16.05.2024

Gemeinsam für eine starke Region

Region Bodensee-Oberschwaben:
Vor der Kommunalwahl am 9. Juni ruft die Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben regionale Entscheidungsträger auf Kommunal- und Kreisebene zur Zusammenarbeit auf.
Energieversorgung, Flächenmanagement, Verkehr und Innenstadtentwicklung standen stellvertretend für weitere wirtschafts- und kommunalpolitisch wichtige Themen im Fokus eines Pressegesprächs, zu dem die Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK) am vergangenen Montag in die IHK nach Weingarten eingeladen hatte. Die IHK vertritt die Interessen von rund 40.000 Mitgliedsunternehmen aus Industrie, Dienstleistung und Handel in den drei Landkreisen Ravensburg, Sigmaringen und Bodenseekreis. Weltweit agierende Großunternehmen gehören genauso dazu wie kleine und mittlere Betriebe – viele davon erfolgreiche Familienbetriebe und Hidden Champions. „Die Größenvielfalt und der Branchenmix der von der IHK vertretenen Unternehmen machen die wirtschaftliche Struktur unserer Region aus. Wir sprechen als Impulsgeber eines starken Wirtschaftsstandorts für die regionale Gesamtwirtschaft“, sagte Moritz Schwier, Pressesprecher der IHK, in seiner Begrüßung. Kommunalpolitik und Wirtschaft könnten vor Ort gemeinsam viel bewegen. Die IHK gehe deshalb angesichts der am 9. Juni anstehenden Kommunalwahlen mit Forderungen sowie Beratungs- und Zusammenarbeitsangeboten auf die Entscheidungsträger in Städten und Gemeinden zu.
Energieversorgung
Wettbewerbsfähige Energiepreise und eine hohe Energiequalität müssten auch künftig gewährleistet sein, sagte Stefan Kesenheimer, Bereichsleiter Unternehmensförderung und Regionalentwicklung und Energie-Experte bei der IHK. „Die Unternehmen benötigen eine sichere und planbare Energieversorgung.“ Der Ausbau von regenerativen Energien mit der dazugehörenden Netzinfrastruktur müsse daher beschleunigt vorangetrieben werden. Eine vom Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) in Auftrag gegebene und vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme von August 2023 bis Januar 2024 durchgeführte Stromstudie weise für Baden-Württemberg bis zum Jahr 2040 ein Stromdefizit von bis zu 70 Milliarden Kilowattstunden aus, berichtete Kesenheimer. Dies entspreche in etwa dem Verbrauch von 20 Millionen Haushalten mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden. Das entstehende Stromdefizit müsse dann, sofern möglich, durch Stromimporte aus Nachbarländern oder benachbarten Bundesländern ausgeglichen werden. „Wir benötigen in unserer Region Photovoltaik- und Windkraftanlagen“, sagte Kesenheimer. Hierfür müssten die Genehmigungsverfahren dringend beschleunigt werden. Zudem sei eine intensive Aufklärungsarbeit erforderlich, um die Akzeptanz für regenerative Energieanlagen vor Ort zu stärken. Die Ausweisung benötigter Flächen sei elementar, gestalte sich aber schwierig, da in der Region kaum Gewerbe- und Industrieflächen vorrätig seien, die vor allem für dezentrale Energieerzeugungseinheiten wie Elektrolyseure zur Wasserstofferzeugung benötigt werden.
Flächenmanagement und Verkehr
Unternehmen brauchen Gewerbeflächen, um zu produzieren und im Transformationsprozess wettbewerbsfähig zu bleiben. „In unserer Region sind Flächen ein knappes Gut. Sie fehlen für das Gewerbe, für die dezentrale Energiegewinnung im Zuge der Energiewende, aber auch für die – nicht zuletzt für die Fachkräftesicherung entscheidende – Wohnnutzung“, sagte Bettina Wolf, IHK-Referentin für Regionalentwicklung. Der hier entstandene Druck zeichne sich klar als negativer Standortfaktor ab. Neben einer nachhaltigen und effizienten Nutzung bestehender Flächen sowie einer weiteren Nachverdichtung müsse daher auch die Bereitstellung neuer Gewerbeflächen ergebnisoffen geprüft werden, appellierte sie an kommunale Entscheider. Diese sollten sich nicht scheuen, Vorratsflächen anzulegen oder auch interkommunale Lösungen zu suchen. Die Landesregierung hat mit dem Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg 2023 beschlossen, dass bis Ende 2025 mindestens 2 Prozent der gesamten Regionsfläche für den Ausbau von Windenergie und Flächenphotovoltaik bereitgestellt werden müssen. Der Anteil von Gewerbe- und Industrieflächen liege derzeit nur bei 1,5 Prozent, so Bettina Wolf. „Wir müssen uns klarmachen: Die Vorgabe einer Netto-Null im Flächenverbrauch passt nicht.“
Im Bereich Verkehr gebe es nichts Neues, was aber den Handlungsbedarf nicht relativiere, so Wolf weiter. Die regionale Verkehrsinfrastruktur müsse ausgebaut, erhalten und saniert werden. Darüber hinaus gelte es, unter Berücksichtigung der Wirtschaft ein durchdachtes Verkehrs-Gesamtkonzept zu entwickeln, das der Logistik Raum gebe, die Erreichbarkeit der Innenstädte im Fokus habe, die Finanzierung des ÖPNV sicherstelle und dessen Angebots-Verbesserung fördere. Das mittelständische Omnibusgewerbe empfehle sich dabei als kompetenter Partner.
