NRW-Studie zu Risiken und Abhängigkeiten
Das Lieferkettengesetz
Zum 1. Januar 2023 ist in Deutschland das neue Lieferkettengesetz (LkSG) in Kraft getreten. Es soll gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte vermeiden, dass während den verschiedenen Stationen der Lieferketten der wirtschaftlichen Produktion Menschenrechtsverletzungen stattfinden. Zu diesem Zweck werden in Deutschland tätige Unternehmen einer bestimmten Größe zur Einhaltung einer gewissen Sorgfalt verpflichtet.
- Faktenpapier zum Lieferkettengesetz
- 1. Lieferketten unter Druck – NRW-Studie identifiziert Risiken und Abhängigkeiten der NRW-Wirtschaft
- 2. Geltungsbereich
- 3. Schutz der Menschenrechte
- 4. Pflichten der Unternehmen
- 5. Was geschieht bei Verstößen?
- 6. Das Europäische Lieferkettengesetz
- 7. Praxishilfen: Online-Tools
- 8. Empfohlene Umsetzung
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Faktenpapier zum Lieferkettengesetz
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat ein Faktenpapier veröffentlicht, das über die “Auswirkungen auf Unternehmen in Partnerländern und staatliche Unterstützungsangebote" im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichten-gesetzes informiert.
1. Lieferketten unter Druck – NRW-Studie identifiziert Risiken und Abhängigkeiten der NRW-Wirtschaft
Globale Krisen und die geo- und wirtschaftspolitischen Entwicklungen erschweren das Auslandsgeschäft der nordrhein-westfälischen Wirtschaft – Tendenz steigend. Mit Blick auf die öffentliche Debatte um Deglobalisierungstendenzen und die Sorge einer Deindustrialisierung ermittelt eine aktuelle Studie erstmals die hohe Relevanz der gestiegenen internationalen Risiken und Lieferkettenprobleme für die NRW-Wirtschaft.
Neun von zehn Unternehmen, die aktuell unter Lieferengpässen leiden, gehen davon aus, dass die derzeit bestehenden Störungen in den internationalen Lieferketten auch nach 2023 anhalten werden. Dazu trägt die Energiekrise maßgeblich bei. 29 Prozent der Unternehmen führen ihre Lieferengpässe auf den Ausfall energieintensiv produzierender Zulieferer zurück, so die gemeinsame Studie von IHK NRW und ZENIT GmbH im Rahmen des NRW.Europa.
“Die Studie zeigt: Der Handlungsdruck bei Unternehmen ist groß. Zum einen benötigen wir am Standort NRW, Deutschland und Europa günstigere Rahmenbedingungen, damit Unternehmen weiterhin gewillt sind, in Europa zu investieren. Zum anderen braucht es neue Handelsabkommen und Rohstoffpartnerschaften mit strategisch wichtigen Ländern. Ohne diese wird die Diversifizierung in den Lieferketten nicht möglich sein. Die Politik ist gefragt, schnell zu reagieren, bevor die nächste Krise die Herausforderungen verstärkt“, betont Ralf Stoffels, Präsident von IHK NRW.
Aktuelle Lieferkettenprobleme führen dazu, dass Unternehmen unterschiedliche Maßnahmen ergreifen, um Risiken und Abhängigkeiten entgegenzutreten. So planen zwei von fünf Unternehmen aufgrund des Anwachsens und Anhaltens geopolitischer Konflikte einen Umbau ihrer importseitigen Lieferkette hin zu Bezugsländern, die geografisch näher liegen oder geopolitisch verlässlicher erscheinen.
Hans Stein, Geschäftsführer der ZENIT GmbH betont: “Funktionierende und belastbare Lieferketten sind Lebensadern für kleine und mittlere Unternehmen in komplexen industriellen Zulieferstrukturen. Sie müssen Ansprüchen an Preis, Qualität und Nachhaltigkeit standhalten. Hier kann das Enterprise Europe Network mit seinen vielfältigen Unterstützungsleistungen für internationale B2B-Aktivitäten KMU helfen, sich resilient und zukunftsfähig aufzustellen.
