Vertrags-und zivilrechtliche Fragen in Zeiten der Covid-19-Pandemie

Der  alltägliche Geschäftsverkehr ist von der Covid-19-Pandemie in besonders hohem Maß betroffen und eingeschränkt. Dies reicht von Problemen in der Produktion des Großunternehmers über unterbrochene Lieferketten bis hin zum Abonnementvertrag des Einzelnen. Welche zivilrechtlichen Folgen sich hieraus für das Vertragsrecht ergeben, erfahren Sie hier. Außerdem hat der Gesetzgeber in verschiedenen zivilrechtlichen Bereichen zeitlich begrenzte Sonderregelungen geschaffen, die den Umständen der Pandemie angepasst sind. Dies betrifft das Vertragsrecht, das Insolvenzrecht und das Gesellschaftsrecht.

Vertragsrecht

Wann entfällt die Pflicht zur Erbringung der vertraglichen Leistung?

Grundsätzlich sind Verträge einzuhalten. Die Vertragspartner sind einander zur Erbringung von Leistung (zum Beispiel einer Maschine) und Gegenleistung (Zahlung des Kaufpreises) verpflichtet.  Im Einzelfall kann die Pflicht zur vertraglich vereinbarten Leistung jedoch entfallen. Die ist zum Beispiel der Fall, wenn die Erbringung der Leistung für einen oder beide Vertragspartner nicht mehr  möglich ist. Eine solche Unmöglichkeit könnte derzeit durch die Covid-19-Pandemie gegeben sein. Ob dies im konkreten Fall zutrifft und welche Konsequenzen sich hieraus ergeben, ist jeweils zu prüfen.
Wurde ein Vertrag erst nach Beginn der Pandemie geschlossen, ist wahrscheinlich, dass er spezifische Vereinbarungen für den Fall der spezifisch auf der Covid-19 beruhenden Leistungsverhinderung beinhaltet. Diese Regelungen haben dann Vorrang.
Wurden keine vertraglichen Vereinbarungen getroffen, sind die gesetzlichen Regelungen der Unmöglichkeit einschlägig: Die Erbringung einer Leistung kann sowohl aus rechtlichen Gründen (zum Beispiel, wenn eine Tätigkeit gesetzlich verboten wurde) als auch tatsächlich (aus naturgesetzlichen Gründen oder nach Stand von Wissenschaft und Technik) unmöglich sein. Die anerkannten Fälle der Unmöglichkeit sind hierbei  festgelegt. Anerkannt ist auch die nur vorübergehende Unmöglichkeit. Hierbei ist ein Vertragspartner nur vorübergehend in der Erbringung seiner Leistung gehindert, wird zu dieser zu einem späteren Zeitpunkt jedoch wieder in der Lage sein. Jedenfalls für die Zeit der Unmöglichkeit ist der Schuldner von seiner Pflicht zur Leistungserbringung befreit. Es ist unerheblich, ob die Leistung für jedermann oder nur individuell für den jeweiligen Vertragspartner unmöglich ist. Ebenfalls unerheblich ist, ob die Leistung schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht möglich war oder erst nachträglich unmöglich geworden ist.
ACHTUNG:
  • Die Zahlungsunfähigkeit (sogenannte wirtschaftliche Unmöglichkeit) ist kein Fall der Unmöglichkeit und führt nicht zum Entfall der Leistungspflicht.  Der Grundsatz lautet: Geld hat man zu haben.
  • Keine Unmöglichkeit liegt vor,, wenn die Leistung grundsätzlich noch erbracht werden kann, der Vertragspartner  jedoch keine Verwendung und daher kein Interesse mehr an der Leistung hat (Beispiel: Das Bekleidungsgeschäft hat aufgrund seiner behördlichen Schließung kein Interesse mehr an der Warenlieferung, da es der Meinung ist, diese nun nicht mehr verkaufen zu können).
Folge der Unmöglichkeit ist der Wegfall der Leistungspflicht. Die unmöglich gewordene Leistung braucht dann nicht mehr erbracht werden.

