Basisinformation zum aktualisierten Ausbildungsberuf Industriekaufmann/-frau

Industriekaufmann und Industriekauffrau: Was ist neu ab 2024?

Die Industriekaufleute (IK) genießen unter den dualen Erstausbildungen seit Jahrzehnten ein hohes Renommee. Im vergangenen Jahrzehnt wirkten sich vielfältige wirtschaftliche, technologische und arbeitsorganisatorische Entwicklungen auf das Berufsbild aus. Das nun modernisierte Kompetenzprofil des Berufes greift diese Entwicklungen auf. Es liegt einschließlich des neu beschrieben schulischen Rahmenlehrplans vor und tritt zum 1. August 2024 in Kraft.
Das aktualisierte Berufsbild ist im Kern generalistisch ausgerichtet mit technikoffenen Lernzielbeschreibungen. Denn IKs sind in Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen tätig, die nicht nur Produkte herstellen, sondern auch umfangreiche Dienst- und Serviceleistungen anbieten. Ausgehend vom industriellen Leistungserstellungsprozess gehört folglich das kunden-, geschäftsprozess- und projekt-orientierte Arbeiten zu den breit aufgestellten Kernkompetenzen des Berufes. Im letzten Ausbildungsdrittel werden die betriebswirtschaftlichen Kernkompetenzen durch ein Einsatzgebiet im Umfang von 6 Monaten vertieft. Das zur Auswahl stehende Portfolio an Einsatzgebieten wurde deutlich gestrafft. Die Differenzierung ermöglicht den IKs sowie den ausbildenden Unternehmen eine erste Spezialisierung zum Ausbildungsende.
Ebenfalls umgesetzt werden die neuen Standardberufsbildpositionen, die für alle modernisierten Berufe gelten. Die Novellierung akzentuiert ferner die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung von Geschäftsprozessen ausdrücklich als Bestandteil des künftigen Berufsbildes und konkretisiert sie auf Lernzielebene in Form von fachlichen, methodischen, sozialen sowie personalen Kompetenzen.
Neu eingeführt wird bei den IKs ferner die gestreckte Abschlussprüfung – damit entfällt die bisherige Zwischenprüfung. Die aktualisierten berufsschulischen Lernfelder sind parallel zu den betrieblichen Inhalten abgestimmt. Sie unterstützen den Erwerb fundierten kaufmännischen Fachwissens und fördern vernetztes, analytisches und problemlösendes Denken. Elemente des Projektmanagements werden ebenso aufgegriffen wie auch berufs-, fach- und fremdsprachliche Kompetenzen. Die ganzheitliche und lösungsorientierte Sichtweise auf komplexe Problemstellungen, auch im Kontext der digitalen Arbeits- und Geschäftswelt, ist integrativer Bestandteil aller Lernfelder.
Nach der Modernisierung bleibt der Beruf Industriekaufmann/-frau auch künftig eine starke und bekannte „Premiummarke“ der kaufmännischen Erstausbildung, die für die schnittstellenübergreifend und betriebswirtschaftlich fundierte Qualifikation ihrer Absolventen steht.

Die Eckdaten zum neuen Beruf

Titel:
Industriekaufmann/-frau
Ausbildungsdauer:
3 Jahre (36 Monate)
Aufbau des Berufes:
Monoberuf mit Einsatzgebieten
Betriebliche Ausbildungsinhalte:
Mindestinhalte lt. Ausbildungsrahmenplan
Schulische Ausbildungsinhalte:
13 Lernfelder lt. Rahmenlehrplan der KMK
Abschlussprüfung:
gestreckte Prüfung (bestehend aus Teil 1 und Teil 2)

Welche Inhalte stecken in dem neuen Berufsbild?

Die nachfolgend aufgeführten Inhalte („Berufsbildpositionen“) skizzieren beispielhaft das künftige Tätigkeitsprofil des Ausbildungsberufes. Sie geben einen ersten groben Überblick; ausführlichere Details sind der aktualisierten Ausbildungsordnung (verfügbar ab ca. März 2024) zu entnehmen.

