Neue Vorgaben durch die EU-Verordnung zu entwaldungs-freien Lieferketten

Unternehmen müssen die Einhaltung einer neuen EU-Verordnung „EU/2023/1115 über entwaldungsfreie Lieferketten“ („EUDR“) vorbereiten, die ab 30.12.2024 zu erfüllen sind.
Einen guten Überblick über die Verordnung und Hilfestellungen für betroffene Unternehmen veröffentlicht z. B. die IHK Würzburg-Schweinfurt-Mainfranken hier: Entwaldungs-Verordnung, EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten, EUDR (ihk.de)
Wir bitten jedoch alle Betroffenen, sich primär an ihre IHK vor Ort zu wenden, im Fall der IHK Südlicher Oberrhein an Wilfried Baumann, Tel. 0761 3858-265 (nicht -868), wilfried.baumann@freiburg.ihk.de).
Auf folgende Punkte und offene Fragen sei ergänzend besonders hingewiesen:
  1. Betroffen sind nicht nur der Import in die EU hinein und der Export aus der EU heraus, sondern auch die Produktion und der Vertrieb innerhalb der EU (z. B. eine Papierproduktion, obwohl das dafür verwendete Holz ausschließlich in europäischen Wäldern gewachsen ist)!
  2. Welche Erzeugnisse aus den sieben betroffenen Rohstoffen konkret unter die EUDR fallen, wird im Anhang I der EUDR anhand von Zoll-Nummern (KN-Nummern, Kombinierte Nomenklatur) aufgelistet auf den Seiten 243 bis 246 hier im EU-Amtsblatt L 150 vom 9.06.2023: Verordnung - 2023/1115 - DE - EUR-Lex (europa.eu)
  3. Alle Unternehmen sollten deshalb sorgfältig prüfen, ob ihre Produkte unter eine der KN-Nummern in Anhang I fallen oder stattdessen anderen KN-Nummern zuzuordnen sind. Alle geltenden KN-Nummern findet man hier im EU-Amtsblatt (auf 1100 Seiten) oder beim Statistischen Bundesamt hier in einer Suchmaschine. Dort kann z.B. mit Suchworten ermittelt werden, ob es andere KN-Nummern gibt, die das eigene Produkt besser bzw. genauer beschreiben. Die Auswahl der zutreffenden KN-Nummer liegt in der Verantwortung des Unternehmers.
  4. Mittelfristig könnte der Geltungsbereich der Verordnung auf weitere Ökosysteme (z. B. Grünflächen, Feucht- und Torfgebiete) und/oder weitere Rohstoffe (z. B. Mais) bzw. Erzeugnisse ausgeweitet werden. Denn Artikel 34 der EUDR enthält entsprechende Prüfaufträge für die EU-Kommission für Folgeabschätzungen und ggf. Gesetzgebungsvorschläge, zunächst schon bis 30.06.2024 und dann bis 30.06.2025.
  5. Holz ist einer der sieben betroffenen Rohstoffe und war bisher in der EU-Holzhandelsverordnung (EU) Nr. 995/2010 geregelt. Diese wird durch die EUDR ersetzt, aber letztere betrifft mehr Holzprodukte als die bisherige Regelung. Deshalb gilt folgende Unterscheidung:
    • Falls ein Holzerzeugnis nicht unter die alte Verordnung fäll, gilt ab Ende 2024 die neue Verordnung, falls es dort in Anhang I genannt wird.
    • Falls ein Holzerzeugnis schon unter die alte Verordnung fällt und nach dem 30.06.2023 erzeugt wurde oder dieses Jahr noch erzeugt wird, gilt bis Ende 2024 die alte Verordnung und ab Silvester 2024 die neue.
    • Falls ein Holzerzeugnis schon unter die alte Verordnung fiel und schon vor dem 29.06.2023 erzeugt wurde, gilt aufgrund einer mehrjährigen Übergangsfrist bis Ende 2027 die alte Verordnung und ab Silvester 2027 die neue.
  6. In folgender IHK-Auflistung werden alle Holzerzeugnisse aus Anhang I genannt und dabei die neu betroffenen Holzerzeugnisse fett markiert: Link zur Auflistung
  7. Die in Anhang I beim KN-Code 4415 formulierte Ausnahme für Holzverpackungen gilt nach allgemeiner Lesart nur dann, wenn diese Holzverpackungen mit anderweitigen Erzeugnissen befüllt sind (z. B. Import einer Maschine in einer Holzkiste). Sie gilt dagegen nicht für den Import oder die Herstellung leerer Verpackungen, die dann als Verpackungsmaterial verkauft werden, d. h. in diesen Fällen ist die Verordnung zu beachten.
  8. Die besagte Ausnahme für Holzverpackungen mit Waren darin gilt offenbar nicht für Verpackungen aus Karton oder ähnlichem, da KN-Code 4819 unter die Verordnung fällt und derartige Waren beschreibt und hier keine entsprechende Ausnahme für Verpackungen mit Ware darin formuliert ist.
