24.11.2022, Nummer: 32

Konjunkturreport Lausitz: Erwartungen massiv eingetrübt

Die Lausitzer Wirtschaft blickt auf ein wechselvolles Jahr zurück. Nach einem Rückschlag zu Jahresbeginn, hauptsächlich aufgrund von Corona-Restriktionen, sowie einer Erholung im Frühjahr verschlechtern sich die Einschätzungen zum Herbst wieder. In der gemeinsamen Herbstumfrage zur Konjunktur der IHKs Cottbus und Dresden berichten noch 78 % der Unternehmen von einer guten oder zumindest zufriedenstellenden Geschäftslage (Herbst 2021: 87 %). Allerdings nimmt die finanzielle Anspannung in Betrieben zu. Mehr als die Hälfte (55 %) berichtet von einer problematischen Finanzlage (Herbst 2021: 38 %). Nach Pandemie und erheblichen Kostensteigerungen bei Energie, Rohstoffen und Löhnen gehen die Reserven zunehmend aus.
Die Geschäftserwartungen für die kommenden Monate stürzen regelrecht ab, nachdem sie schon im Frühjahr deutlich nachgegeben hatten. Noch nie waren die Aussichten der Lausitzer Wirtschaft so schlecht und die Zukunftssorgen so groß. Gerade einmal 4 % der Befragten sehen erwarten eine Verbesserung ihrer Geschäfte ausgehen, 67 % rechnen mit einer Verschlechterung (Herbst 2021: 28 %).
Das Risikoradar wird erwartungsgemäß von den Energie- und Rohstoffpreisen angeführt, gefolgt vom Fachkräftemangel. Arbeitskosten haben mit der Erhöhung des Mindestlohnes und den inflationsbedingt zu erwartenden höheren Lohnforderungen an Brisanz gewonnen. Als weiterer Hemmschuh werden die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und ein erwarteter Rückgang der Inlandsnachfrage wahrgenommen.
Lukas Rohleder, Hauptgeschäftsführer IHK Dresden:
Für viele Unternehmen ging es 2022 von einer Krise in die nächste. Die Folgen des Ukrainekriegs haben die durch die Pandemie entstandenen Probleme noch verschärft. Alle Branchen leiden unter enormen Kostensteigerungen, insbesondere bei Energie und Rohstoffen, aber auch unter Lieferproblemen und sinkender Nachfrage. Deshalb überrascht es nicht, dass mit zunehmendem Pessimismus in die Zukunft geblickt wird, und die kommenden Monate zu einer echten Belastungsprobe werden dürften. Geplante Großprojekte in der Lausitz, wie das Deutsche Zentrum für Astrophysik (DZA), und die nun freigegebenen europäischen Gelder aus dem Just Transition Fund (JTF) für direkte Unternehmensförderung in der Strukturwandelregion sind wichtige Lichtblicke. Wollen wir als Region gestärkt und mit Zuversicht aus diesen schwierigen Zeiten hervorgehen, bedarf es einer intensiven und produktiven Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Dr. Wolfgang Krüger, Hauptgeschäftsführer IHK Cottbus:
Neun von zehn Lausitzer Unternehmen sehen ihre Geschäftstätigkeit durch die Energiepreise stark gefährdet. Die kurzfristigen politischen Maßnahmen zur Entlastung der Unternehmen und Dämpfung der Energiepreise sind dringend nötig, werden aber vermutlich nicht ausreichen. Wie schnell und gut die regionale Wirtschaft die Krise bewältigt, wird sich in den nächsten Wochen zeigen, wenn die Gas- und Strompreisbremsen ihre Wirkung entfalten. Insgesamt bedarf es einer überzeugenden Mittelfriststrategie, um Planungssicherheit für die nächsten zwei bis drei Jahre zu schaffen. Andernfalls bleibt das unternehmerische Risiko für die Betriebe unkalkulierbar.
Mit einer Kostenweitergabe an Kunden bzw. Abnehmer reagiert bereits die Hälfte der befragten Unternehmen auf aktuelle und kommende Energiepreissteigerungen. In Anbetracht der angespannten Energiepreise setzen 16 % der Betriebe Energieeffizienzmaßnahmen um, obwohl die Investitionsbereitschaft deutlich verhaltener ist. 15 % der Unternehmen reduzieren ihre Produktion bzw. Angebote. 7 % erwägen auch eine Einstellung der Produktion bzw. eine Schließung des Betriebes. Bei vielen Unternehmen laufen die Verträge für Gas und Strom noch in diesem Jahr aus. Das bereitet große Sorgen, denn damit stehen die größten Energiepreissteigerungen erst noch bevor.