1. Berufsprofilgebende Kompetenzen (Kernqualifikationen)

Leistungserstellung planen und koordinieren, z. B.:
Produkte und Dienstleistungen des Ausbildungsbetriebes beschreiben, Prozesse der Leistungserstellung entlang der Wertschöpfungskette erläutern, Leistungserstellung planen und koordinieren, Kunden- und Lieferanteneinflüsse beachten, Nutzen regelmäßiger Prozessoptimierung beschreiben.
Logistik und Lagerprozesse planen und steuern, z. B.:
Ziele, Aufgaben und Abläufe der Logistikketten erläutern, Logistik- und Lagerkonzepte analysieren und bewerten, produktspezifische Lager- und Transportvorschriften bei der Planung und Steuerung berück-sichtigen und anwenden, Transportträger und -mittel unter ökonomischen, ökologischen sowie sozialen Aspekten beurteilen und auswählen, Zusammenarbeit mit Logistikdienstleistern organisieren, Bestände erfassen, kontrollieren und bewerten.
Beschaffung planen und steuern, z. B.:
Bedarfe für die Leistungserstellung ermitteln, Dispositionen durchführen, Bestellmengen und -termine ermitteln, Lieferantenmanagement nach ökonomischen, ökologischen, rechtlichen und sozialen Gesichtspunkten durchführen, Bestellungen durchführen, Vertragserfüllung überwachen.
Marketingmaßnahmen planen und umsetzen, z. B.:
Leistungsspektrum des Ausbildungsbetriebes in den Markt einordnen, unternehmensspezifische Marketingaktivitäten erläutern, Ergebnisse der Marktbeobachtung und Marktanalyse für die Entwicklung von Marketingmaßnahmen nutzen, Marketingmaßnahmen umsetzen und dabei ökonomische, ökologische und soziale Aspekte berücksichtigen, Wirksamkeit von Marketingmaßnahmen überprüfen sowie Vorschläge für künftige Maßnahmen ableiten.
Vertriebsprozess umsetzen, z. B.:
Preisermittlung, Kalkulationen sowie Angebotserstellung durchführen, Auftragserfassung und Terminkoordination mit Schnittstellenpartnern durchführen, Informationsfluss und Datenqualität sicherstellen, Rechnungen erstellen und nachverfolgen, Reklamationen zu Produkt- und Prozessqualität bearbeiten, Kundenbetreuung sowie Maßnahmen zur Kundenzufriedenheit und -bindung durchführen, Service-, Kundendienst- und Garantieleistungen situations- und kundengerecht organisieren.
Personalprozesse umsetzen, z. B.:
bei der Personalbedarfsermittlung/-einsatzplanung mitwirken, Maßnahmen zur Positionierung der Arbeitgebermarke und zur Personalbindung unterstützen, Stellenausschreibungs- und Personalauswahlprozess durchführen, Einführung neuer Mitarbeitender begleiten, Verträge vorbereiten, Entgeltbestandteile unterscheiden sowie Entgeltbescheinigungen erstellen, Maßnahmen im Rahmen von Qualifikationsmöglichkeiten sowie der betrieblichen Gesundheitsförderung organisieren, bei der Bearbeitung von personalbezogenen Aufgaben betriebsinterne Schnittstellen berücksichtigen, arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen sowie tarifliche Regelungen einhalten.
Kaufmännische Steuerung und Kontrolle durchführen, z. B.:
Geschäftsfälle und -vorgänge prüfen und bewerten, betriebliche Kosten- und Leistungsrechnung an-wenden, Kosten planen, erfassen und überwachen, betriebliche Leistungen bewerten, verrechnen und Maßnahmen zur Zielerreichung vorschlagen, betriebliches Controlling als Informations-, Planungs- und Steuerungsinstrument nutzen, Kennzahlen ermitteln, analysieren und Handlungsoptionen ableiten, Finanzierungsmöglichkeiten und -kosten ermitteln und bewerten, vor- und nachbereitende Tätigkeiten für Geschäftsabschlüsse durchführen.

2. Einsatzgebietsbezogene Kompetenzen

Einsatzgebietsspezifische Lösungen erarbeiten, z. B.:
Informationen für einsatzgebietsspezifische Anforderungen beschaffen, auswerten und nutzen, Arbeitsmethoden und Verfahren anwenden, einsatzgebietsspezifische Aufgaben, Produkte, Dienstleistungen, Funktionen und Prozesse zu den Kernaufgaben des Ausbildungsbetriebes in Beziehung setzen sowie deren Bedeutung, Zusammenhänge und Wechselwirkungen darstellen und bewerten, einsatzgebietsspezifische Aufgaben kennzahlengestützt analysieren, Transfer- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten überprüfen sowie Lösungen erarbeiten, einsatzgebietsspezifische Entscheidungsvorlagen strukturieren, aufbereiten und präsentieren.
Einsatzgebietsspezifische Aufgaben und Prozesse koordinieren, z. B.:
mit internen und externen Partnern einsatzgebietsübergreifend kooperieren und dabei betriebliche Prozessorganisation, Terminvorgaben und Zuständigkeiten beachten, Ressourceneinsatz und Leistungen unter Beachtung wirtschaftlicher und zeitlicher Vorgaben planen, überwachen und steuern, Prozesse des Einsatzgebietes analysieren, Teilprozesse verknüpfen und zur nachhaltigen Weiterentwicklung bei-tragen, betriebliche Qualitätssicherungssysteme/-prozesse anwenden.

