Einstieg für KMU

Der richtige Umgang mit den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung

Unternehmensaktivitäten an den SDGs auszurichten, bedeutet nicht, zu allen 17 Nachhaltigkeitszielen einen Beitrag leisten zu müssen. Das ist für die meisten Unternehmen auch nicht möglich, weil viele Ziele nicht in ihrem Einflussbereich liegen oder sie nicht über die geeigneten Mittel verfügen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie die Ziele identifizieren, auf die Ihr Betrieb einen möglichst hohen Einfluss nehmen kann.
Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (engl.: Sustainable Development Goals, kurz: SDGs) wurden von Staaten für Staaten als nicht verpflichtende Orientierung entwickelt. Doch allein kann die Politik nicht zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Dies gelingt nur mit gesamtgesellschaftlicher Anstrengung und einem messbaren Beitrag von Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Warum es sich lohnt, einen Blick auf die Unterziele zu werfen

Immer häufiger orientieren sich Unternehmen an den SDGs, um ihre Geschäftsaktivitäten nachhaltiger aufzustellen. Wer einen echten Beitrag zur Erreichung der 17 Ziele leisten und „Green-“ oder „Rainbow-Washing“ (siehe Infokasten) vermeiden will, sollte sich nicht nur die Hauptziele, sondern auch die 169 Unterziele genau ansehen und sich mit ihnen vertraut machen.
Es ist nicht das Ziel, auf möglichst viele SDGs einzuzahlen. Zum einen liegen viele Ziele nicht im Einflussbereich von Unternehmen. Zum anderen haben insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nur begrenzte finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung und sollten diese möglichst zielgerichtet einsetzen. Besser ist es daher, sich langsam an die SDGs heranzutasten, sich anfangs auf wenige Ziele zu konzentrieren und genau die Nachhaltigkeitsaspekte auszumachen, auf die das eigene Unternehmen einen möglichst hohen Einfluss nehmen und somit einen messbaren Beitrag leisten kann.
Einen Unterschied machen Unternehmen übrigens nicht nur, wenn sie positiven Einfluss auf ökonomische, soziale oder ökologische Nachhaltigkeitsaspekte nehmen, sondern auch, wenn sie negative Einflüsse deutlich verringern oder ganz beseitigen.
Green Washing“ und „Rainbow Washing“

„Green Washing“ ist eine kritische Bezeichnung dafür, wenn Unternehmen oder Organisationen über Marketing- oder PR-Maßnahmen versuchen, Produkten oder Dienstleistungen ein „grünes“ Image zu verleihen, ohne sich besonders für Nachhaltigkeit zu engagieren.

„Rainbow Washing“ bezeichnet den Versuch eines Unternehmens oder einer Organisation, im Rahmen eines „SDG-Mappings“ eine Verknüpfung zwischen bestehenden Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu möglichst vielen oder gar allen 17 Zielen herzustellen, um das eigene Image zu verbessern, obwohl besagte Maßnahmen nicht oder mit keinem nennenswerten Beitrag auf die jeweiligen SDGs einzahlen. So kann man beispielsweise sicher argumentieren, dass Maßnahmen zur Prozessoptimierung, die den Ressourcenverbrauch verringern, auf das Ziel 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“ einzahlen. Ein nachhaltiges, regionales Catering ist hingegen zwar eine wertvolle Maßnahme für mehr Nachhaltigkeit, trägt allerdings in Deutschland eher weniger zur Umsetzung des Ziels 2 „Kein Hunger“ bei.