Auswertung nach Branchen

Die Lausitzer Industrie hat der der Coronapandemie erfolgreich getrotzt und war bis zum Frühjahr in ihren Lageeinschätzungen bis über Vorkrisenniveau gestiegen. Nach Ausbruch des Ukrainekrieges gab es einen ersten Dämpfer und auch aktuell werden die Aussagen zur Lage herunterkorrigiert. Steigerungen der Umsätze stehen Kostensteigerungen gegenüber, sodass unterm Strich die Erträge sinken. In der Folge gehen die Geschäftserwartungen weiter zurück. Fast zwei Drittel (63 %) prognostizieren eine Verschlechterung und nur noch 7 % eine Verbesserung. Auch die Beschäftigungsabsichten sind per saldo negativ.
Das Baugewerbe ist der Wirtschaftsbereich mit den wenigsten schlechten Geschäftslagebewertungen (13 %), dennoch ist ein stetiger Rückgang der Stimmung unübersehbar. Ein Viertel der Befragten konstatiert noch gute Geschäfte. Der sich ergebende Saldo ist mit 12 Punkten der schlechteste seit Beginn der Erstellung der Konjunkturreporte für die Lausitz im Jahr 2011. Anhaltender Fachkräftemangel, Materialengpässe und eine sinkende Nachfrage im privaten, öffentlichen und unternehmerischen Bereich dürften die Ursachen sein. Auch im Bau sind die Prognosen düster. Lediglich 2 % rechnen mit einer baldigen Verbesserung der Situation. Tiefrot mit - 40 Punkten ist auch der Saldo der Personalpläne.
Im Handel hat sich die Geschäftslage weiter verschlechtert. Damit ist dieser Wirtschaftsbereich der einzige, wo bereits jetzt mehr schlechte (31 %) als gute (20 %) Lagebeurteilungen angezeigt werden. Die Großhändler bekommen die Zurückhaltung der gewerblichen Wirtschaft und der Einzelhandel die nachlassende Kaufbereitschaft der Verbraucher zu spüren. Auch für die weitere Entwicklung sind die Händler am pessimistischsten. Die Umsatzerwartungen sind sogar schlechter als während der Coronakrise. Mehr als zwei Drittel (77 %) erwarten Rückgänge - und das trotz steigender Verkaufspreise.
Die Dienstleister sind der einzige Wirtschaftsbereich, welcher derzeit eine leichte Verbesserung der Geschäftslage meldet. Die Zukunftsaussichten der Unternehmen sind aber auch hier düster. Fast zwei Drittel der Befragten (62 %) blicken skeptisch nach vorn, nur 5 % optimistisch. Mehr als die Hälfte der Firmen erwartet Umsatzrückgänge, nur gut jeder Zehnte steigende Umsätze. Auch die Investitionsplanungen werden seit Jahresbeginn 2021 erstmals wieder nach unten korrigiert. Die Beschäftigtenzahlen werden voraussichtlich in den kommenden Monaten sinken.
Erstmals wurde 2022 das Gastgewerbe in die Konjunkturauswertung einbezogen. Dazu zählen Gastronomie und Beherbergung. Im Ergebnis blickt die Branche relativ zufrieden auf die zurückliegende Sommersaison. Im Vergleich zu den anderen Wirtschaftsbereichen überwiegen die positiven Einschätzungen (31 %). Das Vorkrisenniveau ist aber noch lang nicht erreicht (Herbst 2019: 57 %). Zu kurz waren die Erholungsphasen zwischen den Coronaeinschnitten jeweils zu Jahresbeginn/Frühjahr. Die Erwartungen gehen nicht nur aus saisonalen Gründen in den Keller. Erwartet wird zudem eine Zurückhaltung im Buchungsverhalten. Inflation und zunehmende Prioritätensetzung der Verbraucher auf notwendige Ausgaben schaden dem Tourismus. Aber auch die Unternehmen selbst ächzen unter steigenden Kosten. Neben Lebensmittelpreisen rücken auch hier die Energiepreise immer stärker in den Fokus. Aufgrund der angespannten Beschäftigungssituation kommt auch den Arbeitskosten hohe Bedeutung zu.

Hintergrund

Der Wirtschaftsraum Lausitz verbindet beide Kammerbezirke über die Grenzen Brandenburgs und Sachsens hinweg. An der Umfrage beteiligen sich regelmäßig Unternehmen aus den Branchen Industrie, Bau, Handel, Dienstleistungen und Verkehr aus den Landkreisen Görlitz, Bautzen, Oberspreewald-Lausitz, Elbe-Elster, Spree-Neiße und der Stadt Cottbus.