Besteht ein Anspruch auf Schadensersatz, wenn die Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit entfällt?

Ein Anspruch auf Schadensersatz bei Vorliegen von Unmöglichkeit kann sich aus Vertrag oder  dem Gesetz  (§§ 283, 280 Abs. 1, 3 BGB) ergeben.  Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch ist, dass eine Vertragspartei die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Dies ist nicht der Fall, wenn es sich um einen Fall der höheren Gewalt handelt. Höhere Gewalt ist  das Vorliegen von unvorhersehbaren, unvermeidbaren und unüberwindbaren objektiven Bedingungen. Epidemien oder sonstige Ausbrüche von Krankheiten und Seuchen können grundsätzlich einen Fall von höherer Gewalt darstellen können. Ein pauschales Vorliegen von höherer Gewalt ist aber derzeit mangels diesbezüglicher gerichtlicher  Entscheidungen bei der Covid-19-Pandemie bislang nicht anzunehmen, so dass es einer Einzelfallprüfung bedarf. Einen Hinweis gibt bislang die Behandlung der SARS-Pandemie von 2002/2003: Das Vorliegen von höherer Gewalt wurde in den meisten Fällen von den chinesischen Gerichten angenommen. In einem im Zusammenhang mit der SARS-Epidemie erlassenen Rundschreiben hatte das Oberste chinesische Gericht hierzu geregelt, dass alle Fälle der Nichterfüllung eines Vertrags, die sich als direkte Folge von administrativen Maßnahmen von Regierung oder Behörden zur Eindämmung von SARS oder aufgrund seiner Auswirkungen ergeben, gemäß den gesetzlichen Be¬stimmungen als ein Fall Höherer Gewalt zu behandeln sind.
Geht man von höherer Gewalt aus, muss z geprüft werden, ob und welche vertraglichen Vereinbarungen in Bezug auf höhere Gewalt und Schadensersatz getroffen wurden. Beim Vorliegen von höherer Gewalt fehlt das Vertreten müssen, sodass die dadurch betroffene Vertragspartei per Gesetz von ihrer vertraglichen Leistungspflicht frei wird, ohne dass die andere Vertragspartei deswegen Schadensersatz verlangen könnte. Im Fall eines bereits vor Beginn der Pandemie geschlossenen Vertrages besteht daher per Gesetz im Fall der höheren Gewalt mangels vertreten müssen des leistungsbefreiten Schuldners kein Anspruch auf Schadensersatz. Für neu abzuschließende Verträge ist zu überprüfen, inwiefern bei bereits bekannten Epidemien solche Klauseln noch greifen können. Hier empfiehlt es sich vorausschauende Klauseln zu vereinbaren oder Vertragsanpassungen zuzulassen.
Im Fall der obigen Beispiele ergibt sich im Fall der Unmöglichkeit folgendes:
  • Werden Events behördlich verboten, kann dem Veranstalter auch kein schuldhaftes Handeln vorgeworfen werden. Er muss deshalb keinen Schadensersatz leisten oder für entgangenen Gewinn aufkommen. Unter diesen Schaden fallen auch für den Besuch der Veranstaltung gebuchte Hotelzimmer und Transporttickets.
  • Der Käufer einer ausbleibenden Lieferung kann im Einzelfall einen Anspruch auf Schadensersatz haben, wenn dem Verkäufer im Einzelfall schuldhaftes Handeln nachgewiesen werden kann. Es muss überprüft werden, ob der jeweilige Vertragspartner seine vertraglichen Verpflichtungen schuldhaft vernachlässigt hat. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn der Vertragspartner eine Lieferung nicht ausführen kann oder er es aufgrund Personalmangels nicht rechtzeitig schafft seine Aufträge zu erfüllen und sodann es pflichtwidrig unterlässt, seinen Kunden oder Auftraggeber über diesen Umstand zu informieren.
  • Wird das Betreiben des Fitnessstudios dem Inhaber gesetzlich oder behördlich untersagt, ist ihm kein schuldhaftes Handeln vorzuwerfen. Wie der Veranstalter auch muss er keinen Schadensersatz leisten oder für entgangenen Gewinn aufkommen.

