CE: Die richtigen Normen für mein Produkt
Muss ich Normen unbedingt erfüllen?
Normen sind einheitliche Standards, die zur Festlegung der Gestaltung von Produkten dienen können, wie z.B. die allseits bekannten Papiergrößen DIN A4, DIN A5.
Ein weit verbreitetes Missverständnis ist, dass Normen Gesetzescharakter haben und daher unbedingt erfüllt werden müssen. Diese Annahme ist jedoch schlichtweg falsch: Wie schon mehrfach von den höchsten deutschen Gerichten entschieden, handelt es sich bei Normen lediglich um unverbindliche private Empfehlungen ohne jeden Gesetzescharakter (vgl. etwa BGH Urteil vom 14.05.1998, Az. VII ZR 184/97 oder BVerwG, Beschluss vom 30.9.1996, Az. 4 B 175/96).
In 2 Fällen spielen Normen jedoch auch aus rechtlicher Sicht eine besondere Rolle. Zum einen können Normen, die branchenweit regelmäßig angewendet werden, den Stand der Technik festlegen und somit (bei einem Abweichen vom Stand der Technik) zu Gewährleistungsansprüchen des Kunden führen, zum anderen wird bestimmten, besonders anerkannten Normen (sog. „anerkannt harmonisierte Normen“, siehe hierzu sogleich) eine besondere Rolle bei der Erfüllung von CE-Richtlinien zugesprochen.
Kategorien und Herausgeber von Normen
Im Bereich der Produktsicherheit gibt es die verschiedensten Normen. Eine wichtige Einteilung der Europäischen Sicherheitsnormen ist die Klassifizierung in Typ A-, Typ B- und Typ C-Normen.
Typ A-Normen sind Sicherheitsgrundnormen, sie legen allgemeine Prinzipien fest, die für alle von einer CE-Richtlinie erfassten Produkte gelten. Ein Beispiel für eine Typ A-Norm ist die (DIN) EN ISO 12100, die die Anforderungen an Risikobeurteilungen für alle Arten von Maschinen festlegt.
Typ B-Normen behandeln Sicherheitsaspekte wie die Ausgestaltung von sicherheitsbezogenen Maschinensteuerungen (EN ISO 13849-1/-2) oder Festlegungen für bestimmte Arten von Schutzeinrichtungen wie Schutzzäune, Zweihandschaltungen usw. Diese Normen können auf eine ganze Reihe von Maschinentypen angewendet werden.
Typ C-Normen behandeln dagegen Sicherheitsanforderungen an spezielle Maschinen oder Gruppen von Maschinen wie Werkzeugmaschinen oder Industrieroboter. Falls eine Typ C-Norm in ihren Festlegungen von Typ A- oder Typ-B-Normen abweichen, hat die Typ C-Norm als speziellere Regelung Vorrang.
Außerdem werden Normen nach deren jeweiligem Herausgeber unterschieden und entsprechend benannt: DIN-Normen des Deutschen Instituts für Normung und VDE-Normen des Verbands der Elektrotechnik, europäische EN-Normen des CEN (Comité Européen de Normalisation) oder des CENELEC (Comité Européen de Normalisation Électrotechnique) und internationale ISO- und IEC-Standards.
Harmonisierte Normen
Rechtlich bindend sind nur die Anforderungen aus den jeweiligen CE-Richtlinien und -Verordnungen. Diese sind jedoch in aller Regel sehr unpräzise gefasst, so dass die Hersteller eine Hilfestellung bei der Ausfüllung der „schwammigen“ CE-Anforderungen benötigen. Den Herstellern werden daher seitens der EU bestimmte Normen an die Seite gestellt, die von ihr als besonders zuverlässig angesehen werden. Welche Normen solchermaßen anerkannt sind, wird von der Europäischen Kommission in regelmäßig aktualisierten, im EU-Amtsblatt zu jeder CE-Richtlinie veröffentlichten Listen festgelegt. Solche Normen werden als „harmonisierte Normen“ bezeichnet..