3. Standardberufsbildpositionen

Neben den berufsprofigebenden und einsatzgebietsbezogenen Kompetenzen sind weitere, integrativ zu vermittelnde Standardpositionen für die Industriekaufleute vorgesehen:
  1. Organisation des Ausbildungsbetriebes, Berufsbildung sowie Arbeits- und Tarifrecht
  2. Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit
  3. Umweltschutz und Nachhaltigkeit
  4. Digitalisierte Arbeitswelt
  5. Digitale Geschäftsprozesse im Unternehmen gestalten
  6. Zusammenarbeit, Kommunikation und individuelle Arbeitsorganisation gestalten
Hinweis: Die Nummern 1 bis 4 werden als Standard in allen neugeordneten Berufen verankert.
Die Nummern 5 und 6 ergänzen speziell das Berufsbild der Industriekaufleute um zusätzliche integrativ zu vermittelnde Kompetenzen.

Welche Einsatzgebiete stehen zur Auswahl?

Die oben genannten einsatzgebietsbezogenen Kompetenzen sind zu vertiefen in einem der folgenden Einsatzgebiete:
1. Vertrieb
2. Marketing
3. Beschaffung
4. Logistik
5. Personalwirtschaft
6. Leistungserstellung
7. Kaufmännischer Steuerung und Kontrolle
Von der Aufzählung abweichende Einsatzgebiete können festlegt werden, wenn in ihnen die einsatzgebietsbezogenen Kompetenzen vermittelt werden können. Die einsatzgebietsbezogenen Kompetenzen sind im Umfang von 26 Wochen (ca. 6 Monate) im letzten Ausbildungsdrittel zu vermitteln.

Wie verteilen sich die 13 Lernfelder der Berufsschule?

Die zuvor aufgeführten betrieblichen Inhalte werden in Form von 13 schulischen Lernfeldern seitens der Berufsschule ergänzt. Die Lernfelder sind im Rahmenplan der Kultusministerkonferenz (KMK) formuliert und orientieren sich an den betrieblichen Inhalten. Sie sind mit Zeitrichtwerten und detaillierten Kompetenzbeschreibungen unterlegt.
Die Lernfelder dieses Rahmenlehrplanes orientieren sich an typischen Arbeits- und Geschäftsprozessen eines Industrieunternehmens. Die Auftragsabwicklung wird als auslösender Kernprozess im Sinne des Denkens von Kunden und den Märkten her betrachtet, aus dem heraus sich unterstützende Prozesse mit Schnittstellen zu weiteren Kernprozessen auch im Sinne der inner- und außerbetrieblichen Logistikkette ergeben. Die Orientierung an Geschäftsprozessen wird ergänzt durch die Berücksichtigung der vielfältigen Systemverflechtungen zwischen Märkten, Gesamtwirtschaft und Gesellschaft. Aufgrund ihrer Prüfungsrelevanz sind die Lernfelder 1 bis 7 des Rahmenlehrplans vor Teil 1 der Abschlussprüfung zu unterrichten.
Die Förderung berufs- und fachsprachlicher sowie fremdsprachlicher Kompetenzen ist in den Lernfeldern integriert und ist darüber hinaus im berufsübergreifenden Unterricht fortzuführen. In den Lernfeldern werden die Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Ökologie und Soziales), des wirtschaftlichen Denkens, der soziokulturellen Unterschiede und der Inklusion berücksichtigt.
Da die Kultushoheit bei den Ländern liegt, können sich bei der Umsetzung der Rahmenempfehlung länderspezifische Unterschiede ergeben. Einen Überblick über die Lernfelder des schulischen Rahmenlehrplanes erhalten Sie auf der folgenden Seite.

Übersicht über die Lernfelder für den Ausbildungsberuf Industriekaufmann/-frau und Zeitrichtwerte in Unterrichtsstunden

