Standortpolitik

Industriestrategie 2030: Turbo oder Bremse?

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat mit seinem kürzlich veröffentlichten Beitrag zu einer Nationalen Industriestrategie eine wichtige Debatte zur Zukunft des Industriestandortes Deutschland entfacht. Der Wettbewerb mit Staaten, die verstärkt auf Protektionismus und Subventionen setzen, steigende Anforderungen durch die Digitalisierung und der demografische Wandel stellen die hiesigen Unternehmen vor neue Herausforderungen. Die Diskussion über eine zukünftige Industriepolitik für Deutschland und Europa kommt also zum richtigen Zeitpunkt.
Noch läuft es in der Industrie rund
Der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung soll nach Vorstellungen des Bundeswirtschaftsministers bis 2030 in Deutschland auf 25 Prozent steigen – in der EU auf 20 Prozent. Hierzulande erwirtschaftet die Industrie aktuell gut 23 Prozent – deutlich mehr als Frankreich mit 11 Prozent oder UK mit 10 Prozent. Allerdings ist das kein Selbstläufer – so auch das Ergebnis der aktuellen DIHK-Konjunkturumfrage: Die Geschäftserwartungen der Industrieunternehmen haben sich zu Jahresbeginn deutlich eingetrübt und liegen nur noch knapp über dem langjährigen Durchschnitt. Sorgen bereiten nicht nur globale Unsicherheiten wie der Handelsstreit zwischen den USA und China, sondern auch die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Dazu gehören vor allem hohe Energiepreise sowie steigende Bürokratie- und Steuerlasten. Hier zeigen sich Ansatzpunkte für eine lösungsorientierte Industriepolitik: Standortfaktoren verbessern und einen fairen Wettbewerb sicherstellen.
„Picking Winners“ bremst eher
Die Industrie-Strategie zielt darauf ab, strategisch wichtige Bereiche zu schützen und innovative Technologien zukünftig stärker zu fördern. Dazu zählt zum Beispiel die Automobilindustrie. Um die Wertschöpfungskette in dieser Branche auszubauen, stellt der Bundeswirtschaftsminister interessierten Konsortien eine Milliarde Euro zur Produktion einer eigenen Batteriezellfertigung in Aussicht. Eine solche Industriepolitik, die förderwürdige industrielle Schlüsselbereiche definiert, trifft damit eine gewagte Auswahlentscheidung. Am Ende entscheiden aber die Käufer weltweit, welche Produkte am Markt erfolgreich sind. Auch der Schutz bestimmter Technologien lässt außer Acht, dass sich diese dann weniger intensiv im Wettbewerb behaupten müssen. Kurzum: Der Staat sollte vielmehr seine Gestaltungsmöglichkeiten nutzen und Standortfaktoren verbessern, von denen alle Unternehmen profitieren. Dazu gehören vor allem eine leistungsfähige digitale Infrastruktur, bezahlbare und sichere Energieversorgung, ein wettbewerbsfähiges Steuersystem, bürokratische Entlastungen sowie die öffentliche Förderung von Forschung und Innovationen.
Europäische Champions als Beschleuniger?
Die im Zuge der Digitalisierung entstehenden Geschäftsmodelle können schnell auf andere Märkte übertragen werden. So begünstigen sie das Entstehen von wenigen großen Unternehmen mit globaler Reichweite. Hinzu kommt, dass anderswo durch eine strategische Industriepolitik aktionsfähige Wettbewerber entstehen, die als Schwergewichte Märkte dominieren können. Größe bedeutet allerdings nicht automatisch mehr Wettbewerbsfähigkeit – das zeigen hierzulande unsere vielen „Hidden Champions“. Damit deutsche und europäische Unternehmen im globalen Markt bestehen können, setzt sich der Wirtschaftsminister richtigerweise dafür ein, das Wettbewerbsrecht anzupassen. Darüber werden die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel am 21./22. März diskutieren. Aus Sicht der Wirtschaft sollte dieses Treffen den Startschuss geben, die bisherigen Regeln des Wettbewerbsrechtes auf den Prüfstand zu stellen und sie so zu gestalten, dass gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen hergestellt werden. Allerdings ist das Wettbewerbsrecht nicht das probate Instrument, um Europäische Champions zu schaffen. Diese beruhen vor allem auf dem Erfolg unternehmerischer Initiativen, die sich auf gute Rahmenbedingungen verlassen können.
Quelle: DIHK