IHK-Umweltdienst - November 2024

Die IHK informiert Sie monatlich über die aktuellsten Themen im Umwelt- und Energiebereich.

Klimaschutz

EU-Klimaziel überfordert Deutschland

Das von der EU-Kommission vorgeschlagenen Klimaziel für 2040 gerät außer Reichweite – das zeigt eine Studie, die die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) am 1. Oktober in Berlin vorgestellt haben.
Der Brüsseler Vorschlag sieht eine 90-prozentige Verringerung der Netto-Treibhausgasemissionen (THG) im Vergleich zu 1990 vor. Was dies für die deutsche Klimazielsetzung bedeuteten würde und wie der Stand der Klimazielerreichung in Europa und Deutschland aktuell aussieht, analysiert die Studie "Mögliche Auswirkungen eines EU-Klimaziels von minus 90 Prozent für 2040 auf Deutschland" von DIHK und VKU.
Ein Kernergebnis: Nach derzeitigen Emissionsprognosen der EU-Mitgliedstaaten wird bereits das für 2030 anvisierte europäische Ziel einer 55-prozentigen CO2-Reduktion verfehlt. Das Erreichen eines 2040-Ziels von minus 90 Prozent, das auf der Zielerreichung 2030 aufbaut, gerät damit außer Reichweite.
Die Studie stellt dar, dass das vorgeschlagene Klimaziel 2040 auf optimistischen Annahmen beruht, beispielsweise in Bezug auf die Verfügbarkeit von Technologien, Fachkräften, Rohstoffen und den Mitteln für Investitionen. Wenn diese nicht eintreten, drohen aus Sicht und DIHK und VKU mehr Regulierung, steigende Kosten sowie politische und wirtschaftliche Verwerfungen.
Aus diesem Grund plädieren die beiden Organisationen für mehr Realitätssinn: Es sei kontraproduktiv, langfristige Ziele zu verschärfen, wenn man kurzfristigere nicht erreiche. Der Fokus solle stattdessen darauf liegen, wie das Ziel für 2030 kosteneffizient und wirtschaftlich tragbar angestrebt werden kann.
"Die deutsche Wirtschaft hat beim betrieblichen Klimaschutz schon viel erreicht", kommentiert der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks die Ergebnisse. "Die energieintensive Industrie ist im europäischen Vergleich in den letzten Jahren auf einem markanten CO2-Einsparpfad – allerdings vor allem bedingt durch kostenbedingte Einschränkungen der Produktion."
Die Formulierung immer neuer höherer Klimaziele führe "zu einer tiefen Verunsicherung in der Breite der Wirtschaft", warnt Dercks. “Denn wir sehen schon jetzt, dass beispielsweise die für 2030 formulierten Ziele nur schwer erreichbar sein werden. In vielen Unternehmen vergrößert sich die Sorge, dass die politischen Einsparziele zu noch mehr Regulierungen und weiteren Preiserhöhungen für Energie führen. Dabei sind die Kosten für Strom und Gas bereits heute schon problematisch hoch.”
Wie groß die Verunsicherung der Unternehmen durch die Energiepolitik mittlerweile sei, zeige auch das aktuelle DIHK-Energiewende-Barometer, so der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer: “Während in früheren Jahren viele Unternehmen auch Chancen in der Energiewende für den eigenen Betrieb sahen, überwiegen seit zwei Jahren deutlich die Risiken. Die Politik sollte daher aufpassen, dass nicht ganze Branchen bei den Themen Energiewende und Klimaschutz fast völlig die Zuversicht verlieren. Denn ohne private Investitionen wird die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft nicht gelingen.”
VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing ergänzt: "Es ist wichtig, die Klimaziele möglichst schnell zu erreichen. Aber der Weg zur Klimaneutralität kann nicht beliebig verkürzt werden, insbesondere in 'trägen' Sektoren wie Verkehr und Gebäude." Das zeige sich aktuell bei der Wärmeplanung und dem Ausbau der Fernwärme, bei denen kommunale Unternehmen eine zentrale Rolle spielten.
Liebing: "Deutschland trägt bereits jetzt überproportional zu den rechtsverbindlichen europäischen CO2-Minderungszielen bei. Ein neues EU-Klimaziel von minus 90 Prozent bis 2040 würde das weiter verschärfen." Eine entsprechende Festlegung sei "voreilig und riskant", warnt er. "Der Fokus sollte stattdessen darauf liegen, die 2030-Ziele ('Fit for 55') des EU Green Deal zu erreichen."