Erfüllt ein Hersteller eine Anforderung aus einer Richtlinie entsprechend den Vorschlägen einer harmonisierten Norm, darf er gesetzlich abgesichert davon ausgehen, dass er die unpräzise Anforderung der Richtlinie auch tatsächlich erfüllt hat. Wenn eine Typ C-Norm beispielsweise in der Liste der harmonisierten Normen zur Maschinenrichtlinie enthalten ist und eine Maschine die Anforderungen der Norm erfüllt, kann der Hersteller davon ausgehen, dass seine Maschine auch die Anforderungen der Maschinenrichtlinie erfüllt. Dies wird als „Vermutungswirkung“ bezeichnet.
Zu beachten ist allerdings, dass die harmonisierten Normen nicht unbedingt sämtliche Anforderungen einer Richtlinie vollständig abdecken. Daher gibt es in diesen Normen Anhänge Z oder ZZ, aus denen hervorgeht, welche Anforderungen der jeweils einschlägigen Richtlinien von der jeweiligen Norm behandelt werden. Die Vermutungswirkung ist in diesen Fällen auf die von der Norm ausdrücklich aufgelisteten Punkte beschränkt. Bei der Verwendung von Normen ist es daher wichtig, nicht nur den Anwendungsbereich der Norm genau zu beachten, sondern auch zu vergleichen, welche Anforderungen der Richtlinie tatsächlich von ihr abgedeckt sind und welche der grundlegenden Anforderungen der Richtlinie womöglich offen bleiben und anderweitig erfüllt werden müssen.
Auf der anderen Seite muss eine Norm nicht vollständig erfüllt werden, um die Harmonisierungswirkung herbeizuführen. Regelmäßig behandeln Normen Gefährdungen, die nicht bei allen von der Norm erfassten Produkten relevant sind. Eine vollständige Erfüllung der Normen macht für viele Produkte daher schlichtweg keinen Sinn und führt zu letztlich unnötig hohen Herstellungskosten.
Hier zeigt sich, dass das Ausarbeiten einer Risikobeurteilung für ein Produkt nicht nur eine formale Anforderung ist. Eine Risikobeurteilung kann ganz konkret hilfreich sein, um zu erkennen, wo Gefährdungen nicht durch einschlägige Normen abgedeckt sind bzw. um festzulegen, welche Teile einer Norm tatsächlich für ein konkretes Produkt relevant sind.
Wie finde ich Normen für mein Produkt?
Wo beginne ich zweckmäßigerweise mit der Normenrecherche? Zunächst ist wichtig, herauszufinden, welche Richtlinien für das jeweilige Produkt gelten. Die Listen der harmonisierten Normen für die jeweiligen Richtlinien ist dann bei EUR-Lex zu finden, der EU-Webseite, auf der (unter anderem) die offiziellen Veröffentlichungen des EU-Rechts, der EU-Rechtsprechung und eben auch die Amtsblätter der EU veröffentlicht werden. Hier stehen die Listen der harmonisierten Normen zum Download in allen Amtssprachen der EU zur Verfügung. Beachten Sie dabei, unbedingt die letzte veröffentlichte Liste zu verwenden.
Ist ein passender Titel gefunden, gilt es den Anwendungsbereich der Norm herauszufinden und mit dem Produkt abzugleichen. Falls die Norm nicht schon elektronisch oder in Papierform vorliegt, ist der Einführungsbeitrag hilfreich, den der Beuth-Verlag (in Deutschland neben dem VDE-Verlag die einzige offizielle Quelle für Normen) zur Verfügung stellt. Hier wird der Anwendungsbereich mehr oder weniger kurz umrissen, so dass sich einschätzen lässt, ob es sich um eine passende Norm handelt ohne gleich unnötig viel Geld für die Norm ausgeben zu müssen.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Safetykon GmbH Freiburg.
Veranstaltungen zum Thema:
Donnerstag, 07.11.2024, 09:00 Uhr – 17:00 Uhr, Präsenz: Grundlagenschulung:
Donnerstag, 28.11.2024, 09:00 Uhr – 17:00 Uhr, Präsenz: Risikobeurteilung nach DIN EN ISO 12100