Was passiert mit der Gegenleistung?

Wenn die Pflicht zur Leistung wegen Unmöglichkeit entfällt, entfällt gem. § 326 Abs. 1 BGB auch die Pflicht zur Gegenleistung.
  • Der potentielle Besucher einer Veranstaltung muss den Kaufpreis des gebuchten Tickets nicht mehr bezahlen.
  • Der Käufer der ausbleibenden Lieferung muss diese nicht mehr bezahlen.
  • Der Besucher des Fitnessstudios muss die monatlichen Raten seines Fitnessstudioabonnements für den Zeitraum der Schließung nicht mehr begleichen.
Wurde die Gegenleistung bereits erbracht, kann diese gem. § 326 Abs. 4 BGB zurückgefordert, also der bezahlte Kaufpreis zurückverlangt werden.
ACHTUNG: Gutscheinlösung für Veranstaltungstickets geplant
Da kulturelle, wissenschaftliche und sportliche Veranstaltungen sowie der Flug- und Reiseverkehr von der Covid-19-Pandemie besonders betroffen und beinahe vollständig zum Erliegen gekommen sind hat die Bundesregierung in ihrem „Corona-Kabinett“ am 2. April 2020 den Beschluss für eine Gutscheinlösung gefasst:
  • Statt den Kaufpreis rückerstatten zu müssen, soll der Verkäufer bei der Rückabwicklung aller vor dem 8.März 2020 geschlossenen Verträge, die Pauschalreisen, Flüge oder Freizeitveranstaltungen zum Gegenstand haben, berechtigt sein, Gutscheine herauszugeben.
  • Die Gutscheine sollen bis zum Jahresende befristet sein. Ist ein Gutschein bis dahin nicht eingelöst, ist geplant, den Ticketpreis zu erstatten. Es ist außerdem eine Härtefallklausel geplant für Fälle, in denen ein Gutschein für den Käufer unzumutbar ist.
Die Einzelheiten der Gutscheinlösung  werden noch geklärt werden. Im Bereich der Veranstaltungen ist eine nationale Regelung möglich. Für Pauschalreisen ist jedoch eine europäische Lösung erforderlich. Hier soll die europäische Kommission für eine einheitliche Regelung sorgen.

Ist ein Rücktritt vom Vertrag wegen der Covid-19-Pandemie möglich?

Zuerst ist wiederum der Vertrag zu prüfen, ob auf die Situation passende Rücktrittsregelungen vereinbart wurden.

Gesetzlicher Rücktritt

Ist keine individualvertragliche Rücktrittsregelung vereinbart, ist dieser bei Wegfall der Leistungspflicht aufgrund Unmöglichkeit gem. § 326 Abs.5 BGB  möglich. Tritt ein Vertragspartner hiernach wirksam vom Vertrag zurück, müssen die vereinbarten Leistungen nicht mehr erbracht und bereits empfangene Leistungen herausgewährt werden. Ist die Leistung hingegen nicht unmöglich geworden, ist für die Ausübung des gesetzlichen Rücktritts ein Rücktrittsrecht nach den §§ 323 ff. BGB erforderlich.  Ob ein solches gegeben ist, ist im Einzelfall zu prüfen.

