04.07.2023, Nummer: 24

Der unterschätzte Wirtschaftspartner – Frankreich gebührt mehr Aufmerksamkeit

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) hat die Ankündigung des Besuch des französischen Staatspräsidenten Emanuel Macron in der Landeshauptstadt zum Anlass genommen, um heute in Dresden über die sächsisch-französischen Wirtschaftsbeziehungen zu informieren.
Laut IHK-Präsident Dr. Andreas Sperl reichen die wirtschaftlichen Verbindungen des Freistaates zu Frankreich weit zurück. So baute bereits Kurfürst August der Starke vor 350 Jahren nach dem Vorbild Frankreichs in Sachsen ein merkantilistisches Wirtschaftssystem auf. Und auch die Wurzeln des Kammerwesens gehen Ende des 16. Jahrhunderts auf Frankreich zurück.
Sprechen wir heute über internationale Wirtschaftsbeziehungen, haben wir China, die USA, unsere unmittelbaren Nachbarn Polen und Tschechien, Großbritannien wegen des Brexits und Russland spätestens seit den Sanktionen, deutlich öfter im Fokus als Frankreich. Zu Unrecht, wie ich finde
, betont Präsident Sperl.

Die Handelsbilanz

Für den Freistaat ist Frankreich ein überaus wichtiger Außenhandelspartner. 2022 wurden Waren im Wert von 2,5 Mrd. Euro aus Sachsen nach Frankreich exportiert, ein Rekordwert seit der Wiedervereinigung und 16 % mehr als Vorjahr. Im gleichen Zeitraum kauften sächsische Firmen in Frankreich Waren im Wert von rund 1,1 Mrd. Euro ein. Das entsprach einem Plus von etwa 5 % zum Warenwert des Jahres 2021. Mit diesen Ergebnissen belegt Frankreich im Ranking der sächsischen Exportpartner Rang sechs, unter den sächsischen Importländern kommt es auf Platz zehn. Von den Mitgliedsunternehmen der IHK Dresden exportieren derzeit 252 Waren nach Frankreich, 98 beziehen Produkte von dort und 68 Unternehmen unterhalten sowohl Export- als auch Importbeziehungen. Eigene Niederlassungen in Frankreich besitzen 24 Betriebe.

Die gefragten Warengruppen

IHK-Hauptgeschäftsführer Lukas Rohleder nimmt im Weiteren die einzelnen Warengruppen, die das grenzüberschreitende Geschäft bestimmen, unter die Lupe. "Wir sehen ganz deutlich, dass in Sachsen produzierte Pkw und Wohnmobile sowie Fahrgestelle, Karosserien, Teile und Motoren in Frankreich besonders begehrt sind. Fast 40 % unserer Exporte entfallen auf diese Produkte. Aufmerksamkeit gebührt aber auch dem Maschinenbau und den Geräten zur Elektrizitätserzeugung, die beide in den letzten Jahren kräftig zulegen konnten. Hinter Letzteren verbergen sich unter anderem Turbinen, Wechselrichtung und zugehörige Produkte, die Beleg dafür sind, dass Frankreich den Ausbau des Energiesektors, einschließlich der Windenergie forciert", so Rohleder. Einen vergleichbaren Blick auf die Importe aus Frankreich fördert ebenfalls einen Überflieger zu Tage: Fahrgestelle, Karosserien, Motoren und PKW-Teile, also Zulieferungen für die Automobilfertigung. Die chemische Industrie und die Metallindustrie folgen auf starken zweiten und dritten Plätzen.

Niederlassungen und Investitionen

Bei der Präsenz von Unternehmen im jeweils anderen Land hat Frankreich die Nase vorn. Rund 5.700 französische Unternehmen haben mittlerweile den Weg nach Deutschland gefunden und sind mit über 400.000 Arbeitsplätzen aktuell unter den Top 5 der ausländischen Arbeitgeber in Deutschland. Auf Sachsen entfallen davon 100 Unternehmen mit zusammen rund 8.500 Beschäftigten. Umgekehrt gibt es 4.600 deutsche Niederlassungen mit 320.000 Beschäftigten in Frankreich. Trotz der niedrigeren Zahl der Firmen und Arbeitsplätzen ist Deutschland beim Wert der geschaffenen Investitionen nach den USA der zweitgrößte ausländische Investor in Frankreich. Die deutschen Investitionen konzentrieren sich dabei auf die Branchen Automobilbau, Maschinenbau, Elektronik, Umwelttechnik sowie den Handel. In Summe beträgt der deutsche Direktinvestitionsbestand rund 50 Mrd. Euro. Sachsen reit sich mit einem vergleichsweise überschaubaren Anteil von 152 Mio. Euro ein. Der französische Direktinvestitionsbestand in Deutschland fällt im Vergleich geringer aus und beläuft sich auf knapp 32 Mrd. Euro, wovon rund ein halbe Milliarde im Freistaat Sachsen investiert ist. Die französischen Investitionen erfolgen längst nicht mehr nur in den Bereichen Konsumgüter, Nahrungsmittel oder Textilien. Französische Unternehmen konzentrieren sich tendenziell stärker auf immaterielle, langfristige strategische Investitionen, wie den Aufbau von Forschung und Entwicklung, den Erwerb von Software und Datenbanken oder das Gesundheitswesen. Mit einem Anteil von knapp einem Viertel an den französischen Investitionen liegt mittlerweile der Bereich Digitalwirtschaft vorn.

Fazit

Laut Hauptgeschäftsführer Rohleder "fliegt Frankreich in der Wahrnehmung als Wirtschaftspartner zu Unrecht unter dem Radar. Ganz im Gegenteil sollten wir diesen nahen Nachbarn deutlich genauer unter die Lupe nehmen, denn Potenziale sind augenscheinlich vorhanden. Auch aus der Politik ist der Wille zur Nutzung der gegenseitigen Stärken zu spüren", so Rohleder, "insbesondere, wenn es darum geht, Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung länderübergreifend anzugehen." So wurden beispielsweise jüngst gemeinsame Investitionen in den Aufbau einer deutsch-französischen Batteriezellfertigung für Kraftfahrzeuge beschlossen. Bis 2024 soll je eine Fabrik in Frankreich und Deutschland entstehen. "Aber auch in Sachsen traditionell starke Sektoren wie Maschinenbau, Elektroindustrie, Automobilindustrie oder die chemisch-pharmazeutische Industrie können mit der Entwicklung digitaler Industrieprozesse und smarten Lösungen im Bereich Informationstechnologie aus Frankreich einen neuen Aufschwung erleben, wenn wir unseren Blick weiten und es klug anstellen", ist sich Rohleder sicher.

Besuch von Staatspräsident Macron in Dresden

Leider musste der für den 4. Juli angekündigte Besuch von Emanuel Macron in Dresden kurzfristig abgesagt werden. Die geplante Veranstaltung vor der Frauenkirche wird dennoch stattfinden, wobei der Bundespräsident die europapolitische Rede des französischen Staatspräsidenten übernehmen und sich stellvertretend an tausende Jugendliche wenden wird. Die IHK Dresden ist mit Partnern ebenfalls vor Ort. Konkret wird die Kammer von den Wirtschaftsjunioren (WJ) Sachsen als Vertreter der jungen Wirtschaft sowie lokale und regionale Unternehmen aus der Gastronomie mit Frankreichbezug unterstützt. Die IHK selbst möchte den Kontakt zu den Jugendlichen nutzen, um mit ihrem Team der Berufsorientierung auf attraktive Ausbildungsmöglichkeiten nach der Schule, Praktika u. v. m. hinzuweisen.