Lebensmittelrecht: Ein kurzer Überblick

Es gibt eine Vielzahl lebensmittelrechtlich relevanter Vorschriften in Deutschland. Dieses Merkblatt gibt einen Überblick über die wichtigsten Regeln.
Das in der Bundesrepublik geltende Lebensmittelrecht wird nicht nur durch die Gesetze und Rechtsverordnungen des Bundes und der Länder, sondern auch durch Verordnungen und Richtlinien der Europäischen Union bestimmt.
1. Grundsätze des Lebensmittelrechts
  • Grundsatz der Herstellungs- und Vermarktungsfreiheit
    In der Regel bestehen im Lebensmittelrecht keine Zulassungs-, Genehmigungs- oder Anzeigepflichten für Herstellung, Import oder das Inverkehrbringen von Lebensmitteln. Da das Lebensmittelrecht sehr vielfältig ist, wird von diesem Grundsatz jedoch auch abgewichen.
  • Registrierungspflicht
    Für alle Lebensmittelunternehmen besteht gem. Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 die Pflicht sich bei der örtlich zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde registrieren zu lassen. Diese sind bei den jeweiligen Kreis- und Stadtverwaltungen angesiedelt.
  • Ein Lebensmittelunternehmen ist ein Unternehmen, das eine mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführt.
  • Der Behörde ist jede Betriebsstätte zu melden. Dies gilt bereits bei kurzzeitigen Veränderungen im Produktionsablauf, wie beispielsweise der Anmietung einer Lagerhalle für kurzfristige Lebensmittellagerung oder eine Betriebsschließung.
    Ausgenommen hiervon sind Lebensmittelunternehmen, die für den privaten häuslichen Bereich agieren, dort insbesondere Nutzpflanzen anbauen oder Tiere halten, die Lebensmittel liefern. Ferner ausgenommen sind die Abgabe von Primärerzeugnissen in kleinen Mengen an bestimmte Abnehmer, reine Tierhaltungsbetriebe ohne Lebensmittelerzeugung, sowie Lebensmitteltätigkeiten ohne gewisse Kontinuität und einem gewissen Organisationsgrad (z.B. Vereinsfeste).
  • Missbrauchsprinzip
    Grundsätzlich gilt im Lebensmittelrecht „Es ist erlaubt, was nicht verboten ist“. Für bestimmte Bereiche, zum Beispiel für Zusatzstoffe, ist dies jedoch anders - hier gilt ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt („Alles was nicht erlaubt ist, ist verboten“).
  • Warenverkehrsfreiheit
    Die Warenverkehrsfreiheit ist unionsrechtlich verankert (Art. 28 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV]). Danach sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen verboten. Damit verknüpft ist das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung: Jedes Produkt, das in einem EU-Mitgliedsland rechtmäßig in Verkehr gebracht wurde, ist regelmäßig auch in anderen Mitgliedsstaaten verkehrsfähig, selbst wenn es dortigen nationalen Vorschriften nicht entspricht.
2. Allgemeine Vorschriften
Eine zentrale gesetzliche Regelung im deutschen Lebensmittelrecht ist das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) Das LFGB enthält grundlegende Definitionen für das deutsche Lebensmittelrecht. Ferner regelt es den Verkehr mit bestimmten Produktgruppen wie Lebensmitteln, Futtermitteln, Kosmetika und sonstigen Bedarfsgegenständen. Weiterhin regelt es die Zuständigkeit und Durchführung der Lebensmittelüberwachung durch die Aufsichtsbehörden. Schließlich enthält das LFGB auch Vorschriften zu Ausnahmegenehmigungen sowie Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten.
3. Lebensmittelhygiene
Beim Umgang mit Lebensmitteln sind bestimmte Hygieneanforderungen einzuhalten, welche in der Lebensmittelhygiene-Verordnung geregelt sind.
Besonders bedeutend sind folgende Punkte:
  • Lebensmittel dürfen nur so hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht werden, dass sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt sind.
  • Schulung: Mitarbeiter, die Lebensmittel herstellen, behandeln oder helfen, diese in Verkehr zu bringen (in Bezug auf letzteres sind bereits verpackte Lebensmittel ausgenommen), müssen entsprechend geschult sein. Diese Verpflichtungen richten sich an alle Lebensmittelbetriebe und verlangen eine hygienebezogene Schulung sowie einen für den Umgang mit den jeweiligen Lebensmitteln erforderlichen Kenntnisstand. Für den Bereich der leicht verderblichen Lebensmittel werden die Anforderungen an den Inhalt der Schulung konkretisiert.