Vorrangig Anspruch auf Vertragsanpassung

Auch aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage kann sich nach § 313 Abs. 3 BGB ein Recht zum Rücktritt ergeben. Dies ist dann denkbar, wenn sich die Vertragsumstände derart geändert haben, dass die Vertragsparteien den Vertrag mit entsprechendem Wissen um die Änderung gar nicht oder zumindest nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätten. Die Parteien haben dann jeweils einen Anspruch auf Vertragsanpassung. Nur wenn eine Anpassung des Vertrages nicht möglich oder der anderen Partei nicht zuzumuten ist, folgt aus der nachträglichen schwerwiegenden Veränderung oder Störung der Geschäftsgrundlage unter Umständen das Recht des betroffenen Vertragspartners zum Rücktritt oder bei Dauerschuldverhältnissen zur Kündigung. In einigen Ausnahmefällen können staatliche Eingriffe im Zusammenhang mit dem Coronavirus wie die behördliche Anordnung zur Geschäftsschließung eine Störung der Geschäftsgrundlage begründen.
Beispiel:
  • Bei den behördlich abgesagten Veranstaltungen findet die Rückabwicklung bereits über die das Rücktrittsrecht gem. § 326 Abs. 5 BGB statt. Eines Rückgriffs auf die Störung der Geschäftsgrundlage bedarf es nicht.
  • Das Gleiche gilt auch für den Fitnessstudiovertrag.
  •  Im Fall der Warenlieferung ist auch die Situation denkbar, dass der Abnehmer der Waren aufgrund der Schließung seiner Verkaufsstätte kein Interesse mehr an der Lieferung hat. In diesem Fall kann die Leistung noch erbracht werden. Ein Fall der Unmöglichkeit liegt nicht vor und auch sonst begründet die fehlende Verwendungsmöglichkeit kein pauschales Recht zum Rücktritt. Denkbar ist aber hier die Störung der Geschäftsgrundlage. In vielen Fällen wird hier jedoch eine Vertragsanpassung möglich und zumutbar sein, sodass das Recht zum Rücktritt entfällt. Dies ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen.

Gesetzliche Sonderregelungen für einzelne Verträge aufgrund der Pandemie:

Mieten und Pachten

Für den Fall, dass ein Mieter aufgrund der Pandemie nicht mehr in der Lage ist seine Mietzinszahlungen zu leisten, hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung geschaffen, die das Kündigungsrecht des Vermieters von Wohn- und Gewerbeflächen betrifft. Dieses ist nun insofern eingeschränkt, als dass eine Kündigung, die ausschließlich auf einem Verzug der Mietzinszahlungen im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 beruht, unzulässig ist, wenn dieser Zahlungsverzug Folge der Auswirkungen der COVID-19- Pandemie ist. Im Streitfall hat der Mieter den Zusammenhang durch Versicherung an Eides Statt oder sonst geeigneter Mittel glaubhaft zu machen. Für die Glaubhaftmachung kommen insbesondere in Frage: Der Nachweis der Antragstellung beziehungsweise die Bescheinigung über die Gewährung staatlicher Leistungen, Bescheinigungen des Arbeitsgebers oder andere Nachweise über das Einkommen beziehungsweise über den Verdienstausfall. Mieter oder Pächter von Gewerbeimmobilien können dies auch dadurch glaubhaft machen, indem sie die behördliche Verfügung vorlegen, mit denen ihnen der Betrieb untersagt oder erheblich eingeschränkt wird. Die Zahlungen aus diesem Zeitraum sind bis zum 30. Juni 2022 nachzuholen, danach ist die Kündigung wegen des Zahlungsverzugs wieder zulässig. Anderweitige Kündigungsrechte bleiben von der Neuregelung unberührt.

Besonderes Leistungsverweigerungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen

Verbrauchern und Kleinstunternehmern wurde ein besonderes Leistungsverweigerungsrecht im Bereich der Dauerschuldverhältnisse eingeräumt. Als Kleinstunternehmer gelten hierbei alle Unternehmen mit bis zu neun Beschäftigten und bis zu zwei Millionen Euro Jahresumsatz. Das Leistungsverweigerungsrecht gilt bis zum 30. Juni 2020 unter folgenden Voraussetzungen:
  • Es muss sich um ein vor dem 8. März 2020 vertraglich begründetes Dauerschuldverhältnis  zur Eindeckung mit Leistungen aus dem Bereich der Daseinsvorsorge handeln, welches nicht miet-, pacht- oder arbeitsrechtlicher Art und kein Darlehensvertrag ist.
  • Dem Verbraucher muss es aufgrund der Umstände der Covid-19-Pandemie unmöglich sein, seiner Zahlungsverpflichtung nachzukommen ohne dabei seinen angemessenen Lebensunterhalt oder den seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen zu gefährden.
Ausnahme: Das Leistungsverweigerungsrecht gilt nicht, wenn die Nichterbringung der Leistung dem Gläubiger unzumutbar ist.  Dies ist dann der Fall, wenn durch den Wegfall der Leistung des Verbrauchers die wirtschaftliche Existenz des Gläubigers gefährdet würde. Geht es hingegen um die Nichtleistung des Kleinstunternehmers, ist diese dem Gläubiger dann unzumutbar, wenn sie zur Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder dem seiner unterhaltspflichtigen Angehörigen führen würde oder seinen wirtschaftlichen Erwerbsbetrieb gefährden würde.

Stundung bei Verbraucherdarlehensverträge

Der Gesetzgeber kommt dem Verbraucher auch im Bereich der vor dem 15. März 2020 geschlossenen Darlehensverträge entgegen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Verbraucher in Folge der Covid-19-Pandemie Einnahmeausfälle hat, die ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung unzumutbar machen. Dies ist dann der Fall, wenn ansonsten sein angemessener Lebensunterhalt oder der seiner Angehörigen gefährdet wäre. Es gelten dann folgende Sonderregelungen:
  • Zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werdende Ansprüche des Darlehensgebers gegenüber dem Darlehensnehmer, die auf Rückzahlungs-, Zins- oder Tilgungsleistungen beruhen, werden mit Eintritt der Fälligkeit um 3 Monate gestundet. In diesem Zeitraum ist eine einseitige Kündigung durch den Darlehensgeber wegen Zahlungsverzug, wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse  des Verbrauchers oder Wertverlust der Sicherheit nicht zulässig.
  • Erbringt der Verbraucher die Leistung zu den vereinbarten Zeitpunkten dennoch, gilt die Stundung als nicht erfolgt.
  • Für den Zeitraum ab dem 30. Juni 2020 ist eine Vertragsanpassung durch einverständliche Regelungen zwischen dem jeweiligen Darlehensnehmer und Darlehensgeber vorgesehen. Kommt eine solche nicht zustande, verlängert sich die Vertragslaufzeit um 3 Monate.
Ausnahme: Die Regelungen gelten nicht, wenn dem Darlehensgeber die Stundung oder der Ausschluss der Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, einschließlich der durch die Covid-19-Pandemie  hervorgerufenen Änderungen der Lebensumstände, nicht zumutbar ist.

Checkliste: Von der Covid-19-Pandemie betroffener Vertrag – Wie geht es weiter? 

  • Kann die Leistung einer oder beider Vertragsparteien nicht mehr erbracht werden?
  • Sind vertragliche Regelungen für den Fall der Leistungsverhinderung durch Unmöglichkeit getroffen worden? Falls nicht, hilft der  Blick ins Gesetz: Wenn die Beeinträchtigung eines Unternehmens durch die Epidemie derart groß ist, dass eine vollständige Unmöglichkeit eintrifft, entfällt die Pflicht zur Leistung ebenso wie die Pflicht zur Gegenleistung.
  • Regelt der Vertrag den Fall der Höheren Gewalt? Falls nicht, sind per Gesetz bei höherer Gewalt eventuell bestehende Schadensersatzansprüche  mangels Vertreten müssen ausgeschlossen. Hiervon gibt es jedoch auch Abweichungen, beispielsweise im Falle des Verschuldens des Vertragspartners.
  • In Dialog treten: Treten Leistungshindernisse ein, sollte der Vertragspartner umgehend informiert werden, um einvernehmliche alternative Lösungen zu finden. Auch in Zeiten der Epidemie können die Vertragspflichten nicht vollständig aufgehoben werden.
  • Letzter Ausweg: Änderung bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage, Rücktritt oder Kündigungsmöglichkeiten überprüfen.

