Großbritanniengeschäft heute

Brexit-Update

Das Vereinigte Königreich ist offiziell seit dem 31. Januar 2020 nicht mehr in der Europäischen Union. Das Handels- und Kooperationsabkommen (Trade and Cooperation Agreement – TCA) regelt das Geschäft ab der EU-Außengrenze. Zölle und mengenmäßige Beschränkungen fallen bei Ursprungswaren nicht an. Dafür gibt es jede Menge nicht-tarifäre Barrieren. Im Folgenden greifen wir einige Aspekte zum Geschäft mit Großbritannien heraus.

Was gilt für den Warenverkehr?

Die EU kontrolliert seit Januar 2021 die Waren aus Großbritannien. Umgekehrt wird der britische Zoll voraussichtlich bis Ende 2023  seine Zollkontrollen endgültig umsetzen.
Transportunternehmen und Spediteure müssen in der britischen IT-Plattform GVMS – Goods Vehicle Movement Service – registriert sein. Über GVMS erfolgt die Zollabwicklung. Je nachdem, welcher Hafen in Großbritannien angesteuert wird, wird die Fracht entweder nach Pre-lodgement oder Temporary storage-Verfahren eingeführt wird. An welchen Häfen das GVMS zum Einsatz kommt, können Sie über die Internetseite der britischen Regierung prüfen.

Hinweis:
Auch vorübergehende Ein- und Wiederausfuhren mit Carnet ATA erfordern eine Anmeldung im GVMS. Die Carnet ATA-Nummer muss in das Feld „Declaration Reference“ der GVMS-Meldung eingetragen werden. Achtung: Das GVMS ist auch bei Leerfahrten ausgefüllt abzugeben.

Über die Hotline für Zoll und internationalen Handel im Vereinigten Königreich können Fragen zu GVMS geklärt werden: Telefon: +44 (0)300 322 9434.

Wie sieht es mit der Umsatzsteuer aus?

Das Vereinigte Königreich ist für umsatzsteuerliche Zwecke Drittlandsgebiet. Nordirland ausgenommen – im Austrittsabkommen wurde ein besonderer Status hinsichtlich des Warenverkehrs vereinbart. Für deutsche Online-Händler oder Online-Marktplätze ändert sich umsatzsteuerlich betrachtet einiges. Hinweis: Bei der Erbringung von Dienstleistungen sind für das gesamte Vereinigte Königreich die Regeln für Drittländer anzuwenden.
IHK-Tipp: Informationen zur Umsatzsteuer seit dem Brexit stellt die Auslandshandelskammer Großbritannien auf der Internetseite bereit. 

Rechtliche Standards seit dem Brexit

Damit britische Firmen gegenüber EU-Unternehmen keinen unfairen Vorteil auf dem EU-Markt haben, müssen sie ähnliche Vorgaben zum Beispiel bei Umweltschutz und Arbeitsrechten einhalten. Was das Abkommen zu rechtlichen Standards beinhaltet, finden Sie in den Artikel von der IHK Stuttgart zum Brexit-Handelsabkommen.

Produktzulassung und Kennzeichnung

Das Austrittsabkommen enthält keine gegenseitige Zertifizierung der Warenstandards. Eine britische Prüfanstalt kann daher ein Produkt für Großbritannien zulassen, nicht aber für den Verkauf im EU-Gebiet. Der Hersteller muss dafür von EU-Institutionen eine zweite Zulassung einholen. In Großbritannien gilt seit 2021 die Kennzeichnung UKCA (United Kingdom Conformity Assessed) für viele Produkte. 
IHK-Tipp: Die Auslandshandelskammer in London hat zur Produktkennzeichnung sehr gute Informationen auf der FAQ-Brexit-Webseite zur Verfügung gestellt. 
Frist verlängert – UKCA-Label in Großbritannien erst ab 2025 erforderlich:
In der EU müssen viele Produkte eine CE-Kennzeichnung tragen – das Pendant in Großbritannien ist das UKCA-Label. Bis 31. Dezember 2024 ist die CE-Kennzeichnung in Großbritannien gültig - sofern EU- und GB-Anforderungen übereinstimmen. Ab 2025 darf nur noch das UKCA-Kennzeichen verwendet werden. 
Sonderfall Medizinprodukte
Bis 30. Juni 2024 dürfen CE-gekennzeichnete Medizinprodukte auf den britischen Markt in Verkehr gebracht werden. Ab Juli 2024 ist die UKCA-Kennzeichnung erforderlich. 
Kennzeichnung mit dem UKCA-Label
Das UKCA-Kennzeichen kann auf dem Produkt, Begleitdokumenten (für den Endverbraucher) oder Aufkleber/Etiketten angebracht werden. Ab 2028 ist das Label nur noch auf dem Produkt zulässig.
Kennzeichnung mit den Kontaktdaten des Importeurs/Importers
Der Importeur bringt die Ware zum ersten Mal in Verkehr in Großbritannien. Als Schnittstelle zu den Behörden spielt er eine besondere Rolle. Mit dieser Importeur-Rolle kann eine Person oder Unternehmen mit Sitz in Großbritannien beauftragt werden. Der Name und die Anschrift müssen auf dem Produkt, Begleitdokumenten oder Aufkleber/Etiketten angebracht werden. Ab 2028 sind die Kontaktdaten des Importeur nur noch auf dem Produkt zulässig. 
 