EU-Entwaldungsverordnung wird eventuell um ein Jahr verschoben

Der Gültigkeitsbeginn der umstrittenen EU-Entwaldungsverordnung („EUDR“, Verordnung (EU) 2023/1115) wird eventuell von 30. Dezember 2024 auf 30. Dezember 2025 verschoben.
Einen entsprechenden Vorschlag hat die EU-Kommission Anfang Oktober 2024 veröffentlicht. Formal muss dazu Artikel 38 der Verordnung geändert werden, wofür eine Beschlussfassung des EU-Parlaments und des EU-Ministerrats erforderlich ist. Ob die genannten EU-Gremien zustimmen und bis wann dies der Fall sein kann, ist derzeit noch nicht bekannt, vermutlich frühestens im November 2024. Die Chancen für eine Verschiebung dürften jedoch groß sein, da von vielen Seiten kritisiert wird, dass die Verordnung in der Praxis in weiten Teilen nicht umsetzbar ist. Denn sie soll für Holz und weitere Rohstoffe aus allen (!) Staaten der Erde gelten und deren Herkunft soll quasi parzellenscharf ermittelt und dokumentiert werden, was je nach Länge der Lieferkette praktisch unmöglich sein dürfte. Viele Unternehmen (nicht nur Importeure!) müssten detaillierte Daten in eine neue EU-Plattform hochladen, die frühestens im November oder Dezember 2024 freigeschaltet wird. Die Daten dazu werden jedoch auf absehbare Zeit nicht vollständig verfügbar sein, weshalb die EUDR eine immense Bürokratie verursachen wird.

Vorgeschlagene neue Fristen

  • Für große und für mittlere Unternehmen ist eine Verschiebung vom 30. Dezember 2024 auf den 30. Dezember 2025 geplant.
  • Für Kleinst- und kleine Unternehmen ist eine Verschiebung vom 30. Juni 2025 auf den 30. Juni 2026 geplant, wobei diese Sonderregelung schon bisher nicht für Holz und nicht für mittlere Unternehmen gilt.
  • Auch in Artikel 29 schlägt die EU-Kommission eine zeitliche Änderung vor: Sie müsste eigentlich bis 30. Dezember 2024 eine Liste der Staaten veröffentlichen, für die nur ein geringes oder aber ein hohes Risiko gilt. Diese in Arbeit befindliche Liste soll nun bis 30. Juni 2025 vorgelegt werden, was ein Eingeständnis der EU-Kommission darstellt, dass auch sie ihre aktuell geltenden Fristsetzungen nicht einhalten kann. Betroffene Rohstoffe aus Staaten mit künftig geringem Risiko fallen dennoch unter viele Verordnungsbestimmungen (Sorgfaltserklärungen und so weiter), aber nicht unter die Artikel 10 und 11 (Risikobewertung und Risikominderung).

Klarstellung zu Kartonverpackungen und Betriebsanleitungen

Holzverpackungen, die nicht als eigenständige Produkte verkauft werden, sondern andere Erzeugnisse umschließen, fallen nicht unter die EUDR. Unklar war bisher, ob diese Ausnahme auch für Kartonverpackungen sowie Betriebsanleitungen zum Beispiel als Beilage zu gelieferten Maschinen gilt. Dies wird in den neuen Leitlinien der EU nun bejaht; sinnvoller wäre eine Klarstellung direkt in der Verordnung. Die Leitlinien sind online abrufbar, allerdings vorerst nur in englischer Sprache. Auch die FAQ wurden (auf Englisch) erweitert, hier wird voraussichtlich wieder eine Übersetzung durch die BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung) erfolgen.