  • Anforderungen an die Abgabe kleiner Mengen bestimmter Primärerzeugnissen direkt an Verbraucher oder an örtliche Betriebe des Einzelhandels zur unmittelbaren Abgabe an Verbraucher: Kleine Mengen werden definiert für pflanzliche Primärerzeugnisse, Honig, lebende, frische oder zubereitete Fischereierzeugnisse, lebende Muscheln aus eigener Erzeugung, eigenem Fang oder eigener Ernte, zusätzlich für erlegtes Wild und Eier.
4. Zusätze
4.1. Zusatzstoffe
Zusatzstoffe sind Substanzen, die Lebensmitteln zur Beeinflussung ihrer Beschaffenheit oder zur Erzielung bestimmter Eigenschaften oder Wirkungen zugesetzt werden. Zusatzstoffe sind etwa Farbstoffe, Emulgatoren, Trennmittel und Stabilisatoren. Zusatzstoffen gleichgestellt sind z.B. auch Mineralstoffe, Süßstoffe sowie die Vitamine A und D.
  • Eine Bestimmung der zulässigen Zusatzstoffe mit Anwendungs- und Mengenbegrenzungen erfolgt inzwischen auf unionsrechtlicher Ebene und wird in Teilen umgesetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 über Lebensmittelzusatzstoffe:
  • Anhang II der Verordnung enthält die Gemeinschaftsliste, der für die Verwendung in Lebensmitteln zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe und ihre Verwendungsbedingungen
  • Anhang III der Verordnung enthält die Gemeinschaftsliste, der für die Verwendung in Lebensmittelzusatzstoffen, -enzymen und –aromen zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe und ihre Verwendungsbedingungen.
  • Aus der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 ergibt sich die Pflicht zur Kenntlichmachung der Verwendung von Zusatzstoffen
  • Aus der Verordnung (EU) Nr.1169/2011 über die Information von Verbrauchern über Lebensmittel ergeben sich weitere Pflichten zur Information und Kenntlichmachung
  • Reinheitskriterien für Zusatzstoffe und den Zusatzstoffen gleichgestellte Stoffe werden in der Verordnung (EU) Nr. 231/2012 geregelt.
  • Die Durchführung der Lebensmittelzusatzstoffverordnung regelt die EU Verordnung Nr. 234/2011 über ein einheitliches Zulassungsverfahren für Lebensmittelzusatzstoffe, -enzyme und -aromen
4.2. Sonderregelungen
Die grundsätzlich geltenden Verordnungen über Lebensmittelzusatzstoffe werden in bestimmten Kategorien durch Sonderregelungen ergänzt oder modifiziert. Beispielsweise regelt die Lebensmittel für bestimmte Verbrauchergruppen-Verordnung – LMBVV insbesondere Anforderungen an bestimmte Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder.
5. Kontamination, Rückstände und Schadstoffe
5.1. Höchstwerte für Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel
Um ein hohes Verbraucherschutzniveau zu verwirklichen, gelten nach der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 in der gesamten Europäischen Union Vorschriften über Höchstgehalte für Pestizidrückstände in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs. Auf nationaler Ebene wird diese Verordnung ergänzt durch die Rückstands-Höchstmengenverordnung – RhmV, welche teilweise strengere Grenzwerte vorsieht. Lebensmittel, bei denen diese Höchstmengen überschritten werden, sind nach § 9 Abs. 1 LFGB nicht verkehrsfähig.
5.2. Höchstwerte für pharmakologische Stoffe in vom Tier gewonnenen Lebensmitteln
Nach § 10 Abs. 1 LFGB ist es verboten, vom Tier gewonnene Lebensmittel gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen, wenn in oder auf ihnen Stoffe mit pharmakologischer Wirkung oder deren Umwandlungsprodukte vorhanden sind, die bestimmte gesetzlich festgesetzte Höchstmengen überschreiten, die insbesondere im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 37/2010 festgelegt sind.
  • 5.3. Höchstwerte für bestimmte Kontaminanten
Höchstwerte für Kontaminanten in Lebensmitteln werden vor allem von der EU-Kontaminanten-Verordnung (VO (EG) 2023/915) festgelegt. Diese legt Höchstwerte insbesondere für Nitrate, Mykotoxine, Metalle, Dioxine und Melamine für bestimmte Lebensmittel fest.
Die deutsche Kontaminanten-Verordnung geht über die Bestimmungen dieser EU Verordnung hinaus, und erfasst weitere Lebensmittel. Für Lebensmittel, die bereits Gegenstand der Höchstmengenvorschriften in der EUVerordnung sind, werden hier strengere Höchstgehalte festgelegt.
