Energiepolitische Positionen

Beschluss der IHK-Vollversammlung vom Oktober 2017,
aktualisiert im Juni 2024

Die IHK Bodensee-Oberschwaben unterstützt das Ziel der Energiewende, die Energieversorgung zunehmend auf regenerative Quellen umzustellen und sich damit auch von den Entwicklungen der Rohstoffmärkte unabhängiger zu machen. Zudem erzeugt die Energiewende bei richtiger Gestaltung ein hohes Maß an Kreativität und Innovation, das sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirkt.
Durch vielfältige Eingriffe in den Markt und durch eine mangelnde Koordinierung zwischen Bund und Ländern hat die Politik die Kosten der Energiewende deutlich in die Höhe getrieben. Staatliche Umlagen auf Netzentgelte machen heute einen wachsenden Anteil der Stromkosten für Wirtschaft und Verbraucher aus. Dies bedroht die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen am Standort Deutschland.
Auch die Versorgungssicherheit, bislang ein besonderes Plus Deutschlands, ist in Gefahr. Spätestens nach Abschaltung der Kernkraftwerke in Süddeutschland sind Engpässe in der Stromversorgung zu befürchten. Wir fordern daher Bund und Länder dazu auf, schnellstmöglich den Rahmen für die Energiewende zu gestalten. Das zentrale Zieldreieck der Energieversorgung „Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit“ ist dabei gleichgewichtet zu verfolgen:

1. Koordination

Die Energiewende kann nur gelingen, wenn Bund, Länder und Kommunen sich eng abstimmen.
  • Die Fäden der zahlreichen Einzelmaßnahmen der Energiewende müssen in einer Hand zusammenlaufen. So kann innerhalb der Regierung, zwischen den Bundesbehörden, zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie im Dialog mit der Wirtschaft klar gemacht werden, was wann wo und wie geschehen muss, um den Einstieg in eine zukunftssichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung zu schaffen.
  • Die Verbindung von Strom-, Wärme- und Verkehrssektor sollte verbessert und als ein Energiesystem betrachtet werden. Der Einsatz der Energieträger durch Wettbewerb sollte technologieoffen gesteuert werden.

2. Versorgungssicherheit

Es gibt viele Ansatzpunkte, um das Risiko bei der Versorgungssicherheit zu senken.
  • Wir treten dafür ein, wirtschaftlich sinnvolle Potenziale zur Flexibilisierung der Nachfrage, zum grenzüberschreitenden Handel, zur Speicherung oder zur intelligenten Koppelung der unterschiedlichen erneuerbaren Energien, beispielsweise auch zur Effizienzsteigerung, über eine Weiterentwicklung des bestehenden Strommarktes zu erschließen.
  • Um regionale Versorgungsengpässe zu verhindern, sollte genügend Netzreserve zur Verfügung stehen und hin zu mehr Transparenz weiterentwickelt werden. Die Bundesregierung ist aufgefordert, den Betrachtungszeitraum der Versorgungssicherheit bis nach 2045 auszudehnen, möglichen Handlungsbedarf gleichermaßen gründlich und zügig zu untersuchen und darauf aufbauend Vorschläge für ein Marktdesign zu entwickeln, das den wirtschaftlichen Bau und Betrieb erforderlicher klimaneutraler und dezentraler Kraftwerke sicherstellt.

3. Netzausbau

Die Anpassung der Netzinfrastruktur an die neuen Anforderungen dezentraler und volatiler Erzeugung ist für das Gelingen der Energiewende von zentraler Bedeutung.
  • Ausreichende Nord-Süd-Verbindungen für Strom, Gas und zukünftig Wasserstoff sind die Grundvoraussetzung, um die Versorgung auch in Süddeutschland langfristig zu sichern.
  • Netzausbau ist in vielen Fällen die günstigste Option, Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Umsetzung des Netzentwicklungsplans und Wasserstoffkernnetzes hat daher höchste Priorität.

