Standortpolitik
IHK-Standortumfrage: Firmen geben Region gutes Zeugnis, Handlungsbedarfe bleiben bestehen
Die aktuelle Standortumfrage der IHK Ulm in Zusammenarbeit mit dem EWAS-Institut bestätigt, dass sich die meisten Unternehmen mit ihrer Region eng verbunden fühlen und mit dem hiesigen Standort auch zufrieden sind. Dabei sind weiche Standortfaktoren das Plus der Region.
Ein positives Gesamtergebnis vorweg: Die an der Umfrage teilnehmenden 1.204 IHK-Mitgliedsunternehmen geben der IHK-Region Ulm als Wirtschaftsstandort in Schulnoten – wie schon bei der letzten IHK-Standortumfrage 2017 - die ausgezeichnete Gesamtnote „2,0“. Gestützt wird diese hohe Zufriedenheit der Betriebe mit ihrem Standort durch das Expansionsverhalten. Von allen Unternehmen, die in den vergangenen fünf Jahren flächenmäßig expandiert haben, taten das 63 Prozent ausschließlich in der IHK-Region Ulm und 21 Prozent inner- und außerhalb der Region. Und: Diese große Verbundenheit zur Region dürfte sich in den nächsten Jahren kaum abschwächen. Denn von allen Betrieben mit Erweiterungsplänen wollen 82 Prozent innerhalb der IHK-Region Ulm investieren.
„Die Gesamtnote „Gut“ und die große Standorttreue der Unternehmen darf jedoch nicht dazu führen, die Hände in den Schoß zu legen. Denn die Umfrage zeigt nicht nur Stärken, sondern auch klare Handlungsfelder“, sagt IHK-Präsident Dr. Jan Stefan Roell.
Handlungsfelder sind diejenigen, die bei den Mitgliedsunternehmen eine hohe Wichtigkeit haben und gleichzeitig große Unzufriedenheit besteht.
„Dabei bleiben die bereits 2017 aufgezeigten Handlungsfelder aus Unternehmenssicht größtenteils auch 2022 bestehen, wie die digitale Infrastruktur, also die Netzabdeckung mit Mobilfunk sowie Breitband, die Verfügbarkeit von beruflich qualifizierten Fachkräften und Wohnraum sowie die Bearbeitungsdauer von Verfahren. Und damit wichtige Zukunftsthemen“, ergänzt Roell.
Das bedeutet allerdings nicht zwingend, dass die regionalen Akteure untätig waren.
TOP-Handlungsfelder: Mobilfunk und Breitband
Wichtigste Handlungsfelder aller 32 Standortfaktoren betreffen nach wie vor die digitale Infrastruktur - Mobilfunk-Netzabdeckung sowie Breitbandversorgung. Offensichtlich konnten die vielerorts getätigten Ausbaumaßnahmen in den letzten Jahren nicht mit den steigenden Bedarfen der Unternehmen Schritt halten.
„Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung in fast allen Lebenslagen sind unsere Unternehmen auf eine zukunftsfähige digitale Infrastruktur immer mehr angewiesen. In der Region gibt es zahlreiche Initiativen, die wir sehr begrüßen. Ziel muss dabei sein, unterversorgte Gebiete so schnell wie möglich anzubinden. Breitband und ein 5G-Mobilfunknetz ohne Funklöcher gehören zur Basisinfrastruktur des 21. Jahrhunderts“, so Marco Bühler, Vorsitzender des Ausschusses Digitalisierung der IHK Ulm.
Déjà-vu: Fachkräfte und Wohnraum bleiben Dauerbrenner
Kaum weniger wichtiges Handlungsfeld ist der Mangel an beruflich qualifizierten Fachkräften (Rang 3).
„Sowohl unsere Konjunkturumfragen als auch unser IHK-Fachkräftemonitor zeigen seit Jahren auf, dass sich die Arbeitskräfte- und Fachkräfteverfügbarkeit von Jahr zu Jahr dramatisch verschlechtern wird. Sorge bereitet unseren Unternehmen aktuell in erster Linie der Mangel an beruflich ausgebildeten Fachkräften“, sagt Petra Engstler-Karrasch, Hauptgeschäftsführerin der IHK Ulm.
Nach dem IHK-Fachkräftemonitor fehlen in der IHK-Region Ulm zwischen 2022 und 2035 durchschnittlich pro Jahr mehr als 22.000 Fachkräfte, darunter zu 91 Prozent beruflich qualifizierte und zu neun Prozent akademische Fachkräfte.
Gegenüber 2017 hat sich auch der Handlungsdruck beim Standortfaktor Verfügbarkeit von Wohnraum (Rang 4) weiter erhöht.
„Der Mangel an geeignetem Wohnraum ist ein ernst zu nehmendes Problem gerade auch im Hinblick auf die Fachkräftesituation. Neben sinnvoller Nachverdichtung führt daher kein Weg an der weiteren Ausweisung neuer Baugebiete vorbei“, so Engstler-Karrasch.
Auch die Verfügbarkeit geeigneter Gewerbeflächen bleibt ein wichtiges Handlungsfeld. Denn für Unternehmen, die in den kommenden Jahren in der Region expandieren wollen, sind geeignete Gewerbeflächen von großer Wichtigkeit.