International: Coronavirus und Vertragsrecht weltweit

Die Covid-19-Pandemie hat sich inzwischen nahezu flächendeckend über den Erdball ausgebreitet. Um die Auswirkungen auf die Wirtschaft abzufedern, haben auch die Legislativen anderer betroffener Länder ihr nationales Vertragsrecht auf die neuartigen Umstände der Pandemie angepasst.
Welches Recht für Verträge mit ausländischen Geschäftspartnern gilt und wie andere Länder die Fragen zur Vertragserfüllung  sowie zur  höheren Gewalt zu Zeiten des Coronavirus regeln, erfahren Sie in den Länderberichten zum jeweils geltenden nationalen Vertragsrecht.

Weitere zivilrechtliche Sonderregelungen auf Grund der Corona Pandemie

Insolvenzrecht

Unternehmen, die infolge der Covid-19 Pandemie insolvent geworden oder in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind, soll Zeit gegeben werden, um die notwendigen Vorkehrungen zur Beseitigung der Insolvenzreife zu treffen, insbesondere um staatliche Hilfen oder um Finanzierungs- und Sanierungshilfen in Anspruch nehmen zu können.
Zu diesem Zweck wurde nach § 1 Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz  (COVInsAG) die straf- und haftungsbewehrte  Insolvenzantragspflicht von drei Wochen zunächst bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Am 2. September 2020 hat die Bundesregierung die vom Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegte Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen für einen aus der Mitte des Bundestages einzubringenden Gesetzentwurf zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (COVInsAG) beschlossen. Danach wurde die Aussetzung der Antragspflicht bis zum 31. Dezember 2020 verlängert. Die Verlängerung gilt indes nur noch für Unternehmen, die infolge der COVID-19-Pandemie überschuldet sind, ohne zahlungsunfähig zu sein. Damit besteht für zahlungsunfähige Unternehmen seit dem 1. Oktober 2020 wieder die reguläre Antragspflicht.
Die Aussetzung setzt voraus dass die Insolvenz auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht oder keine Aussichten auf Beseitigung der Überschuldung bestehen. Nach § 19 Insolvenzordnung (InsO) ist ein Unternehmen überschuldet, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.
Die Verlängerung der Aussetzungspflicht hat seinen Grund in der für eine Feststellung der Überschuldung erforderliche Fortführungsprognose, die sich auf einen Zeitraum von bis zu 2 Jahren bezieht und sich aufgrund der derzeitigen wirtschaftlichen Situation nicht mit Sicherheit feststellen lässt. So soll den Unternehmen, die noch in der Lage sind ihre fälligen Zahlungen zu leisten, aber aufgrund einer negativen Fortführungsprognose als überschuldet gelten, auch weiterhin die Möglichkeit gewährt werden, notwendige Vorkehrungen zur Beseitigung der Überschuldung zu treffen, insbesondere um zu diesem Zweck staatliche Hilfen oder Finanzierungs- und Sanierungshilfen in Anspruch zu nehmen. Zudem gelten auch dahingehend die Einschränkungen der Insolvenzanfechtung sowie die eingeschränkte Haftung des Geschäftsleiters für Zahlungen nach dem Insolvenzeintritt - für den Fall der Überschuldung - weiter.
Daneben wurden folgende weitere Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Unternehmen getroffen:
  • Geschäftsleiter sollen nach Art. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 COVInsAG nur eingeschränkt für Zahlungen haften, die sie nach Eintritt der Insolvenzreife vornehmen. Während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll für im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgende Zahlungen gelten, dass diese mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Insbesondere erfasst werden sollen Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes dienen. Diese Regelung soll es Geschäftsleitern ermöglichen, während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im Rahmen von Sanierungsbemühungen erforderliche Maßnahmen zur Fortführung der von der Covid-19-Pandemie betroffen Unternehmen im ordentlichen Geschäftsgang zu ergreifen.
  • Während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht an von der Covid-19-Pandemie betroffene Unternehmen gewährte neue Kredite sollen nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen sein (vergleiche Art. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 COVInsAG); ihre Besicherung und eine bis zum 30. September 2023 erfolgende Rückgewähr sollen zudem als nicht gläubigerbenachteiligend gelten (vergleiche Art. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG). Dies soll auch für Gesellschafterdarlehen gelten, nicht jedoch für deren Besicherung. Zudem sollen die neu gewährten Gesellschafterdarlehen vorübergehend nicht nachrangig sein. Die mit den Regelungen einhergehende Einschränkung anfechtungs- und haftungsrechtlicher Risiken soll die Vergabe von neuen Krediten fördern.
  • Zudem soll geregelt werden, dass während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht erfolgende Leistungen an Vertragspartner nur eingeschränkt anfechtbar sind (vergleiche Art. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG). Die Beschränkung der Anfechtungsrisiken soll eine Fortführung der Geschäftsbeziehungen zu den von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie betroffenen Unternehmen unterstützen. Ausgeschlossen ist der Anfechtungsschutz nur bei positiver Kenntnis vom Fehlen von Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen oder von der offensichtlichen Ungeeignetheit der Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen.
  • Des Weiteren soll die Möglichkeit von Gläubigern, durch Insolvenzanträge Insolvenzverfahren zu erzwingen, für 3 Monate eingeschränkt werden (vergleiche Art. 1, § 3 COVInsAG). Hierdurch soll den von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie betroffenen Unternehmen Zeit für die Sanierungsbemühungen und Verhandlungen mit ihren Gläubigern verschafft werden.
Die Regelungen von Art. 1, § 2, Abs. 1 Nr. 2-4 COVInsAG gelten nach Art. 1, § 2 Abs. 2 COVInsAG auch für Unternehmen, die keiner Antragspflicht unterliegen. Gefördert werden soll so auch die Vergabe neuer Kredite an nicht antragspflichtige Unternehmen, wie zum Beispiel Einzelhandelskaufleute, und auch für ihre Vertragspartner sollen die Haftungs- und Anfechtungserleichterungen gelten. Zudem sollen die Haftungs- und Anfechtungserleichterungen nach Art. 1, § 2 Abs. 4 COVInsAG bereits greifen, bevor eine Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) vorliegt. Hierdurch sollen frühe Sanierungsbemühungen gefördert und Unsicherheiten vermieden werden.