Der Blick auf verschiedene Risikoszenarien in der Studie zeigt, dass die NRW-Wirtschaft erheblich betroffen wäre: Mehr als zwei von drei NRW-Unternehmen erwarten beispielsweise negative Auswirkungen auf ihre Geschäftstätigkeit, sollte es in einem geopolitischen Konfliktszenario zu einem Handelskrieg mit China kommen. Auch die erhobenen Handelsdaten zeigen in diese Richtung.
Jürgen Matthes, Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte beim Institut der deutschen Wirtschaft betont: “Ein solches Szenario wäre gravierend, denn knapp 58 Prozent der kritischen NRW-Importe, also jener Produkte, die nicht ohne Weiteres durch andere Lieferanten ersetzt werden können, stammen aus China. Dagegen liegt Chinas Anteil am NRW-Gesamtimport nur bei 14 Prozent. NRW und Deutschland haben einen langen Weg vor sich bei der Suche nach Alternativmärkten, das gilt vor allem für Elektrotechnikprodukte, bei denen China den Markt in vielen Bereichen dominiert“.
Die Studie mit dem Titel: “Außenhandel zwischen Deglobalisierung und Diversifizierung: Chancen und Herausforderungen für die NRW-Wirtschaft“ untersucht das Risikoumfeld von NRW-Unternehmen im globalen Handel und legt die importseitig kritischen Abhängigkeiten offen. Im Rahmen des Projekts NRW.Europa haben die ZENIT GmbH und IHK NRW e. V. das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), Köln, mit der Erarbeitung dieser Studie beauftragt. Die Studie und eine Zusammenfassung finden Sie hier.
2. Geltungsbereich
Das LkSG gilt ab dem 1. Januar 2023 für Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern in Deutschland. Ab dem 1. Januar 2024 weitet sich der Geltungsbereich auf Unternehmen aus, die wenigstens 1000 Mitarbeiter in Deutschland beschäftigen. Auch kleinere Unternehmen können als Zulieferer mittelbar betroffen sein. Das LkSG gilt auch für Unternehmen, die ihren Hauptsitz nicht in Deutschland haben, jedoch die oben genannten Zahlen von Mitarbeitern in Deutschland beschäftigen.
3. Schutz der Menschenrechte
Durch das LkSG werden Menschenrechte geschützt. Die einzelnen geschützten Menschenrechte sind in § 2 I LkSG aufgelistet:
- Unversehrtheit von Leben und Gesundheit
- Freiheit von Sklaverei und Zwangsarbeit
- Schutz von Kindern und Freiheit von Kinderarbeit
- Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen
- Schutz vor Folter
- Verbot des im jeweiligen Land geltenden Arbeitsschutzes
- Verbot des Vorenthalten eines angemessenen Lohnes; Einhaltung der Mindestlohnregelungen
- Verbot der Ungleichbehandlung und Diskriminierung der Beschäftigten, wobei eine Ungleichbehandlung auch die Zahlung ungleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit umfasst
- Verbot des rechtswidrigen Entzugs von Land, Wäldern und Gewässern bei dem Erwerb, der Bebauung oder anderweitigen Nutzung
- Umweltbezogene Pflichten zum Schutz der menschlichen Gesundheit
- Das Verbot der Ausfuhr gefährlicher Abfälle im Sinne des Basler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle.
4. Pflichten der Unternehmen
Das LkSG legt sogenannte “Sorgfaltspflichten“ fest zur Wahrung von Menschenrechten. Unternehmen müssen nach diesen Sorgfaltspflichten gewisse Vorkehrungen treffen und beachten, welche die Wahrscheinlichkeit von Menschenrechtsverletzungen minimieren.
Im Einzelnen müssen Unternehmen folgende Maßnahmen treffen:
- Eine Grundsatzerklärung zur Wahrung der Menschenrechte verabschieden
- Eine Risikoanalyse durchführen, in der nachteilige Auswirkungen auf Menschenrechte in der eigenen Lieferkette ermittelt werden
- Ein Risikomanagement zur Abwendung potentieller Menschenrechtsbeeinträchtigungen einführen, welches auch konkrete Maßnahmen beinhaltet
- Einen Beschwerdemechanismus einrichten
- Eine Dokumentation und Berichterstattung gewährleisten
Wichtig: Die genannten Maßnahmen werden nicht an ihrem Erfolg gemessen. Die Maßnahmen werden nur insofern von Unternehmen gefordert, wie sie angemessen sind, also dem jeweiligen Unternehmen zumutbar sind. Kriterien sind hier die Art der Geschäftstätigkeit, die Wahrscheinlichkeit der Risiken und die Schwere eines möglichen Schadens. Relevant ist auch, inwiefern ein konkretes Unternehmen überhaupt auf Menschenrechtsverletzungen innerhalb der Lieferkette einwirken kann.