„Wenn es nicht gelingt, Gewerbeflächen in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen, werden diese erfolgreichen Unternehmen gezwungen sein, außerhalb der Region zu investieren. Erhebliches Wachstumspotenzial ginge somit verloren“, ergänzt die IHK-Hauptgeschäftsführerin.
Dauer von Verwaltungsverfahren als Hemmschuh
Auf Rang 5 der TOP-Handlungsfelder liegt die Bearbeitungsdauer von Verwaltungsverfahren. Aus Sicht vieler Unternehmen haben die überbordende Bürokratie und stetig steigende Vorgaben ein Niveau erreicht, das sich nicht nur lähmend auf einzelne Betriebe auswirkt, sondern auch hohen zeitlichen Aufwand und damit Kosten verursacht.
„Auch Energiewende und notwendige Investitionen werden dadurch unnötig und deutlich verzögert. Wir brauchen daher dringender denn je verschlankte Planungs- und Genehmigungsverfahren. So sind u.a. Anpassungen im materiellen Recht wie im Naturschutz überfällig, denn für Rechtssicherheit sind exakte Vorgaben wichtig“, sagt Roell.
Stromversorgungssicherheit von großer Bedeutung
Aus Sicht der Unternehmen ist eine unterbrechungsfreie und ausreichende Stromversorgung ein entscheidender Standortfaktor. Gerade im internationalen Vergleich war der Standort Deutschland hier über einen sehr langen Zeitraum vorbildlich. Auch die IHK-Standortumfrage liefert erneut hohe Zufriedenheitswerte. Allerdings waren zum maßgeblichen Erhebungszeitraum die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auch noch nicht bekannt bzw. vorhersehbar.
„Die Zufriedenheitswerte würden heute mit großer Sicherheit wesentlich geringer ausfallen. Was sich aber nicht geändert hat, ist die hohe Bedeutung des Themas Versorgungssicherheit. Daher sollten zur Absicherung der Energieversorgung vor dem aktuellen geopolitischen Hintergrund alle Optionen grundlastfähiger Energiebereitstellung in Betracht gezogen werden. Neben dieser kurzfristigen Sicherung der Stromversorgung hinaus, ist ein zügiger Netzausbau, ein beschleunigter Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie Konzepte für die notwendige Grundlast im Netz notwendig. Gerade für einen Produktionsstandort wie unseren müssen die Energiepreise bezahlbar sein“, so Johannes Remmele, Vorsitzender des Energieausschusses der IHK Ulm.
Überregionale Straßenanbindung als Pluspunkt
Dank merklich verbesserter Zufriedenheitswerte ist die überregionale Erreichbarkeit über die Straße in die Liga der fünf größten Stärken aufgestiegen. 2017 wurde dieser Standortfaktor noch eher mäßig bewertetet. Deutlich zufriedener als 2017 sind aktuell vor allem die Unternehmen mit Sitz in Nähe der überregionalen Verkehrsachsen. Hier dürfte u.a. der sechsspurige Ausbau der Autobahn A 8 oder der Ausbau der B 10 in Neu-Ulm eine Rolle spielen.
„Trotz der gestiegenen Zufriedenheit darf aber vor allem der ländliche Raum unsere Region nicht vernachlässigt werden. Die Politik muss für die notwendigen Planungskapazitäten in den Straßenbauverwaltungen sorgen. Nur dann können wichtige Projekte wie die Ortsumfahrungen der B 312, B 10 oder B 311 auch zügig umgesetzt werden“, sagt Harald Seifert, Vorsitzender des IHK-Ausschusses für Verkehr und Logistik.
Weitere Stärken: Sicherheit, Medizinische Versorgung und Einkaufsmöglichkeiten
Zu den weiteren Stärken der IHK-Region Ulm zählen die allgemeine Sicherheit, die medizinische Versorgung sowie die Einkaufsmöglichkeiten. Während die Sicherheit in allen Städten und Gemeinden mit geringen Unterschieden positiv bewertet wird, ist das Gefälle zwischen Städten und den Kommunen im ländlichem Raum bei der medizinischen Versorgung sowie bei den Einkaufsmöglichkeiten deutlich ausgeprägter.
Hintergrundinformationen zur Studie
Der IHK Ulm ist es wichtig, in regelmäßigen Abständen (alle 5 Jahre) zu ermitteln, wie die Mitgliedsunternehmen konkret über einzelne Standortfaktoren denken, um so einen konstruktiven Beitrag in die Diskussion um Verbesserungen des Standorts allgemein einzubringen.
Die nunmehr vierte Umfrage zur Standortzufriedenheit der IHK Ulm fand Mitte Februar bis Ende April 2022 statt und wurde in Zusammenarbeit mit dem EWAS-Institut (Hannover) durchgeführt. Durch die zeitgleiche Befragung der IHK Bodensee-Oberschwaben und der IHK Reutlingen für den Regierungsbezirk Tübingen liegen rund 4.340 Unternehmensantworten vor. In der IHK-Region Ulm haben von 10.207 Betrieben 1.205 geantwortet. Die Firmen konnten zu 32 Standortfaktoren aus den Bereichen Infrastruktur und Verkehr, Fachkräfte und Bildung sowie Attraktivität der Stadt / Gemeinde sowie Verwaltung / Kommunalpolitik individuelle Bedeutung und Zufriedenheit bewerten. Es liegen repräsentative Ergebnisse für die neun Stadt- und Landkreise des Regierungsbezirkes Tübingen sowie insgesamt 41 Kommunen vor.