4. Energieerzeugung

Viele Unternehmen antworten auf bestehende Unsicherheiten der Energiewende mit Eigenerzeugung.
  • Die Eigenerzeugung sollte von bürokratischen Belastungen freigestellt werden.
  • Dies eröffnet auch für den Ausbau der erneuerbaren Energien, vor allem für die Photovoltaik, interessante Chancen, ohne zusätzliche staatliche Investitionen. Dabei sollte der Power-Purchase-Agreement-Markt (PPA) gefördert werden.

5. Senkung Stromsteuer und Bürokratieabbau

  • Dauerhafte Senkung der Stromsteuer auf das EU-Mindestmaß für alle Unternehmen, und zusätzliche Umlagen auf den Strompreis darf es zudem nicht geben.
  • Die vielfältigen Meldepflichten und die dazugehörenden Fristen sind auf ein Minimum zu reduzieren.

6. Energieeffizienz

Effizienzmaßnahmen reduzieren den Energieverbrauch, leisten über die Einsparung fossiler Brennstoffe einen Beitrag zum Klimaschutz und begrenzen den notwendigen Ausbau von Erzeugungskapazitäten.
  • Energieeinsparpotenziale können durch Anreize und auf freiwilliger Basis effektiver gehoben werden als durch staatliche Vorgaben. Hierfür ist ein verlässlicher Rahmen in allen relevanten Sektoren erforderlich, insbesondere in den Sektoren Wärme und Verkehr.
  • Unternehmen sollen motiviert werden, ihr Energiemanagement kontinuierlich zu verbessern und technische Potenziale zur Effizienzsteigerung zu nutzen. Bei Effizienzanforderungen und -anreizen sollte nicht nur auf die gleichmäßige Senkung des Stromverbrauchs gezielt werden. Gefragt ist auch Flexibilität in der Nachfrage, mit der Lastspitzen gekappt und Angebotsüberhänge aufgefangen werden können.

7. Gebäudesanierung

Um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu senken, müssen die Einsparpotenziale im Gebäudebestand erschlossen werden.  Damit wird auch ein positiver Beitrag zur Energiewende geleistet.
  • Durch fachgerechte Wärmeschutzmaßnahmen und mit moderner Gebäudetechnik können erhebliche Einsparungen in den Bereichen Heizung und Warmwasserbereitung erzielt werden.
  • Die Einführung der degressiven Absetzung für Abnutzung (AfA) für Energiesanierungsmaßnahmen kann weitere Investitionen schaffen.
  • Für die Erzeugung des Wärmebedarfs müssen verstärkt erneuerbare Energien, industrielle Abwärme unter Berücksichtigung regionaler Strukturen und die Potenziale für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen genutzt werden.

8. Europäischer Energiemarkt und Rechtssicherheit

Wir halten es für dringend geboten, dass Deutschland die Energiepolitik stärker mit seinen europäischen Nachbarn koordiniert.
  • Ein europäischer Energiemarkt schafft zusätzliche Möglichkeiten zur Optimierung des Risikoausgleichs und der Versorgungssicherheit und gewährleistet gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen in Europa.
  • Zudem sollte Deutschland den Prozess der Energiewende regelmäßig mit der EU abstimmen, um der Wirtschaft Rechtssicherheit im europäischen Kontext zu geben. Besonders bei nationalen Gesetzgebungen hat für die Wirtschaft die Investitionssicherheit und Kalkulierbarkeit eine sehr hohe Bedeutung.

9. Energieforschung

Zur nachhaltigen Sicherstellung einer umweltfreundlichen, zuverlässigen und wirtschaftlichen Energieversorgung ist es notwendig,
  • die Forschung und Entwicklung innovativer Technologien entlang der gesamten Energiekette zu forcieren. Diese umfasst die Bereiche Erschließung, Umwandlung, Speicherung, und Verteilung von Energie, sowie die Gebäudetechnik.
  • Ebenso wichtig ist der technologische Fortschritt zur Steigerung der allgemeinen Energieeffizienz und Energieeinsparung.

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