REACH

Umsetzung neuer Anforderungen des Chemikalienrechts - F-Gase, Biozide und Co.

Das Netzwerk REACH@Baden-Württemberg führt regelmäßig Informationsveranstaltungen zu den Themen REACH und CLP und zu angrenzenden Rechtsgebieten durch. Beim nächsten Termin geht es unter anderem um die Abgabe von Bioziden und die neuen Regelungen zu fluorhaltigen Gasen. Er findet am Mittwoch, 20. November 2024 ab 13.30 Uhr online statt. Den Programmflyer als PDF können Sie über diesen Link herunterladen. Das Anmeldeformular für die Veranstaltung finden Sie hinter diesem Link.

Änderung der CLP-Verordnung verkündet

Neue harmonisierte Einstufungen von bestimmten Chemikalien wurden mit einer Änderung der CLP-Verordnung am 30. September 2024 im EU-Amtsblatt veröffentlicht (CLP: „classification, labeling and classification of chemicals“). Die 20 Seiten umfassende Änderungsverordnung besteht im Wesentlichen aus einer Tabelle, in der die neuen harmonisierten Einstufungen aufgelistet sind, die damit für Unternehmen nach einer rund eineinhalbjährigen Übergangszeit ab 01. Mai 2026 verbindlich sind. Insgesamt wurden harmonisierte Einstufungen und Kennzeichnungen von 45 Stoffen neu in den Anhang VI aufgenommen beziehungsweise existierende Einträge angepasst. In der Zählweise der CLP-Änderungsverordnungen speziell zu deren Anhang VI handelt es sich um die 22. ATP („adaption to technical progress“).

Zwei Ergänzungen der POP-Verordnung veröffentlicht

Im EU-Amtsblatt vom 27. September 2024 wurden zwei Änderungen der Verordnung über persistente organische Schadstoffe EU 2019/1021 („POP-Verordnung“) verkündet. Sie treten jeweils am 17. Oktober 2024 in Kraft. Mit der delegierten EU-Verordnung 2024/2570 wird der Stoff Methoxychlor in die Verordnung aufgenommen, entsprechend der Änderung des Stockholm-Übereinkommens von 2023. „Methoxychlor“ bezieht sich auf jedes mögliche Isomer von Dimethoxydiphenyltrichlorethan oder einer Kombination daraus. Der zulässige Grenzwert für Spuren an Verunreinigungen wird auf den sehr niedrigen Wert von 0,01 mg/kg festgelegt. De facto darf Methoxychlor in Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen, die ab dem 17. Oktober 2024 erstmals in Verkehr gebracht werden, nicht mehr enthalten sein. Zeitgleich wurde die delegierte EU-Verordnung 2024/2555 verkündet, mit der der bestehende Grenzwert für Hexabromcyclodedecan (HBCDD) teilweise um ein Viertel (das heißt von 100 mg/kg auf 75 mg/kg) verringert wird. Nummer 1 des drei Nummern umfassenden Eintrags lautet damit neu wie folgt:
„Für die Zwecke dieses Eintrags gilt Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b für Konzentrationen von Hexabromcyclododecan von höchstens 75 mg/kg (0,0075 Gew.-Prozent), wenn Hexabromcyclododecan in Stoffen, Gemischen, Erzeugnissen oder als Bestandteil der mit Flammschutzmittel behandelten Erzeugnisse vorhanden ist.
Für die Verwendung von recyceltem Polystyrol bei der Herstellung von EPS- und XPS-Isoliermaterial zur Verwendung im Hoch- und Tiefbau gilt Buchstabe b für Konzentrationen von Hexabromcyclododecan von höchstens 100 mg/kg (0,01 Gew.-Prozent).
Die hier unter Nummer 1 festgelegten Ausnahmen werden von der Kommission bis zum 1. Januar 2026 überprüft und bewertet.“ (Ende des Zitats)
Quelle: IHK Südlicher-Oberrhein