Wie Sie SDGs für Ihr Unternehmen priorisieren

Wenn Sie sich die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung ansehen, um zu bewerten, auf welche der Aspekte Ihr Unternehmen besonders hohen Einfluss nehmen kann, können Sie sich als simpelste Hilfestellung folgende drei Fragen stellen:
  1. Lässt sich ein direkter Bezug zwischen einem Nachhaltigkeitsziel und Ihrem Geschäftsmodell herstellen?
  2. Ist das jeweilige Nachhaltigkeitsziel sinnvoll in unseren Breitengraden bzw. betrifft es Ihre Wertschöpfungs-/Lieferketten?
  3. Liegt das jeweilige Nachhaltigkeitsziel im Einflussbereich Ihres Unternehmens?
Denn lässt sich ein Bezug zum Geschäftsmodell herstellen, ergeben sich in der Regel auch Möglichkeiten, negative Auswirkungen von Geschäftstätigkeiten zu verringern und positive zu erhöhen. Auch sollten die priorisierten Nachhaltigkeitsziele für unsere Breitengrade sinnvoll sein oder aber die Wertschöpfungs- und Lieferketten des Unternehmens betreffen. Liegen Ziele nicht im Einflussbereich des Betriebes, ergibt es auch keinen Sinn, diese weiterzuverfolgen.
So liegt beispielsweise das Ziel 15 „Leben auf dem Land“, das Landökosysteme schützen, wiederherstellen und nachhaltig nutzen will, nicht im Einflussbereich eines in Deutschland tätigen Personaldienstleisters mit zehn Mitarbeitenden und hat auch keinen Bezug zu dessen Geschäftsmodell. Wohl aber beispielsweise das Ziel 5 „Geschlechtergleichheit“. Dieses ist für unsere Breitengrade relevant, denn die Gleichstellung von Mann und Frau ist zwar im Gesetz verankert, doch bei der tatsächlichen Umsetzung gibt es noch viel zu tun. Auch sind Maßnahmen wie Lohngerechtigkeit oder Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben relativ einfach umzusetzen.
Um festzulegen, welche SGDs ein Unternehmen priorisiert verfolgen sollte, ist es ratsam, eine Einschätzung der positiven und negativen aktuellen sowie potenziellen Auswirkungen entlang der eigenen Wertschöpfungskette vorzunehmen. Wie sie Ihre Wertschöpfungskette skizzieren, zeigt Ihnen beispielsweise der SDG Compass – ein Leitfaden für Unternehmensaktivitäten zu den SDG.
Die sogenannte Wesentlichkeitsanalyse ist das Mittel der Wahl, um die wesentlichen Themen der Nachhaltigkeit für Ihr Unternehmen herauszukristallisieren. Wie Sie eine solche Analyse durchführen, lesen Sie im Leitfaden „Verantwortung lohnt sich: Einführung in den Aufbau einer Corporate-Responsibility-Strategie für KMU“.
Haben Sie die für Ihr Unternehmen wesentlichen Themen der Nachhaltigkeit festgelegt, leiten Sie daraus fokussierte Ziele und Maßnahmen ab sowie Indikatoren, die Ihnen helfen, den Erfolg der Maßnahmen zu evaluieren.

Kategorisierung als Unterstützung für KMU

Sie wissen nicht genau, wie Sie die SDGs für sich priorisieren sollen? Die Ziele 5 „Geschlechtergleichstellung“, 8 „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“, 10 „Weniger Ungleichheit“, 12 „Nachhaltige-/r Konsum und Produktionsmuster“ sowie 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“ bilden einen guten Einstieg für KMU, denn sie sind für unsere Breitengrade relevant und lassen einen Bezug zu vielen Geschäftsmodellen zu.
Ausklammern können Sie anfangs die Ziele 1 „Keine Armut“, 16 „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen“ sowie 17 „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“. Diese SDGs sind für Unternehmen so gut wie nicht relevant, sondern ganz klar auf Staaten ausgelegt – wobei man darüber streiten kann, ob das Ziel 17 nicht von allen zumindest als Oberziel verfolgt werden sollte, weil es starken Symbolcharakter hat, auch wenn KMU zu den Unterzielen des Ziel 17 eher keinen sinnvollen Beitrag leisten können.
Auf alle weiteren Ziele lohnt sich ein detaillierterer Blick mit der Branchenbrille. Wir haben versucht, die Branchenrelevanz für Sie in der nachfolgenden Liste greifbarer zu machen. Diese Einteilung erhebt ausdrücklich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, dafür ist die Betrachtung der eher branchenrelevanten SDGs zu komplex. Die Einteilung ist als erste Hilfestellung zu verstehen und konzentriert sich in erster Linie auf Verbindungen zum Kerngeschäft, nicht zwingend auch auf gesellschaftliches Engagement für Sozial- und Umweltprojekte, die natürlich zusätzlich unterstützt werden können.