Wichtig: Abgleich von EU- und UK-Standards und Normen
Die harmonisierten EU-Standards wurden von der britischen Regierung in UK designated Standards umgewandelt. Ob diese immer noch übereinstimmen, muss von den Unternehmen regelmäßig geprüft werden. So wird die EU-Maschinenrichtlinie 2006/42/EU von der „EU-Verordnung über Maschinenprodukte“ abgelöst werden. Die Inhalte der neuen EU-Verordnung finden Sie im Artikel „CE-Kennzeichnung – Leitfaden der neuen EU-Maschinenverordnung“ der baden-württembergischen IHKs.
Anerkennung von EU-Prüfzertifikaten
Hersteller, die eine CE-Konformitätsbewertung bis Dezember 2024 für ihr Produkt durchführen lassen, können das UKCA-Zeichen auf diesen bereits EU-zertifizierten Produkten anbringen. Sie müssen dafür keine britische Prüfstelle (UK Approved Body) mit der Konformitätsbewertung beauftragen. Erst nach Ablauf des Zertifikats beziehungsweise maximal Ende 2027 ist das erforderlich. 
Was gilt für Ersatzteile?
Wenn Ersatzteile denselben Anforderungen entsprechen, die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens der ursprünglichen Produkte galten, können sie für Reparatur, Austausch oder Wartung eingesetzt werden.

Checkliste für rechtliche Fragen

Der Brexit hat sich auf bestehende und neu abzuschließende Verträge ausgewirkt. Betroffen waren der Gerichtsstand und das anwendbare Recht in Verträgen ebenso wie vertragstypspezifische Fragestellungen zu Kauf- und Lieferverträgen oder Handelsvertreterverträgen.
  • Prüfen Sie Ihre Verträge auf einen Bezug zum Vereinigten Königreich, insbesondere Lieferverträge.
  • Prüfen Sie, ob Sie offene Forderungen gegen Schuldner im Vereinigten Königreich halten.
  • Prüfen Sie, ob Sie EU-Marken registriert haben und leiten Sie die Registrierung einer diesbezüglichen britischen Marke ein.
  • Haben Sie einen Webshop, so prüfen Sie insbesondere, ob Datenschutzerklärung, Widerrufsbelehrung und Impressum den aktuellen Anforderungen entsprechen.
  • Die Mitarbeiterentsendung ist nur noch mit höheren Bürokratiehürden möglich. Dienstreisen von mehr als 90 Tagen müssen rechtlich sauber geprüft werden.
  • Prüfen Sie, ob Ihre Produkte eine CE-Kennzeichnung haben/erfordern. 

Exkurs: Datenschutz

Der Brexit hat Folgen für die Übertragung personenbezogener Daten nach Großbritannien.
Rechtliche Auswirkungen des Brexit auf das internationale Handelsgeschäft finden Sie in unserem Artikel „Q & A zu Recht, Entsendungen und Verträgen“.

Ausblick nach dem Brexit

Im Jahr zwei nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus dem europäischen Binnenmarkt bewerten die deutschen  Unternehmen die Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehungen als überwiegend negativ. Das zeigt eine Sonderauswertung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) im Rahmen der bundesweiten IHK-Umfrage "Going International 2022".
Für die Erhebung waren Anfang Februar – also vor dem russischen Angriff in der Ukraine – knapp 1.500 deutsche Unternehmen mit Geschäftsverbindungen zu Großbritannien befragt worden.
  • Mehr als zwei Drittel der Betriebe mit UK-Geschäft beklagen der Erhebung zufolge Zollbürokratie,
  • mehr als die Hälfte direkt auf den Brexit zurückgehende Logistikprobleme und
  • knapp die Hälfte die Zunahme tarifärer Handelshemmnisse.
  • Jedoch etwas weniger Unternehmen als ein Jahr zuvor melden Auswirkungen durch den Brexit.

Informationen und Anlaufstellen

Stand: Januar 2023
Wir haben diese Übersicht mit großer Sorgfalt zusammen gestellt. Eine Gewähr für die Vollständigkeit können wir nicht übernehmen.