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Das neue Chinesische Gesellschaftsrecht

Mit dem neuen Gesellschaftsgesetz 2024 müssen Unternehmen in China ihre Strukturen und Prozesse anpassen. In diesem Artikel werden wesentliche Änderungen erläutert, die für bestehende Unternehmen und ausländische Investoren relevant sind und bis wann diese umgesetzt werden müssen.

Einleitung / Fristsetzung

Am 1. Juli 2024 trat das neue chinesische Gesellschaftsgesetz (New Chinese Company Law) in Kraft, welches die bedeutendste Reform seit 2005 darstellt.
Rund ein Viertel des bisherigen Gesetzestextes wurden überarbeitet.
Die Änderungen betreffen sowohl inländische chinesische Unternehmen als auch ausländische Investoren. Besonders für Unternehmen mit Niederlassungen in China ist es entscheidend, die neuen Vorschriften zu verstehen und sich entsprechend anzupassen.
Bereits vor dem 1. Juli 2024 gegründete Auslandsinvestitionsgesellschaften haben bis zum 31. Dezember 2024 Zeit, ihre Organisationsstrukturen an die neuen Bestimmungen anzupassen. Das Oberste Volksgericht Chinas hat entschieden, dass für Streitfälle, die vor dem 1. Juli 2024 entstanden sind, die frühere Gesetzesfassung gilt.

I. Kapitaleinlage – Änderungen

Bisher führte die flexible Gestaltung der Kapitaleinzahlung zu langen Zahlungsfristen. Das neue Gesetz verkürzt diese Fristen deutlich:
  • Kürzere Frist zur Kapitaleinlage:
    Nach Art. 47 müssen neu gegründete Gesellschaften innerhalb von höchstens fünf Jahren das gesamte Stammkapital aufbringen. Dies betrifft auch bestehende Gesellschaften, die nun ihre längeren Einzahlungsfristen schrittweise anpassen müssen.
  • Ausschluss von Gesellschaftern:
    Gesellschafter, die ihrer Einlageverpflichtung trotz schriftlicher Aufforderung nicht nachkommen, können durch das Board of Directors zwangsweise ausgeschlossen werden (Art. 52). Ein Beschluss der Gesellschafterversammlung ist hierfür nicht erforderlich.
  • Beschleunigte Kapitalzufuhr bei unzureichender Liquidität:
    Art. 54 ermöglicht es Gläubigern und der Gesellschaft selbst, von Gesellschaftern einer zahlungsunfähigen Gesellschaft eine vorzeitige Kapitaleinlage zu verlangen, wenn das Unternehmen seine Verbindlichkeiten nicht begleichen kann.

II. Corporate Governance – Änderungen

Das neue Gesetz bietet größere Flexibilität bei der Unternehmensführung und ermöglicht vielfältigere Gestaltungsmöglichkeiten:
  • Neugestaltung des „Legal Representative“:
    Der gesetzliche Vertreter kann nun aus einem erweiterten Personenkreis gewählt werden, der den Vorsitzenden des Vorstands, Executive Directors, den Geschäftsführer oder weitere Mitglieder des Vorstands umfasst (Art. 10). Die Satzung muss das Verfahren zur Auswahl, Benennung sowie zur Abberufung oder zum Wechsel des gesetzlichen Vertreters festlegen (Art. 46).
  • Neue Abstimmungsverfahren:
    Nach Art. 66 Abs. 2 ist für alle Beschlüsse, welche nicht unter „besondere Beschlüsse“ fallen, nunmehr eine einfache Mehrheit erforderlich.
    Bei „besonderen Beschlüssen“ gem. Art. 66 Abs. 3 bleibt es bei einer 2/3-Mehrheit der Stimmen. Vergleichbare Regelungen gibt es nun auch in Bezug auf die Beschlussmehrheiten des Board of Directors (Art. 73).
  • Ausgestaltung der Aufsichtsorgane:
    Als Aufsichtsorgane sind gem. Art. 83 ein Aufsichtsgremium oder eine einzelne Aufsichtsperson als Organ zugelassen. Alternativ kann auch ein „Prüfungsausschuss“ innerhalb des Board of Directors eingerichtet werden (Art. 69).
  • Stärkung der Mitbestimmung der Arbeitnehmenden:
    Unternehmen mit 300 oder mehr Beschäftigten sind verpflichtet, mindestens einen Arbeitnehmervertretenden im Board of Directors zu haben, es sei denn, das Unternehmen hat einen Aufsichtsrat mit einem Arbeitnehmervertretenden. (Art. 68).
  • Erweiterung der Informationsrechte für Gesellschafter:
    Zuvor hatten Gesellschafter nur das Recht, Einsicht in die Satzung, Finanzberichte, Beschlüsse und Gesellschaftsbücher zu nehmen.
    Art. 57 ermöglicht ihm nun auch die Einsichtnahme in das Gesellschaftsregister sowie in alle weiteren geschäftsbezogenen Unterlagen (zum Beispiel Buchungsbelege). Außerdem ist die Beauftragung externer Berater (zum Beispiel Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Rechtsanwaltskanzleien) zulässig, ohne dass der Gesellschafter bei der Einsichtnahme physisch anwesend sein muss.

III. Haftung von Gesellschaftern – Änderungen

Das novellierte Gesetz sieht eine ausdrückliche Haftung für unrechtmäßige Rückzahlungen oder Veruntreuungen von Stammeinlagen vor:
  • Definition von Treuepflichten:
    Art. 180 führt eine detailliertere Definition der Treuepflichten von Mitgliedern des Board of Directors, Aufsichtspersonen und leitenden Angestellten ein, die zuvor nur in allgemeiner Form umrissen waren.
  • Gesamtschuldnerische Haftung der Gründungsgesellschafter: Gesellschafter einer neu gegründeten Gesellschaft haften gesamtschuldnerisch, wenn ein Mitgesellschafter seine Stammeinlage nicht vollständig einbringt (Art. 50).

IV. Anteilsübertragung – Änderungen

Der Prozess der Übertragung von Geschäftsanteilen wurde vereinfacht:
  • Abschaffung der Zustimmungserfordernisse:
    Statt der bisherigen Zustimmungserfordernisse gibt es nun ein Vorkaufsrecht, das innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt einer schriftlichen Mitteilung über den beabsichtigten Verkauf durch einen Mitgesellschafter ausgeübt werden muss (Art. 84).
  • Aufwertung des Gesellschaftsregisters:
    Die Rechte eines neuen Gesellschafters beginnen mit der Eintragung ins Gesellschaftsregister (Art. 86).
  • Nachhaftung bei Anteilsveräußerung:
    Nach Art. 88 kommt es zu einer nachträglichen Mithaftung des veräußerten Anteilseigners, sofern der Erwerber seiner Kapitaleinlageverpflichtung nicht nachkommt.
Stand: 3. September 2024