  9. Die EUDR unterscheidet sprachlich etwas unglücklich zwischen „Marktteilnehmern“ und Händlern (obwohl diese umgangssprachlich sicherlich auch „am Markt teilnehmen“). Entscheidend ist laut den EUDR-Begriffsbestimmungen, dass „Marktteilnehmer“ jeweils die ersten in der EU-Lieferkette sind, d. h. sie bringen betroffene Rohstoffe oder betroffene Erzeugnisse erstmals in der EU in Verkehr (durch Import oder eigene Herstellung). Dagegen sind „Händler“ niemals die ersten in der EU-Lieferkette, sondern die zweiten oder nachfolgenden Unternehmen. Außerdem sind nur die Händler von in der Verordnung genannten Erzeugnissen betroffen, also nicht die Händler von Erzeugnissen mit anderer KN-Nummer und auch nicht Händler der sieben Rohstoffe (letzteres ist evtl. ein redaktionelles Versehen). Rohstoff-Importeure in die EU sind dagegen eindeutig Marktteilnehmer und damit betroffen.
  10. Bei Händlern wird unterschieden, ob sie kleine bzw. mittlere Unternehmen („KMU“) oder „Nicht-KMU“ (also größer) sind, was im Hinblick auf die ihnen zugeordneten Pflichten wichtig ist. Außerdem wird für Kleinst- und kleine Unternehmen (also nicht für mittlere und nicht für größere) eine zusätzliche halbjährige Frist eingeführt, d. h. sie müssen die Pflichten nicht ab 30.12.2024, sondern ab 30.06.2025 einhalten.
  11. Kleine und mittlere Unternehmen werden durch den Verweis auf die Richtlinie 2013/34/EU wie folgt definiert:
    • Kleine Unternehmen unterschreiten min. zwei der folgenden Grenzen: 50 Mitarbeiter, Bilanzsumme 6 Mio. €, Nettoumsatzerlöse 8 Mio. €;
    • Mittlere Unternehmen unterschreiten min. zwei der folgenden Grenzen: 250 Mitarbeiter, Bilanzsumme 20 Mio. €, Nettoumsatzerlöse 40 Mio. €
  12. Eine der Kernforderungen der EUDR an Importeure ist die Einhaltung praktisch aller Rechtsvorschriften im Ursprungsland. Dies kann in der Praxis wohl kaum lückenlos erreicht werden, weshalb es vermutlich auf eine Flut von gegenseitigen „Bestätigungen“ hinausläuft, deren Verlässlichkeit zweifelhaft sein dürfte.
  13. Gemäß Artikel 29 der Verordnung wird ein dreistufiges System zur Bewertung aller Staaten bzw. von deren Landesteilen eingeführt (geringes, normales, hohes Risiko). Die EU-Kommission soll bis spätestens 30.12.2024 eine Liste sowohl der Länder oder Landesteile veröffentlichen, die ein geringes Risiko aufweisen als auch eine Liste der Regionen, die ein hohes Risiko aufweisen. Alle anderen Gebiete gelten dann als Gebiete mit normalem Risiko. Es wird jedoch befürchtet, dass die EU-Kommission diese an sich selbst gesetzte Frist evtl. nicht einhalten wird. Dann greifen die Vereinfachungen aus Artikel 13 („vereinfachte Sorgfaltspflicht“) vorerst nicht, da sie nur für offiziell veröffentlichte Gebiete mit geringem Risiko anwendbar sind.
  14. Eine denkbare Alternative zu diesem dreistufigen System wäre für Holz und Holzerzeugnisse vielleicht gewesen, nur Importe aus Wäldern mit anerkannten Zertifizierungen (z. B. FSC, PEFC) zu gestatten. Dies allein genügt aber leider nicht, um die wesentlichen Vorgaben der Verordnung zu erfüllen, denn gemäß Artikel 10 („Risikobewertung“) sind mögliche vorhandene Zertifizierungen nur eins von vierzehn zu berücksichtigenden Kriterien.
  15. Laut Artikel 33 der EUDR wird die EU-Kommission bis zum 30.12.2024 ein Informationssystem für die Registrierung, die Sorgfaltserklärungen, deren Referenznummern etc. etablieren (also ein neues Internet-Portal). Aktuell besteht dieses System leider noch nicht; vermutlich wird es erst ziemlich knapp vor dem genannten Termin betriebsbereit sein. Wie Unternehmen dann trotzdem schon ab 30.12.2024 alle Vorgaben erfüllen können sollen, bleibt hierbei leider unklar.
  16. Insbesondere alle Importeure benötigen Geodaten ggf. in einer solchen Vielzahl, die nicht realisierbar erscheint, insbesondere im Hinblick auf die Datenverfügbarkeit. Die o.g. Homepage enthält dazu unter „Hilfe für Unternehmen“ einige Links. Aber es scheint keine Datenbank zu geben, in die man z. B. GPS-Ortsangaben eingibt und dann gezielt die notwendigen „Entwaldungs-Informationen“ erhält.
Insgesamt erscheint die Verordnung zwar gut gemeint im Hinblick auf den Schutz des Regenwalds, aber sehr schlecht gemacht und teilweise weder praktikabel noch zumutbar. Insofern ist auf Kulanz nicht nur von Seiten der Behörden, sondern auch innerhalb der Lieferketten zu hoffen, damit sich Unternehmen nicht gegenseitig überfordern.