Innenstadtentwicklung
Die Innenstadt sei die gute Stube einer Kommune, stehe daher im Fokus des Gemeinderats und müsse als Wirtschaftsstandort weiterentwickelt werden, sagte Bernhard Nattermann, IHK-Referent für Handel, Touristik und Dienstleistungen. Doch die Innenstädte stünden zunehmend unter Druck. Ein sich veränderndes Konsum- und Kaufverhalten, Geschäftsaufgaben mangels Nachfolge, Klimaresilienz, Transformation, Digitalisierung, demografischer Wandel und vieles mehr machten den Innenstädten zu schaffen. Jede Stadt sei anders und habe unterschiedliche Rahmenbedingungen, gab Nattermann zu bedenken. Die IHK biete gezielte Beratung an, was eine Innenstadt brauche, was vorhanden sein müsse und wo neue Konzepte entwickelt werden sollten. Auch wenn der Konsum immer noch das Hauptmotiv der Stadtbesucher bilde, spielten die digitale Sichtbarkeit der Innenstädte und deren Aufenthaltsqualität eine überaus wichtige Rolle. Klima- und fußgängerfreundliche Zonen, soziale Treffpunkte und eine attraktive Nutzungsvielfalt mit kulturellen Angeboten dürften nicht fehlen. Gleichzeitig müsse die Erreichbarkeit der Innenstädte mit allen Verkehrsträgern gewährleistet bleiben. Gäste aus dem Umland, die aktuellen Untersuchungen zufolge immer noch zu einem hohen Prozentsatz mit dem Pkw anreisen, dürften nicht vergrault werden. Wichtig seien aber auch ein gutes Radwegenetz und stimmige ÖPNV-Angebote.
Kommunalpolitische Positionen der IHK und Beratungsangebot
Ein intensiver Dialog zwischen Wirtschaft und Kommunalpolitik sei die Basis, um die Stärke der Region gemeinsam weiterzuentwickeln, so Stefan Kesenheimer abschließend. Die Kommunen hätten vieles in der Hand und könnten viel gestalten. In ihren kommunalpolitischen Positionen hat die IHK die Herausforderungen der Region aufgeführt und neun Kernforderungen der Wirtschaft formuliert – darunter neben den im Pressegespräch thematisierten Schwerpunkten auch Forderungen zu Bürokratieabbau, Fach- und Arbeitskräftesicherung, Kommunalfinanzen, schnellem Internet und Mobilfunk sowie Schule und Beruf. Die IHK ruft die zukünftigen regionalen Entscheidungsträger in den Städten und Gemeinden zur Zusammenarbeit auf. „Wir suchen den intensiven Dialog mit den gewählten Entscheidungsträgern und bieten im Zeitraum nach der Wahl auch Besuche in allen Gemeinden vor Ort an“, so Kesenheimer. Es sei die gemeinsame Aufgabe der Kommunalpolitik und der Wirtschaft, den innovativen Wirtschaftsstandort Bodensee-Oberschwaben zu bewahren.  
Die neun Kernforderungen der IHK an die kommunalen Entscheidungsträger:
  • Bürokratie und Genehmigungsverfahren.
Berichtspflichten und zeitaufwändige Baugenehmigungsverfahren belasten die Unternehmen. Damit sich die Unternehmen auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können, müssen Verwaltungsvorgängen beschleunigt und digitalisiert werden.
  • Wettbewerbsfähige Energiepreise und Energiequalität.
Der Ausbau von regenerativen Energien und der Netzinfrastruktur muss vorangetrieben werden. Das gleiche gilt für den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur und der Nahwärmenetze.
  • Entwicklung der Innenstädte und Ortskerne.
Wir brauchen Aufenthaltsqualität und neue Konzepte für die Innenstädte, die mit allen Verkehrsträgern erreichbar bleiben müssen.
  • Fach- und Arbeitskräftesicherung.
Es ist wichtig, in- und ausländische Fach- und Arbeitskräfte gezielt anzuwerben und die Betreuung auszubauen. Dazu gehört auch bezahlbarer Wohnraum.
  • Flächenmanagement und nachhaltige Gewerbegebietsentwicklung.
Unternehmen brauchen Gewerbeflächen, um zu produzieren und im Transformationsprozess wettbewerbsfähig zu bleiben. Neue Gewerbeflächen müssen ergebnisoffen geprüft werden.
  • Kommunalfinanzen.
Die Haushalte müssen stabilisiert und die Investitionen in die öffentliche Infrastruktur gestärkt werden. Niedrige Hebesätze für die Gewerbesteuer sind ein wichtiger Standortvorteil.
  • Schnelles Internet und Mobilfunk.
Bei der Breitbandversorgung der Klasse 100 Mbit/s und darüber herrscht dringender Handlungsbedarf.
  • Schule und Beruf.
Wichtig sind Ganztagesschulen sowie die Integration von Neuzugewanderten in das Bildungssystem. Die duale Berufsausbildung gilt es besonders zu fördern.
  • Verkehrsinfrastruktur und ÖPNV.
    Das Straßen- und Schienennetz der Region muss aus- und neugebaut werden, wo immer angebracht. Ebenso der ÖPNV.

Hier finden Sie eine detaillierte Auflistung der kommunalpolitischen Positionen der IHK Bodensee-Oberschwaben.

Medieninformation Nr. 45/2024