Die Unternehmen haben die oben aufgezählten Maßnahmen nur im Rahmen des Machbaren durchzuführen: Es müssen keine Maßnahmen getroffen werden, die aus rechtlichen (etwa wegen entgegenstehendem ausländischen Recht) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich sind. Auch wird nicht erwartet, dass jede einzelne Menschenrechtsverletzung verhindert werden kann.
Im Falle einer Menschenrechtsverletzung in der Lieferkette muss das Unternehmen unverzüglich Maßnahmen zur Abhilfe ergreifen, die zwingend die Menschenrechtsverletzung beenden. Zudem sind Maßnahmen zur zukünftigen Vorbeugung einzuführen. Sollte eine sofortige Beendigung der Verletzung nicht möglich sein, hat das Unternehmen einen konkreten Plan zur Minimierung und Vermeidung zu erstellen.
5. Was geschieht bei Verstößen?
Das Gesetz sieht eine behördliche Überwachung mit Bußgeldern vor. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wird als zuständige Aufsichtsbehörde benannt und mit umfassenden Kompetenzen ausgestattet. Sofern ein Unternehmen die Zusammenarbeit verweigert, kann die BAFA ein Zwangsgeld von bis zu 50.000 Euro verhängen. Verstößt ein Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig gegen die vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten, so kann die BAFA ein Bußgeld verhängen, dass sich am Gesamtumsatz des Unternehmens orientieren soll (bis zur 8 Mio. Euro oder 2 Prozent des Jahresumsatzes bei Unternehmen mit mehr als 400 Mio. Euro Umsatz). Auch kann das Unternehmen bei einem schweren Verstoß für bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Hier finden Sie weitere Informationen zum nationalen Lieferkettengesetz:
- Fragen und Antworten des Bundesamt für Wirtschaft- und Ausfuhrkontrolle (Stand: 9. Juli 2024)
- Fragen und Antworten des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
- Fragen und Antworten des Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte (zum Beispiel welche Unternehmen und welche Bereiche der Lieferkette betroffen sind, etcetera)
- Fragen und Antworten auf dem CSR-Portal der Bundesregierung
6. Das Europäische Lieferkettengesetz
Die Europäische Kommission hat am 23. Februar 2022 den Entwurf einer Richtlinie über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen (“EU Lieferkettengesetz“) verabschiedet. Dieser geht sowohl im Geltungsbereich als auch hinsichtlich der zu erfüllenden Sorgfaltspflichten deutlich über die nationalen Regelungen hinaus. So sollen bereits Unternehmen ab 500 Beschäftigten und 150 Millionen Euro Jahresumsatz in die Pflicht genommen werden, entlang der gesamten Wertschöpfungskette menschenrechts- und umweltbezogene Risiken zu identifizieren.
Die Vollversammlung der IHK Aachen hat hierzu eine Resolution verabschiedet, in der sie sich insbesondere für die Begrenzung des Anwendungsbereichs auf den direkten Zulieferer ausspricht.
7. Praxishilfen: Online-Tools
- Kostenfreie online Tools des NAP Helpdesk unterstützen Unternehmen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Lieferkette.
- Der CSR Risiko-Check hilft dabei, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken entlang der Wertschöpfungsketten zu erkennen und sich mit der lokalen Menschenrechtssituation sowie Umwelt-, Sozial- und Governancethemen in bestimmten Ländern bekannt zu machen.
- Der KMU Kompass unterstützt insbesondere kleine und mittlere Unternehmen dabei ihre Lieferketten nachhaltig zu gestalten und verbindet dazu Informationen, Arbeitshilfen und Erklärvideos mit interaktiven Tools wie Self-Checks.
- GS1 Germany – Aktuell erhalten Akteure von jedem Kunden unterschiedliche Fragebögen, was zu einem hohen Aufwand führt. Um den Aufwand zu reduzieren und den Austausch zu erleichtern wird ein einheitliches Set an Fragen gemeinsam mit Industrie und Handel entwickelt. Dieses wird zukünftig als offener Standard allen Unternehmen zur Verfügung stehen.
- Chemie³ hat ein schon frühzeitig ein Pilotprojet mit mittelständischen Unternehmen zu “Nachhaltigkeit in Lieferketten“ durchgeführt und einen Leitfaden entwickelt. Dieser Leitfaden mit Stand 2019 bietet einen Überblick über die Grundlagen und eine Anleitung zum stufenweisen Auf- und Ausbau eines pragmatischen Ansatzes für ein nachhaltiges Lieferkettenmanagement. Der Leitfaden ist auf Deutsch und Englisch verfügbar.
- Die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte) bietet zudem ein kostenfreies Beratungsangebot.
8. Empfohlene Umsetzung
Unternehmen ist zu empfehlen, eine Reihe von Schritten zu unternehmen: So sollten die jeweiligen Compliance-Regelungen an das LkSG angepasst werden. Auch sollte die oben genannte Risikoanalyse jeden Teil der Zuliefererkette erfassen sowie den gesamten inneren Geschäftsbereich wie etwa Tochterfirmen. Sollten Menschenrechtsverletzungen festgestellt werden, müssen Präventivmaßnahmen getroffen werden. Dies können etwa sein: Eine Anpassung der jeweiligen Lieferverträge (auch hinsichtlich einer Compliance- oder Schulungsverpflichtung des Lieferanten), regelmäßige Überprüfung dieser Einigungen etwa durch Nachweise sowie die Vereinbarung von Kontrollrechten hinsichtlich der Menschenrechtslage mit Vertragspartnern.
Seit April 2021 steht mit der ISO 37301 (Compliance Management Systeme) eine international zertifizierbare ISO-Norm zur Verfügung, welche von einem Lieferanten zur praktischen Umsetzung dieser Schritte eingefordert werden kann.
Unternehmen sollten auch beachten, dass die ihnen vorwerfbaren Menschenrechtsverletzungen schwerwiegend (etwa Sklaverei, Folter, Kinderarbeit, Umweltzerstörung) und deshalb mit einem erheblichen Reputationsschaden in der Öffentlichkeit verbunden sein können.
Länderspezifische Umsetzungshilfen zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)
Gemeinsames Angebot von Germany Trade & Invest (GTAI), Auswärtigen Amt (AA) und Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK)
Germany Trade & Invest, Auswärtiges Amt (AA) und Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) bieten Unternehmen ein gemeinsames Unterstützungsangebot für die Umsetzung des LkSG zu ausgewählten Ländern, darunter China, Indien, Türkei und Bangladesch. Die länderspezifischen Umsetzungshilfen unterstützen bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken in der Lieferkette. Daneben werden länderspezifische Informationen zu gesetzlichen Grundlagen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen angeboten.
Das LkSG gilt seit dem 1. Januar 2023 und verpflichtet Unternehmen, in Abhängigkeit der Mitarbeiterzahl, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und bestimmte umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Das Gesetz sieht unter anderem die Durchführung jährlicher und anlassbezogener Risikoanalysen sowie die Implementierung von Präventions- und Abhilfemaßnahmen vor.
Unternehmen werden mit dem Angebot unterstützt, ihre Verpflichtung zur Ermittlung, Gewichtung und Priorisierung der Risiken umzusetzen, entsprechend der Handreichung zur Umsetzung von Risikoanalysen nach den Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes des Bundesamtes für Ausfuhrkontrolle (BAFA). Auch Kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die nicht den gesetzlichen Sorgfaltspflichten des LkSG unterliegen, können trotzdem mit den Anforderungen des Gesetzes in Berührung kommen. Dies ist dann der Fall, wenn ein KMU als Zulieferer von Waren und Dienstleistungen für ein anderes Unternehmen fungiert, das LkSG-pflichtig ist.