Gesellschaftsrecht, Genossenschaftsrecht, Vereinsrecht

Durch die Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRGenRCOVMVV) wurden die im folgenden beschlossenen Maßnahmen bis zum 31. Dezember 2021 verlängert.
Damit verlängern sich die Erleichterungen für Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, Europäische Gesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Genossenschaft, Verein und Stiftung im Hinblick auf Haupt-/Mitgliederversammlungen und Beschlussfassungen sowie die Ausnahmevorschrift für das Umwandlungsgesetz gemäß §§ 1 bis 5 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie bis zum 31. Dezember 2021.

Sondervorschriften für Hauptversammlungen von AG, KGaA, SE und Versicherungsvereinen

§ 1 Covid-19-Gesetz sieht Sondervorschriften zu den bestehenden Regelungen zur Durchführung von Hauptversammlungen vor. Hiernach kann der Vorstand entgegen § 118 AktG ohne die sonst erforderliche Satzungsermächtigung und ohne die Zustimmung des Aufsichtsrates folgendes Vorgehen beschließen: Die elektronische Teilnahme der Aktionäre an der Hauptversammlung, die Stimmabgabe im Wege elektronischer Kommunikation, die Teilnahme  von Mitgliedern des Aufsichtsrats mittels Ton und Bildübertragung sowie die Zulassung der Ton- und Bildübertragung..
Die Voraussetzungen der virtuellen Hauptversammlung, ohne physische Präsenz von Aktionären und ihren Vertretern, sind in § 1 Abs. 2 Covid-19-Gesetz geregelt. Dabei wird der Vorstand auch ermächtigt nach pflichtgemäßem, freiem Ermessen zu entscheiden, welche Fragen der Aktionäre er wie beantwortet.  
Kürzere Fristen zur Einberufung der Hauptversammlung, Nachweis des Anteilsbesitzes sowie zu Folgeregelungen enthält § 1 Abs. 3 Covid-19-Gesetz, die der Zustimmung des Aufsichtsrates unterliegen.
Der Vorstand hat auch die Möglichkeit ohne Satzungsermächtigung mit Zustimmung des Aufsichtsrates einen Abschlag auf den Bilanzgewinn nach § 59 Abs. 2 AktG (auch nach § 304 AktG) zu beschließen.
Auch hat der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates die Möglichkeit, abweichend von der Frist nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AktG die Hauptversammlung innerhalb des Geschäftsjahres stattfinden zu lassen, vergleiche § 1 Abs. 5 Covid-19-Gesetz. Dies gilt nicht für die SE – hier bedarf es einer Sonderregelung des EU-Gesetzgebers.
Die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen kann nicht auf die Verletzung von § 118 Abs. 1 Satz 3 bis 5, Abs. 2 Satz 2, oder Abs. 4 AktG, die Verletzung von Formerfordernissen für Mitteilungen nach § 125 AktG sowie nicht auf eine Verletzung nach § 1 Abs. 2 Covid-19-Gesetz gestützt werden – Ausnahme vorsätzliches Handeln.

Sonderregelung für GmbHs

Für Gesellschafterbeschlüsse der GmbH sind nach § 2 Covid-19-Gesetz Erleichterungen vorgesehen. Abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG können Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden. Diese Sonderregelung gilt nur für Gesellschafterversammlungen und -beschlüsse, die im Jahr 2020 stattfinden.

Sonderregelungen für Genossenschaften (§ 3 Covid-19-Gesetz)

Das Gesetz enthält Sonderregelungen für schriftliche oder elektronische Beschlüsse ohne vorhandene Satzungsregelungen sowie (Folge-)Regelungen zu solchen Beschlussfassungen, zur Einberufung der Generalversammlung/Vertreterversammlung, zur Feststellung des Jahresabschlusses, zu Abschlagszahlungen, zur Amtszeit von Mitgliedern des Vorstands und Aufsichtsrats sowie zu den Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat. Diese gelten bis 31. Dezember 2021 – zu den Einzelheiten vgl. bitte § 7 Abs. 3 COVID-19-Gesetz.

Ausnahme im Umwandlungsrecht (§ 4 Covid-19-Gesetz)

Bei der Anmeldung einer Verschmelzung nach § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG (und Spaltung, vergleiche § 125 UmwG) ist eine Bilanz ausreichend, die zu einem höchstens 12 Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt wurde.

Sonderregelungen im Vereins-Stiftungsrecht (§ 5 Covid-19-Gesetz)

Für im Jahr 2020 und 2021 ablaufende Bestellungen von Vereins- oder Stiftungsvorständen und im Jahr 2020 und 2021 stattfindende Mitgliederversammlungen von Vereinen sieht das Gesetz Sonderregelungen vor. Nach § 5 Abs. 1 Covid-19-Gesetz bleiben Vorstandsmitglieder von Vereinen und Stiftungen auch nach Ablauf ihrer Amtszeit bis zur Abberufung oder Bestellung eines Nachfolgers im Amt. Absatz 2 gibt dem Vorstand bei Vereinen abweichend von § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB die Möglichkeit, die elektronische Teilnahme an der Mitgliederversammlung und eine ebensolche Abstimmung anzubieten oder eine schriftliche Stimmabgabe vor der Mitgliederversammlung vorzusehen. Beschlüsse (ohne Mitgliederversammlung) sind unter bestimmten Voraussetzungen abweichend von § 32 Abs. 2 BGB zulässig.