Umfrage zu CBAM

IHK-Präsident Paal: Die Grenze des Zumutbaren ist erreicht – EU muss dringend nachbessern

IHK-Umfrage zur CBAM-Umsetzung: Unternehmen beklagen ausufernde Dokumentationspflichten und nicht funktionierende Infrastruktur

Laut einer aktuellen IHK-Umfrage beklagen die Unternehmen bei der Umsetzung des europäischen CO2-Grenzausgleichmechanismus Bürokratielasten und nicht funktionierende Infrastruktur. Bis Ende Februar 2024 müssen Betriebe in einem ausführlichen Bericht Auskunft geben, wie hoch der Kohlendioxid-Ausstoß der in die EU eingeführten Güter ist. Nur drei Prozent der befragten Unternehmen fühlen sich demnach ausreichend informiert.
„Unsere Umfrage zeigt: Die Unternehmen sind richtig sauer, viele haben ihrem Ärger in den Kommentarfeldern Luft gemacht“, sagt Claus Paal, Präsident der IHK Region Stuttgart. Mit dem C02-Grenzausgleichmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) hat die EU eine Art CO2-Zoll geschaffen, um für die Unternehmen die Wettbewerbsnachteile aus den EU-Klima-Gesetzen auszugleichen. Betroffen sind vor allem Importe von Zement, Eisen, Stahl, Aluminium, Düngemittel, Strom und Wasserstoff. Aus Sicht des IHK-Präsidenten ist allerdings genau das Gegenteil passiert: „Statt Wettbewerbsnachteile abzumildern, werden die Betriebe mit noch mehr Bürokratie belastet. Die EU hat das Maß an Zumutbarem überschritten. Die Berechnungs- und Dokumentationspflichten sind dermaßen komplex, dass kaum ein Unternehmen sie bewältigen kann. Hinzu kommen Klagen, dass das Tool nicht richtig funktioniert. Die EU muss dringend nachbessern.“
Die CBAM-Einführung erfolgt schrittweise bis 2026. Bereits jetzt müssen die Importeure aber jedes Quartal CBAM-Berichte mit Angaben in fast 300 Datenfeldern erstellen. Dies gilt sogar für Schrauben. Die Durchführungsverordnung wurde erst im August veröffentlicht. Seitdem blieb den Unternehmen kaum Zeit, sich zu informieren oder mit Partnerunternehmen aus dem EU-Ausland abzustimmen. Gut ein Drittel der Befragten gibt an, noch keinen Kontakt zu ihren Lieferanten aufgenommen zu haben, auch „weil wir Rückfragen nicht beantworten können“. 43 Prozent der Unternehmen fühlen sich der Umfrage zufolge von Behördenseite schlecht informiert.
In Deutschland müssen die Unternehmen mittels Elster-Zertifikat über das Zollportal melden. Das ist ein Behelf, weil die Deutsche Emissionshandelsstelle, die eigentlich zuständig wäre, bislang keinen direkten Zugang einrichten konnte. 63 Prozent der Betriebe mussten einen Zugang zum Zollportal neu einrichten, hiervon wiederum bewerten 44 Prozent das Verfahren als schlecht. Aus Sicht der Betriebe sollte die Deutsche Emissionshandelsstelle auch wegen datenschutzrechtlicher Probleme zügig einen direkten und einfachen Zugang bereitstellen - ohne Elster-Zertifikat als Voraussetzung.
Das EU-Meldeportal selbst hat aus Sicht der befragten Betriebe noch deutlich größere Mängel. So berichten sie von Programmierfehlern, unverständlichen Fehlermeldungen sowie einer fehlenden deutschsprachigen Anleitung des komplexen Systems. 94 Prozent der Befragten halten den Aufwand für unangemessen. Besonders betroffen dabei sind Unternehmen mit geringen Einfuhrmengen. Der Aufwand ist für sie überproportional groß. „Das wird dazu führen, dass viele Kleinimporteure künftig aus dem Markt aussteigen“, so Paal. Dies könne unkalkulierbare Folgen für die Lieferketten haben. „Es gibt eine Bagatellgrenze, aber die ist mit 150 Euro pro Sendung viel zu gering. Wir haben immer eine Erhöhung dieser Grenze während der Übergangsphase bis 2026 gefordert, damit diese negativen Folgen vermieden werden. Aber auch danach brauchen wir deutlich höhere Schwellenwerte, um vor allem kleine und mittelgroße Betriebe zu entlasten.“
Die Probleme mit CBAM werden sich in den nächsten Monaten noch verschärfen: Der eigentliche Zweck der derzeitigen Erhebung ist es, echte Daten zum CO2-Ausstoß der Importwaren zu erhalten, die dann ab 2026 als Berechnungsgrundlage für die Zertifikate dienen. Bei Importwaren können diese Emissionsdaten ab Juli 2024 nur vom ausländischen Hersteller stammen und keine Standartwerte mehr herangezogen werden. Das Problem aus Sicht der Unternehmen: Die ausländischen Lieferanten würden die EU-Anforderungen ebenso wenig verstehen wie die deutschen Importeure.
„Das CBAM-System ist ganz offensichtlich für zahlreiche Fälle vollkommen untauglich und muss dringend vereinfacht werden. Bis dahin müssen diese Regelungen ausgesetzt werden“, so Paal. Die IHK-Organisation fordert deshalb Alternativen für Importeure für die Fälle, in denen die individuelle Ermittlung der Emissionen nicht funktioniert. So könnten die importierten Waren bei der Zollabfertigung mit den ab 2026 zur Verfügung stehenden Standardwerten der jeweiligen Produkte belastet werden. Dadurch müssten Lieferanten keine Werte mehr beschaffen, zertifizierte Prüfberichte könnten entfallen. Paal: „Es gibt immer andere Möglichkeiten. Wir fordern die EU daher dringend auf, die Regelungen zu vereinfachen und die umfangreichen Dokumentationspflichten zu streichen. Gefühlt steigert die EU in immer kürzeren Abständen die Taktung mit immer neuen Berichtspflichten. Die Hilferufe der Unternehmen werden überhört oder ignoriert. Nicht einmal mehr die staatliche Verwaltung kann dem Tempo folgen oder woher kommen unausgereifte Softwarelösungen.“
Weitere Informationen dazu finden Sie in unserem Artikel CBAM: Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus.