gegenüber den aktuellen Richtlinien. Einen Überblick zum Thema CE-Kennzeichnung selber bieten unsere Erstinformationen zur CE-Kennzeichnung.
Hinweis: Diese Übersicht berücksichtigt keine laufenden Änderungen zu den einzelnen Richtlinien. Bitte prüfen Sie vor jeglicher Maßnahme oder Schlussfolgerung den aktuellen Wortlaut der für Ihre Produkte anzuwendenden Richtlinien.

Warum neue CE-Richtlinien?

Mit der Verordnung 765/2008 sowie dem Beschluss 768/2008 wurde im Jahr 2008 ein optimierter Rechtsrahmen für das Inverkehrbringen einer großen Bandbreite von Produkten geschaffen. Insbesondere der Beschluss 768/2008 enthält unter anderem verschiedene Konformitätsbewertungsverfahren (Module), auf die in den produktspezifischen Richtlinien zurückgegriffen werden kann. Entsprechend werden die CE-Richtlinien nun nach und nach an das sogenannte New Legislative Framework angepasst.
Positiv hervorzuheben ist beispielsweise die Umsetzung eines weitgehend vergleichbareren Aufbaus der neuen Richtlinien in Anlehnung an die möglichen Rollen eines Unternehmens als Hersteller, Importeur oder Händler. Auch wurden die Texte insgesamt näher am üblichen Sprachgebrach ausgerichtet.

Betroffene Produktbereiche

Am 29.03.2014 wurden acht neue Richtlinien im EU-Amtsblatt veröffentlicht:
Vor allem die Änderung der Niederspannungsrichtlinie sowie der EMV-Richtlinie betrifft zahlreiche Unternehmen. Diese sind relevant für unzählige Elektronikprodukte (EMV) bzw. nahezu alle Produkte mit einer Betriebsspannung zwischen 50 und 1.000 Volt (AC) bzw. 75 und 1.500 Volt (DC).

Hinweise zum Aufbau der Richtlinien

Ein erster Überblick ist aufgrund des geänderten Aufbaus jeweils sehr leicht möglich. Beispiel Niederspannungsrichtlinie:
  • Artikel 1: Gegenstand und Geltungsbereich ("Für welche Geräte bzw. Produkte gilt die Richtlinie?")
  • Anhang II: Betriebsmittel und Bereiche, die nicht unter diese Richtlinie fallen ("Welche Produkte sind ausgenommen?")
  • Artikel 6: Pflichten der Hersteller ("Was muss ich tun?")
  • Artikel 8, 9: Pflichten der Einführer (Importeure) bzw. Händler
  • Anhang III: Modul A ("Pflichten im Rahmen von Konformitätsbewertungsverfahren, Kennzeichnung und Produktion")
  • Anhang IV: EU-Konformitätserklärung ("Was gehört in die Konformitätserklärung?")
Vor tatsächlicher Anwendung ist selbstverständlich ein tiefergehendes Studium der potenziell anwendbaren Richtlinien erforderlich, gegebenenfalls auch weiterer Richtlinien und Gesetze.