Lernfelder in den Jahren 1 bis 3:
Jahr
(Stunden)
Lernfelder in den Jahren 1 bis 3 (Zeitrichtwert in Unterrichtsstunden):
1
(320)
1. Das Unternehmen vorstellen und die
eigene Rolle mitgestalten
(80 Unterrichtsstunden)
2. Projekte planen und durchführen
(40 Unterrichtsstunden)
3. Kundenaufträge bearbeiten und überwachen
(80 Unterrichtsstunden)
4. Beschaffungsprozesse planen und steuern
(40 Unterrichtsstunden)
5. Wertströme buchhalterisch dokumentieren und auswerten
(80 Unterrichtsstunden)
2
(280)
6. Leistungserstellung planen, steuern und kontrollieren
(80 Unterrichtsstunden)
7. Logistik- und Lagerprozesse koordinieren, umsetzen und überwachen
(40 Unterrichtsstunden)
8. Kosten- und Leistungsrechnung zur Vorbereitung
unternehmerischer Entscheidungen durchführen
(80 Unterrichtsstunden)
9. Marketingkonzepte planen und umsetzen
(80 Unterrichtsstunden)
3
(280)
10. Jahresabschluss vorbereiten, auswerten und für
Finanzierungsentscheidungen nutzen
(80 Unterrichtsstunden)
11. Geschäftsprozesse an gesamtwirtschaftlichen
Rahmenbedingungen ausrichten
(80 Unterrichtsstunden)
12. Personalprozesse planen, steuern und kontrollieren
(80 Unterrichtsstunden)
13. Betriebliche Problemlösungsprozesse innovativ
durchführen
(40 Unterrichtsstunden)
(Summen)
insgesamt 880 Stunden

Wie sieht die gestreckte Abschlussprüfung aus?

Die sogenannte gestreckte Abschlussprüfung besteht aus Teil 1 und Teil 2. Beide Teile bilden als Abschlussprüfung eine Einheit – auch wenn die Prüfungsleistungen an unterschiedlichen Terminen erbracht werden. Teil 1 findet bereits zur Mitte der Ausbildung statt. Die an dieser Stelle bisher übliche Zwischenprüfung entfällt. Teil 2 wird zum Ende der Ausbildung geprüft.
Teil 1:
Leistungserstellung, Logistik, Beschaffung und Buchhaltung:
  • Durchführung im vierten Ausbildungshalbjahr auf Basis der Inhalte der ersten 15 Monate
  • Prüfungszeit 90 Minuten, Gewichtung 25%
  • Praxisbezogene Aufgaben zur schriftlichen Bearbeitung
Teil 2:
Marketing, Vertrieb, Personalwesen und kaufmännische Steuerung und Kontrolle:
  • Durchführung am Ende der Ausbildung, Prüfungszeit 150 Minuten, Gewichtung 35%
  • Praxisbezogene Aufgaben zur schriftlichen Bearbeitung
Wirtschafts- und Sozialkunde:
  • Durchführung am Ende der Ausbildung, Prüfungszeit 60 Minuten, Gewichtung 10%
  • Praxisbezogene Aufgaben zur schriftlichen Bearbeitung allgemeiner wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Zusammenhänge der Berufs- und Arbeitswelt
Fachaufgabe im Einsatzgebiet:
  • Durchführung am Ende der Ausbildung, Gewichtung 30%
  • Berufstypische Fachaufgabe im gewählten Einsatzgebietes in Kombination mit einer Dokumentation, einer Präsentation und einem fallbezogenen Fachgespräch
  • Prüfungsdauer Präsentation und Fachgespräch: 30 Minuten

Die Prüfungsbereiche im Überblick

Prüfungsbereich
Dauer
Prüfungsinstrument
Teil 1 der gestreckten Abschlussprüfung
Leistungserstellung, Logistik, Beschaffung und Buchhaltung
(25% Gewichtung)
90 Min.
Schriftlich zu bearbeitende Aufgaben
Teil 2 der gestreckten Abschlussprüfung
Marketing, Vertrieb, Personalwesen und kfm. Steuerung und Kontrolle
(35% Gewichtung)
150 Min.
Schriftlich zu bearbeitende Aufgaben
Wirtschafts- und Sozialkunde
(10% Gewichtung)
60 Min.
Schriftlich zu bearbeitende Aufgaben
Fachaufgabe im Einsatzgebiet
(30% Gewichtung)
30 Min.
Fachaufgabe inkl. Dokumentation, Präsentation und Fachgespräch

Bestehensregelung

Die Abschlussprüfung ist bestanden, wenn die Prüfungsleistungen wie folgt bewertet worden sind:
  1. im Gesamtergebnis von Teil 1 und Teil 2 mit mindestens „ausreichend“,
  2. im Ergebnis von Teil 2 mit mindestens „ausreichend“,
  3. in mindestens zwei weiteren Prüfungsbereichen von Teil 2 mit mindestens „ausreichend“ und
  4. in keinem Prüfungsbereich von Teil 2 mit „ungenügend“.

Wo bekomme ich weitere Informationen und Beratung zu der Ausbildung?

Bei weiteren Fragen rund um den modernisierten Beruf sowie zu den Ausbildungsvoraussetzungen steht Ihnen Ihre IHK Wiesbaden gerne zur Verfügung.