Ziele, die eher branchenübergreifend und damit für viele KMU relevant sind:

Zwar ist die rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland erreicht, an der tatsächlichen Umsetzung muss jedoch auch hierzulande weiter gearbeitet werden. Dazu kann jedes Unternehmen einen Beitrag leisten, indem es beispielsweise für Lohngerechtigkeit sowie Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sorgt oder Frauen in Führungspositionen fördert.
Wirtschaftliche Produktivität durch Diversifizierung, technologische Modernisierung und Innovation erhöhen, Ressourceneffizienz verbessern, Wirtschaftswachstum und Wohlstand von Umweltschäden entkoppeln, Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle – auch im Ausland und entlang der gesamten Wertschöpfungs- und Lieferkette – sicherstellen oder gleiches Entgelt für gleiche Arbeit sind Punkte, auf die viele Unternehmen unabhängig von der Branche einzahlen können.
Jedes Unternehmen kann einen Beitrag zu weniger Ungleichheit leisten, indem es Diversität, Inklusion und Integration fördert sowie Lohngleichheit und faire Geschäftsbeziehungen in der globalen Lieferkette sicherstellt.
Hersteller, Importeure und Händler können besonders hohen Einfluss auf dieses Nachhaltigkeitsziel nehmen. Die Kreislaufwirtschaft findet sich in diesem Ziel ebenfalls wieder. Auch Verpackungs- und Produktinnovationen sowie moderne, umweltfreundliche Technologien, Prozessoptimierung und Automatisierung sind hier gefragt. Dienstleistungsunternehmen beispielsweise im Bereich CSR-/Nachhaltigkeitsmanagement leisten ebenfalls einen wichtigen Beitrag, um das Ziel 12 zu erreichen.
Der Klimawandel ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit, das Ziel 13 hat daher auch für die Wirtschaft besonders hohe Relevanz. Zwar haben insbesondere das produzierende Gewerbe oder die Energiewirtschaft hohen Einfluss auf den Klimaschutz – einen Beitrag zur CO2-Reduktion kann jedoch jedes Unternehmen leisten. Zu diesem Ziel zählen übrigens auch Maßnahmen zum Katastrophenschutz und zur Anpassung und Minderung von Auswirkungen des Klimawandels.

Ziele, die eher branchenbezogen relevant sind und im Detail betrachtet werden müssen:

Auf dieses Ziel lohnt sich ein Blick insbesondere für landwirtschaftliche Betriebe, Lebensmittelhandel, Logistik, technologieorientierte Unternehmen für den Bereich Agrarwirtschaft, Landmaschinen- und Traktorenhersteller, Finanzdienstleister, Saatguthersteller und weitere Branchen.
Chemie- und Pharmabranchen können hierzu ebenso einen Beitrag leisten wie weitere Unternehmen des produzierenden Gewerbes. Auch Medizintechnik, Pflegedienstleister und weitere Unternehmen der Gesundheitsversorgung sowie Firmen aus der Verkehrsbranche oder technologieorientierte Unternehmen im Bereich der sauberen und sicheren Mobilität, der Wasseraufbereitung oder anderen intelligenten Lösungen für Schutz von Verunreinigung von Luft, Wasser und Boden finden sich hier wieder.
Dieses Ziel richtet sich ans Bildungswesen, darunter auch Weiterbildungsdienstleister, die lebenslanges Lernen fördern oder Einrichtungen, die sich für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung einsetzen. Einen Beitrag können auch Betriebe leisten, die jungen Menschen einen Ausbildungsplatz zur Verfügung stellen, Möglichkeiten zur beruflichen Orientierung bieten oder frühe MINT-Bildung unterstützen.
Intelligente Wasserwirtschaft, technologieorientierte Unternehmen, die die Wartung und Reparatur von Anlagen erleichtern, Gebäude- und Abwassertechnik, Anlagenbau, aber auch Branchen wie das produzierende Gewerbe, die Landwirtschaft und Unternehmen der Lebensmittelbranche können auf das Ziel 6 einzahlen.
Energiewirtschaft, produzierendes Gewerbe (Stichwort: Eigenstromversorgung und Energieeffizienz), aber auch Beratungs- und Finanzdienstleister sowie Unternehmen im Bereich Energietransport und Energiespeicherung sollten sich das Ziel 7 genauer anschauen.
Für die Industrie, technologieorientierte Unternehmen, die zu Ressourceneffizienz und Prozessoptimierung beitragen, Maschinen- und Anlagenbau, Informations- und Kommunikationstechnologiebetriebe, Innovationsberatungen, Finanzdienstleister, Baugewerbe und weitere Branchen aus dem Bereich Infrastruktur ist das Ziel 9 relevant.
Die Mobilitäts- und die Baubranche haben hier einen zentralen Hebel – auch, was Innovationen und Technologien angeht wie etwa die Entwicklung neuartiger Dämmmaterialien oder Methoden zum besseren Recycling von Baustoffen, umweltfreundlicher Antriebe für Verkehrsmittel oder intelligenter Verkehrsplanung. Die Immobilienwirtschaft sollte sich das Ziel 11 ebenfalls genauer ansehen.
Dieses Ziel richtet sich insbesondere an Fischereibetriebe, technologieorientierte Unternehmen, die nachhaltige Fangmethoden unterstützen, Schifffahrt, aber auch an die Landwirtschaft und das produzierende Gewerbe sowie Unternehmen, die dazu beitragen, die Ozeane und Meere vor Verunreinigungen zu schützen. Das können beispielsweise auch Produktinnovationen im Verpackungsbereich sein.
Vor allem land- und forstwirtschaftliche Betriebe stehen im Fokus dieses Nachhaltigkeitsziels. Aber auch das produzierende Gewerbe oder der Handel können mit fairen, nachhaltigen und entwaldungsfreien Lieferketten auf den Schutz der Biodiversität und der Landökosysteme einzahlen. Da zu diesem Ziel auch der Schutz von Binnengewässern zählt, ist mit Einschränkung auch die Binnenschifffahrt relevant.

Ziele, die eher nicht für Unternehmen relevant sind:

Natürlich können Unternehmen dazu beitragen, prekäre Lebensverhältnisse zu vermeiden. Das tun sie allerdings bereits, wenn sie sich auf das Ziel 8 „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“ konzentrieren und beispielsweise auf langfristige, stabile Arbeitsverhältnisse mit angemessener Vergütung sowie soziale Absicherung der Beschäftigten weltweit entlang der Lieferketten setzen. Beim Ziel 1 geht es vor allem um Entwicklungsarbeit in den ärmsten Ländern dieser Welt.
Rechtstaatlichkeit, gleichberechtigter Zugang zur Justiz, Bekämpfung von Korruption und Bestechung, illegaler Finanz- und Waffenströme sowie organisierter Kriminalität und weitere Unterziele dieses Nachhaltigkeitsziels sind Aufgabe von Staaten.
Auch dieses Ziel richtet sich primär an Staaten und Fokus auf Entwicklungsarbeit. Unternehmen können dieses Ziel jedoch auch symbolisch nutzen, um auch andere Betriebe dazu zu motivieren, auf die 17 Ziele einzuzahlen.