Allgemeine Neuerungen

In den neuen Richtlinien wurde die Pflicht zur Durchführung und Dokumentation einer Risikoanalyse und Risikobewertung im Rahmen der Erstellung der technischen Unterlagen aufgenommen (siehe unten). Stark vereinfacht besteht die Risikoanalyse und -bewertung in einer Auflistung aller denkbaren vom Produkt ausgehenden Risiken (in allen Lebensphasen), einer Einschätzung dieser Risiken (Schadensausmaß, Eintrittswahrscheinlichkeit), einer Risikobewertung (hinreichend gering?) sowie Maßnahmen zur Risikominderung. Eine gute Orientierung bietet beispielsweise die Norm DIN EN ISO 12100 zur Risikobeurteilung und -minderung bei Maschinen. Teilweise enthalten jedoch auch zu den verschiedenen Richtlinien veröffentlichte harmonisierte Normen spezifischere Hinweise.
Auch finden sich in mehreren Richtlinien neue Ausnahmen wie zum Beispiel für Erprobungsmodule, die ausschließlich in Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen verwendet werden. Es sollte jedoch beachtet werden, dass derartige Definitionen in der Regel sehr eng (Begriff "ausschließlich") ausgelegt werden.
Neu ist ebenso die explizite Darstellung der Pflichten von Herstellern, Importeuren und Händlern. Beispiel Niederspannungsrichtlinie: Die 1. ProdSV (Umsetzung der Niederspannungsrichtlinie in nationales Recht) definiert auch schon bisher Voraussetzungen für das Bereitstellen elektrischer Betriebsmittel. Jede Abgabe ("Handel") stellt gemäß ProdSG eine Bereitstellung dar. In der Praxis kam es jedoch zu unterschiedlichen Interpretationen hinsichtlich der Pflichten der einzelnen Wirtschaftsakteure. Mit der neuen Niederspannungsrichtlinie (2014/35/EU) sind die Pflichten nun konkret aufgeführt.
Beispiel Händler (Artikel 9):
  • Prüfung, ob das Produkt mit der CE-Kennzeichnung versehen ist.
  • Prüfung, ob Name und Anschrift des Herstellers (und ggf. des Einführers) sowie eine Produktbezeichnung/-Identifikation angegeben sind.
  • Prüfung, ob die Sicherheitsinformationen in verständlicher Sprache (in der Regel Deutsch) beigefügt sind.
  • Bei Vorliegen von Risiken, Kennzeichnungsfehlern, etc. darf das Produkt vor Behebung (durch den Hersteller/Einführer) nicht verkauft werden. Bei Vorliegen eines Risikos außerdem Unterrichtung der Marktüberwachungsbehörden.
  • Gewährleistung geeigneter Lager- und Transportbedingungen.
  • Gegebenenfalls Rückruf, Rücknahme bzw. Nachbesserung nicht richtlinienkonformer Produkte.
  • Auf Verlangen der Marktaufsicht Informationen und Unterlagen zum Nachweis der Konformität zur Verfügung stellen.
  • Artikel 10: Bei Anbringung des eigenen Namens bzw. der eigenen Marke gilt der Händler (oder ggf. Importeur) als Hersteller.
  • Artikel 11: Bis zu 10 Jahre ab Bezug bzw. Abgabe des Produkts muss auch der Händler der Marktüberwachung mitteilen können, von wem dieses bezogen wurde und an wen (sofern es sich um einen "Wirtschaftsakteur" handelt) dieses abgegeben wurde.
Denkbare Elemente eines Prüfkonzepts:
In der Praxis eignet sich für Händler insbesondere die routinemäßige Überprüfung folgender Punkte, beispielsweise im Rahmen der Aufnahme neuer Produkte oder Stichprobenkontrollen der gesamten Produktpalette:
  • Sofern erforderlich: Ist ein CE-Zeichen vorhanden und korrekt dargestellt? (Achten Sie vor allem auf die Abstände zwischen den Buchstaben und deren gedachtes Ineinandergreifen in zwei Kreisen.)
  • Sind Name und Anschrift des Herstellers und ggf. Importeurs angegeben?
  • Sind übliche Warnhinweise (bekannt von ähnlichen Produkten) vorhanden?
  • Idealerweise Dokumentation eines entsprechenden Prüfprozesses bzw. der Ergebnisse.
Zu Irritationen könnte am Beispiel der Niederspannungsrichtlinie Artikel 9 Absatz 5 führen, wonach Händler den Behörden auf begründetes Verlangen Unterlagen zum Nachweis der Konformität zur Verfügung stellen müssen. Inwieweit seitens der Händler eine pauschale Anforderung von Konformitätserklärungen und weiteren Unterlagen zwecks Vorhalten für eine mögliche Kontrolle zielführend ist, ist im Einzelfall zu bewerten und je nach Branche unterschiedlich. Unter anderem könnte bei dieser Überlegung berücksichtigt werden, ob im Falle einer Anforderung auf einen verlässlichen Importeur oder Hersteller in Deutschland zurückgegriffen werden, der die Unterlagen ohnehin bereithält. Auch ist zu beachten, dass beispielsweise entgegen der Bauprodukteverordnung keine explizite Verpflichtung für die Wirtschaftsakteure aufgeführt ist, wonach die Konformitätserklärung entlang der Handelskette weiterzureichen ist.

Hinweise zu einzelnen Richtlinien

Nr. Kurzbezeichnung
ersetzt ab
20.04.16
Risikobewertung
vorgesehen?
2014/28/EU Explosivstoffe 93/15/EG ja
2014/29/EU Druckbehälter 2009/105/EG ja
2014/30/EU EMV 2004/108/EG ja
2014/31/EU Waagen 2009/23/EG ja
2014/32/EU Messgeräte 2004/22/EG ja
2014/33/EU Aufzüge 95/16/EG ja
2014/34/EU ATEX 94/9/EG ja
2014/35/EU Niederspannungs-RL 2006/95/EG ja

Was muss ein Unternehmen jetzt tun?

  • Alle: Sichten Sie frühzeitig diejenigen neuen Richtlinien mit Relevanz für Ihre Produkte.
  • Hersteller: Bereiten Sie eine Anpassung des Konformitätsbewertungsverfahrens vor (z.B. hinsichtlich Risikoanalyse und -bewertung).
  • Hersteller: Bereiten Sie die Anpassung der technischen Unterlagen (z.B. Konformitätserklärungen) vor.
  • Importeure: Prüfen Sie, ob Pflichten zur Anbringung Ihres Namens und Ihrer Anschrift (evtl. auch schon heute) bestehen.
  • Händler: Erarbeiten Sie Prozesse für (Stichproben-)Prüfungen entsprechend Ihrer Kontrollpflichten.
  • Alle: Stellen Sie sicher, dass die Lieferkette langfristig nachvollzogen werden kann.
  • Hersteller: Überprüfen Sie bei dieser Gelegenheit evtl. auch die Aktualität Ihrer derzeitigen Prozesse, Dokumente, etc.

Unterstützung der IHK

Rund um das Thema CE-Kennzeichnung bieten wir persönliche und kostenfreie Erstberatungen.
Hinweis: Dieser Artikel basiert auf einer Vorlage der IHK Bodensee-Oberschwaben.