6. Lebensmittelkennzeichnung
Die EU Verordnung Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (LMIV) regelt die Kennzeichnung von Verpackungen, die in Abwesenheit des Konsumenten abgepackt werden. Vorgeschriebene Kennzeichnungselemente sind unter anderem die Verkehrsbezeichnung, die Bezeichnung des Herstellers, Verpackers oder Verkäufers, das Verzeichnis der Zutaten, das Mindesthaltbarkeitsdatum bzw. Verbrauchsdatum. Weiter gibt es eine Kennzeichnungspflicht für allergene Stoffe (siehe Anhang 2). Zudem verpflichtet die Verordnung bei den meisten Lebensmitteln zu einer Nährwertdeklaration. Folgende Angaben sind in Tabellenform bezogen auf 100 Gramm oder 100 Milliliter vorgeschrieben: Brennwert (Energiewert), Fett, gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß und Salz.
Kennzeichnungspflichten gelten auch für unverpackte Lebensmittel oder solche, die erst unmittelbar zum Verkauf verpackt werden, wie sich aus §4 der Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung - LMIDV ergibt.
Zu Letzt ist zu beachten, dass es für bestimmte Lebensmittel weitere Kennzeichnungsanforderungen gibt. Diese beinhalten z.B. die Pflicht zur Kennzeichnung
  • des Herkunftslandes,
  • von Lebensmittelimitaten,
  • bestimmter Fisch- und Fleischerzeugnisse,
  • des Einfrierdatums,
  • der pflanzlichen Herkunft von Fetten und Ölen,
  • koffeinhaltiger Getränke
Alkoholische Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Prozent sind von diesen Vorschriften ausgenommen (Art.16 Abs. 4 LMIV, Art. 41 LMIV).
Weitere Anforderungen zur Lebensmittelkennzeichnung sind in folgenden Verordnungen geregelt und sollten ebenfalls beachtet werden:
  • Los-Kennzeichnungs-Verordnung (LKV) Grundsätzlich müssen alle Verkaufseinheiten, die unter gleichen Bedingungen erzeugt, hergestellt oder verpackt werden durch eine einheitliche Buchstaben- oder Ziffernkombination („Los“) deklariert werden. Sinn dieser Regelung ist es, Rückrufaktionen zu erleichtern.
  • Verordnung (EU) 2018/848 regelt die Grundsätze der ökologischen/biologischen Produktion, die Zertifizierung und die Verwendung von Angaben bei der Kennzeichnung und Werbung, für ökologische/biologische Produktion (Bio-Siegel)
7. Vermarktungsnormen
In Deutschland bestehen u. a. Handelsklassen für Fleisch, Fisch, Eier, Obst und Gemüse: Hierbei handelt es sich zum einen um nach dem Handelsklassengesetz (HdlKlG) erlassene deutsche Bestimmungen, zum anderen um durch Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft festgelegte Vermarktungs- und Qualitätsnormen. Es gibt fakultative Handelsklassen, deren Verwendung freiwillig ist, und obligatorische Handelsklassen. Obligatorische Handelsklassen führen zum Ausschluss derjenigen Produkte vom Warenverkehr, die nicht die Mindestanforderungen erfüllen.
8. Neuartige Lebensmittel („Novel Food“)
„Neuartige“ Lebensmittel, d. h. Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden, regelt die Verordnung (EU) 2015/2283.
9. Produktspezifische Bestimmungen
Darüber hinaus existieren für manche Lebensmittelkategorien wie Wein, Fleisch und sogar Wasser produktspezifische Bestimmungen.
Auf europäischer Ebene gibt es zahlreiche Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse, welche in der Verordnung (EU) Nr.1308/2013 zusammengefasst sind. Diese Verordnung dient der Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation auf europäischer Ebene. Sie legt unter anderem Mindestanforderungen für Produktion und Erzeugnisse fest und regelt Beihilfen in bestimmten Sektoren.
10. Ansprechpartner für Fragen im Lebensmittelrecht
Die komplexe Materie des Lebensmittelrechts wirft viele Fragen auf. In Hessen ist das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, Weinbau, Forsten, Jagd und Heimat als oberste Behörde für die Lebensmittelaufsicht zuständig.
Neben der behördlichen Beratung gibt es eine Reihe von Vereinigungen, die sich mit der Erschließung und Vermittlung des Lebensmittelrechts beschäftigen. Hier sei beispielhaft der Lebensmittelverband Deutschland e. V. (www.lebensmittelverband.de) zu nennen. Ebenfalls zu nennen sind das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (www.bzl.de) sowie das Bundeszentrum für Ernährung (www.bzfe.de)
Ebenfalls bieten die Internetseiten des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ausführliche Informationen zum Thema „sichere Lebensmittel“. Besonders die Übersicht der Regelungen zur Lebensmittelkennzeichnung könnte hilfreich sein.
Hinweis: Das Merkblatt ist eine Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen und möchte einen ersten Überblick zum Lebensmittelrecht bieten. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl das Merkblatt mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.