Standortpolitik

Trotz schwächelnder Konjunktur bleiben Fachkräfte knapp

Die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen, die schwächelnde Weltwirtschaft, international nicht wettbewerbsfähige Energiepreise sowie fehlende klare Vorgaben seitens der deutschen Wirtschaftspolitik sorgen für eine zunehmende Verunsicherung in der hiesigen Wirtschaft. Hinzu kommt eine entgegen aller Beteuerungen stetig zunehmende Bürokratie, die Unternehmen lähmt. In der Folge halten sich viele Unternehmenzunehmend mit Neueinstellungen zurück, selbst ein Personalabbau wird von vielen Unternehmen nicht mehr ausgeschlossen. Zwar bleibt die IHK-Region Ulm weiterhin die IHK-Region mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit in Deutschland, die Arbeitslosenquote nimmt jedoch zu.
Trotzdem bleibt der Markt für Fachkräfte angesprannt. Im Herbst 2024 haben 56 Prozent der Unternehmen im Rahmen der IHK-Konjunkturumfrage angegeben, offene Stellen zu haben, für die sie kein passendes Personal finden. Vor allem Fachkräfte mit einer abgeschlossenen betrieblichen Ausbildung sind knapp. 82 Prozent der Betriebe mit Stellenbesetzungsproblemen suchen zum Teil vergeblich nach beruflich qualifiziertem Personal, 37 Prozent nach weitergebildeten Fachleuten und 32 Prozent nach Akademikern. Ein Viertel der Unternehmen kann nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. Gut jeder zweite Betriebe sieht deshalb im Fachkräftemangel ein Risiko für die eigene geschäftliche Entwicklung.
Das Fachkräfteangebot wird bis 2035 demografiebedingt um über 25 Prozent schrumpfen. Laut der aktuellen Prognose des IHK-Fachkräftemonitors fehlen den Unternehmen aus der IHK-Region Ulm im Schnitt der nächsten 12 Jahre 23.600 (hoch)qualifizierte Arbeitskräfte. Jede zehnte Stelle bleibt vakant. Die Personalengpässe drohen somit zu einer veritablen Expansions- und Innovationsbremse zu werden. Gut jeder zweite Betrieb befürchtet einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Drei von zehn Unternehmen sehen ihre Innovationsfähigkeit in Gefahr.
Dabei steigen die Engpässe demografiebedingt in den kommenden Jahren weiter an. Weder der ausgebildete Nachwuchs, noch Personen aus der stillen Reserve, also erwerbsfähige, aber nicht erwerbstätige Menschen, noch Teilzeit-Fachkräfte durch eine Aufstockung ihrer wöchentlichen Arbeitszeiten werden die Lücke schließen können.
Dieser Trend trifft insbesondere den Bereich aus- und weitergebildeter Fachkräfte. Zwar sind gerade Akademiker in der Wirtschaft 4.0 verstärkt gefragt, durch die steigende Zahl an Hochschulabsolventen stehen aber auch mehr Akademiker zur Verfügung. Letztlich wird der Mangel an Akademikern im Schnitt der kommenden 12 Jahre bei knapp 2.100 Personen liegen. Knapp 39 Prozent davon sind Ingenieure.

Vor allem beruflich qualifizierte Fachkräfte fehlen

Damit ist der Großteil des Fachkräftemangels auf die beruflich qualifizierten – also nicht-akademischen - Fachkräfte zurückzuführen. Rund 7.300 Personen fehlen im Bereich der beruflich fortgebildeten Fachkräfte: Diese umfassen Techniker, Meister sowie Fach- und Betriebswirte. Auch hier führt die Wirtschaft 4.0 zu einer steigenden Nachfrage von Seiten der Unternehmen. Zudem fehlen gut 14.200 Personen, die eine berufliche Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben.
In den kommenden Jahren werden die Fachkräfte nicht nur knapper, sondern auch älter. Bis zum Jahr 2035 wird ihr Durchschnittsalter von derzeit gut knapp unter 45,3 Jahren auf 49,5 Jahre ansteigen. Die Betriebe müssen daher mit einer alternden Belegschaft innovativ und wettbewerbsfähig bleiben. Damit das gelingt, gilt es, das geringere Arbeitskräftepotenzial noch besser auszuschöpfen.
Die hiesige Wirtschaft stellt sich diesen Herausforderungen: Um sich im Wettbewerb um die knappen Fachkräfte behaupten zu könne, will jedes zweite Unternehmen seine Arbeitgeberattraktivität verbessern. 46 Prozent wollen ihren Bedarf an Fachkräften durch Rationalisierung, Automatisierung und Digitalisierung reduzieren. Mehr Ausbildung (44 Prozent), mehr Weiterbildung (38 Prozent)die Einstellung ausländischer Fachleute (35 Prozent) sowie die Einstellung und Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Optimierung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie (jeweils 33 Prozent) sind weitere Strategien (IHK Umfrage zu betrieblichen Beschäftigungsplänen im Herbst 2023). Ein Teil der Unternehmen befürchtet jedoch, dass diese Maßnahmen allein nicht reichen werden. Jedes siebte Unternehmen zieht die die Verlagerung von Teilen der Wertschöpfungskette ins Ausland in Betracht, jeder achte Betrieb wird weniger im Inland investieren.
Die IHK Ulm unterstützt ihre Betriebe seit Jahren mit verschiedenen Projekten und Angeboten: Zum Beispiel, indem sie das Interesse von Kindern und Jugendlichen an Naturwissenschaft und Technik wecken will, die Berufsorientierung verbessert, die erfolgreiche Ausbildung sichert, ein demografiebewusstes Personalmanagement und das betriebliche Gesundheitsmanagement in Unternehmen fokussiert sowie beim Finden von Fachkräften aus dem Ausland und der Integration von Flüchtlingen unterstützt. Auch für Studienabbrecher, die mit einer dualen Ausbildung neu starten möchten, hat die IHK ein Angebot.
Die Unternehmen aus der Region wünschen von der Politik zudem eine Verbesserung der Rahmenbedingungen, um die Fachkräftesicherung zu erleichtern. Drei von vier Betreiben fordern einen Bürokratieabbau, 44 Prozent eine Flexibilisierung der gesetzlichen Arbeitzeiten, jeweils 37 Prozent einen Abbau der Anreize zum vorzeitigen Renteneintritt sowie eine besssere Qualifizierung und Vermittlung von Arbeitslosen, 36 Prozent eine Stärkung der beruflichen Bildung und ein Drittel die Erleichterung der Einstellung ausländischer Fachkräfte. Das hat die IHK Umfrage zu betrieblichen Beschäftigungsplänen im Herbst 2024 ergeben.