Konkrete Schritte zum CE-Zeichen
CE-Kennzeichnung: Praxisbeispiel für den Einstieg
Zur leichteren Orientierung im Themenbereich CE-Kennzeichnung finden Sie nachfolgend ein fiktives Beispiel zu einer effizienten Vorgehensweise. Bitte beachten Sie, dass dieses Beispiel keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Wir empfehlen Ihnen, das Beispiel als "praktische Übung" zu verstehen, um sich mit den Arbeitsschritten, Begriffen, Hilfsmitteln und Anlaufstellen rund um die CE-Kennzeichnung vertraut zu machen.
- Ausgangssituation
- Schritt 1: Anwendbare Richtlinien und harmonisierte Normen für das Produkt erkennen
- Schritt 2: Spezifische Produktanforderungen identifizieren
- Schritt 3: Umsetzung in nationales Recht sichten
- Schritt 4: Recherche der harmonisierten Normen
- Schritt 5: Festlegung des Konformitätsbewertungsverfahrens
- Optionaler Schritt 6: Einbeziehung eines Prüfdienstleisters
- Schritt 7: Erstellung der technischen Unterlagen
- Schritt 8: Erstellung der Konformitätserklärung
- Schritt 9: Anbringen des CE-Zeichens
- Darf das Produkt jetzt verkauft werden?
- Ist die Arbeit damit abgeschlossen?
- Was bedeutet das alles für mich als Importeur oder Händler?
- Was gilt, wenn das Produkt nicht unter eine CE-Richtlinie fällt?
- Wie aufwändig ist der Weg zur CE-Kennzeichnung?
Ausgangssituation
Ein Hersteller beabsichtigt, ein Produkt in Deutschland bzw. innerhalb Europas zu vertreiben. Im Folgenden wird das Produkt “Photovoltaikmodul” als Beispiel behandelt.
Ziel des Unternehmens ist es, die geltenden Produktanforderungen zu ermitteln, um sicherzustellen, dass sein Produkt den geltenden Vorschriften entspricht, bevor es auf den Markt gebracht wird.
Wichtiger Hinweis 1: Die Anbringung des CE-Zeichens ist nicht freiwillig. Jeder Hersteller, Importeur oder Händler muss für jedes Produkt prüfen, ob eine Kennzeichnungspflicht besteht und welche Pflichten beziehungsweise Risiken sich daraus für ihn ergeben. Auch wenn ein Produkt unter keine CE-Richtlinie fällt, bestehen Anforderungen zum Beispiel auf Grundlage des Produktsicherheitsgesetzes sowie weiterer Rechtsvorschriften.
Wichtiger Hinweis 2: Inhalt und Reihenfolge der im Folgenden gelisteten Abläufe können je nach Branche, Produkt oder Organisation deutlich abweichen. Je nach Ihren Vorkenntnissen oder der Komplexität des Produkts empfiehlt sich die Einbeziehung eines Beraters, eines Rechtsexperten oder einer benannten Stelle. Für bestimmte Produkte ist die Einbeziehung einer benannten Stelle sogar vorgeschrieben.
Schritt 1: Anwendbare Richtlinien und harmonisierte Normen für das Produkt erkennen
Vorgehensweise:
- Besuch der Website der Europäischen Kommission für harmonisierte Normen
- Prüfung, ob das Produkt grundsätzlich einer oder mehrere der CE-Richtlinien und harmonisierten Normen anwendbar ist:
- Könnte das Produkt durch Kinder als Spielzeug genutzt werden? Nein.
- Handelt es sich um ein medizinisches Gerät? Nein.
- Erzeugt das Gerät eine elektrische Spannung oder wird es damit betrieben? Ja.
Teil-Ergebnis:
In diesem Beispiel unterliegt das Produkt der Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU über die Bereitstellung elektrischer Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen auf dem Markt.
In diesem Beispiel unterliegt das Produkt der Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU über die Bereitstellung elektrischer Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen auf dem Markt.
Schritt 2: Spezifische Produktanforderungen identifizieren
Vorgehensweise
- Die Datenbank von Access2Markets besuchen, um herauszufinden, welchen Anforderungen das Produkt genügen muss.
Information: Die Datenbank enthält Informationen zu Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die für Ihr Produkt gelten, zuständigen Behörden, bei denen Sie sich nach bestimmten Produktanforderungen erkundigen können, Mehrwertsteuer- und Verbrauchssteuersätzen, die im EU-Land des Verkaufs auf Ihr Produkt erhoben werden.
- Die Access2Markets-Datenbank ist anhand der Zollcodes strukturiert: Wenn Sie sich die Anforderungen an Ihr Produkt anzeigen lassen wollen, geben Sie zunächst seinen Zollcode an. Wenn Sie den Zollcode nicht kennen, können Sie ihn anhand der Bezeichnung Ihres Produkts mithilfe der integrierten Suchmaschine oder einer Internetsuche herausfinden.
Teil-Ergebnis:
- Das Unternehmen hat weiterführende Richtlinien, Merkblätter, Leitfäden und weitere wichtige Dokumente ermittelt.
- Das Beispielprodukt “Photovoltaik-Modul” unterliegt als elektrisches Niederspannungsgerät der Richtlinie 2014/35/EU. In den Ausnahmen gemäß Anhang II ist das Produkt nicht gelistet. Weitere Anforderungen kann der Hersteller aus der angegeben Verordnung (EU) 2017/852 über Quecksilber und über die dort angegebene Vorschrift zur Elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) erkennen.
- Die ermittelten Anforderungen prüft das Unternehmen ausführlich, um die Folgen für das Unternehmen bzw. das Produkt abschätzen zu können.
Wichtiger Hinweis: Es liegt in der Verantwortung des Herstellers, dass ein Produkt den grundlegenden Sicherheitsanforderungen entspricht. Diese werden in den EU-Richtlinien und EU-Verordnungen definiert. Das Produkt darf bei bestimmungsgemäßer Verwendung und vorhersehbarer Fehlanwendung die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährden.
Bei der Beurteilung der Sicherheit sind vier Aspekte zu beachten:
- die Eigenschaften des Produktes - einschließlich seine Zusammensetzung, seine Verpackung, die Anleitungen für seinen Zusammenbau, die Installation, die Wartung und die Gebrauchsdauer
- möglich Ein- und Wechselwirkungen auf andere Produkte
- die Aufmachung des Produktes, seine Kennzeichnung, die Warnhinweise, die Gebrauchs- und Bedienungsanleitung, die Angaben zu seiner Beseitigung sowie alle sonstigen produktbezogenen Angaben oder Informationen
Schritt 3: Umsetzung in nationales Recht sichten
Die Umsetzung der europäischen Produktsicherheitsrichtlinien in deutsches Recht erfolgt durch das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) mit seinen Verordnungen sowie durch Einzelgesetze. Europäische Verordnungen müssen nicht in deutsches Recht umgesetzt werden, sondern gelten unmittelbar in den Mitgliedsstaaten.
- Suchen Sie die entsprechende Umsetzung in nationales Recht auf der Internetseite des Bundesamts für Justiz
- Hier: 1. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz.
- Prüfen Sie, ob sich hieraus zusätzliche Anforderungen ergeben oder ob bestimmte Optionen gemäß einer CE-Richtlinie konkretisiert sind.
- Beachten Sie ebenso die Vorgaben des Produktsicherheitsgesetzes (hier zum Besipiel Anbringung von Name und Anschrift des Herstellers)
Praxis-Tipp: Sofern es sich um ein weit verbreitetes Produkt handelt, finden sich relevante Vorschriften und Normen eventuell auch durch Onlinesuche nach Begriffskombination der Art "[Produkt] Konformitätserklärung". In gegebenenfalls auffindbaren Konformitätserklärungen sind die herangezogenen CE-Richtlinien und (harmonisierten) Normen aufgeführt. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass diese Angaben nicht mehr aktuell oder in Einzelfällen auch unvollständig sein können.
Schritt 4: Recherche der harmonisierten Normen
- Besuchen Sie die Website der Europäischen Kommission.
- Wählen Sie die entsprechende Richtlinie aus (hier: Niederspannungsrichtlinie)
- Prüfen Sie anhand der Normen-Liste, ob eine der Normen auf das Produkt anwendbar ist.
- Hier: EN 61730-1,-2
- Somit existiert eine harmonisierte Norm für das Produkt. Bei Einhaltung wird unterstellt, dass das Produkt die (durch diese Norm abgedeckten) Anforderungen der Niederspannungsrichtlinie erfüllt.
- Benötigte Normen können kostenpflichtig bezogen werden bei Beuth Verlag GmbH oder in den dort aufgeführten Auslegestellen eingesehen werden.
Wichtiger Hinweis: Genau genommen beschränkt sich das Vorgehen nicht auf die Recherche geeigneter Normen. Vielmehr ist zunächst zu beurteilen, welche grundlegenden Anforderungen welcher Richtlinien überhaupt zur Anwendung kommen. Die Erfüllung dieser Anforderungen kann in der Anwendung harmonisierter Normen bestehen, in der Praxis ist dieses Vorgehen der Regelfall. Im weiteren Verlauf ist abzugleichen (und im Rahmen der Risikoanalyse und -bewertung zu dokumentieren), ob durch eine oder mehrere herangezogene harmonisierte Normen auch tatsächlich alle Anforderungen der anwendbaren Richtlinie(n) - sowie erforderliche Maßnahmen zur Risikominderung - abgedeckt sind oder ob weitere Maßnahmen erforderlich sind.
Schritt 5: Festlegung des Konformitätsbewertungsverfahrens
- Ziehen Sie erneut die relevanten CE-Richtlinien heran. Hier: Niederspannungsrichtlinie.
- Artikel 6 legt fest, dass das Konformitätsbewertungsverfahren gemäß Anhang III der Niederspannungsrichtlinie durchzuführen ist.
- Unter anderem werden hierin Prüfberichte aufgelistet, somit ist u.a. eine Prüfung entsprechend der relevanten harmonisierten Normen durchzuführen.
Optionaler Schritt 6: Einbeziehung eines Prüfdienstleisters
- In der Regel (insbesondere bei kleineren Herstellern) werden erforderliche Prüfungen von einem externen Labor erbracht.
- Mögliche Dienstleister für die Prüfungen finden Sie auf der Homepage der Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) Die Volltextsuche kann nach Schlagwort oder Nummer der Norm erfolgen.
- Stimmen Sie mit dem Dienstleister die erforderlichen Prüfungen ab bzw. beauftragen Sie diese.
Schritt 7: Erstellung der technischen Unterlagen
- Für das Beispielprodukt Photovoltaik-Modul sind gemäß Anhang III der Niederspannungsrichtlinie u.a. eine allgemeine Beschreibung zu erstellen und es sind Konstruktionspläne, Schaltpläne etc. zusammenzustellen.
- Zudem müssen die technischen Unterlagen eine geeignete Risikoanalyse und -bewertung enthalten.
- Die herangezogenen Normen sind aufzulisten.
- Die Prüfberichte sind zusammenzustellen.
- Die Unterlagen sind zehn Jahre lang aufzubewahren.
- Auch im Rahmen der Serienfertigung muss die Konformität der Produkte sichergestellt werden. Dementsprechend sollte ein geeigneter Prozess aufgesetzt und dokumentiert werden.
Schritt 8: Erstellung der Konformitätserklärung
- Ziehen Sie erneut die relevanten CE-Richtlinien heran. Hier: Niederspannungsrichtlinie.
- Artikel 15 und Anhang III der Niederspannungsrichtlinie erläutern die Erstellung der Konformitätserklärung. Deren Inhalt ist in Anhang IV beschrieben.
- Erstellen Sie die Konformitätserklärung mit den vorgegebenen Inhalten. Orientieren Sie sich hinsichtlich Design etc. gegebenenfalls am Aufbau anderer Konformitätserklärungen für vergleichbare Produkte.
- Weitere Informationen finden Sie in einem separaten Artikel zum Thema EU-Konformitätserklärung.
Schritt 9: Anbringen des CE-Zeichens
- In Artikel 17 finden sich Vorgaben zur Anbringung des CE-Zeichens, zusätzlich wird hinsichtlich der Gestaltung des CE-Zeichens auf Artikel 30 (und damit auch Anhang II) der Verordnung 765/2008 verwiesen.
- Bringen Sie das CE-Zeichen im Rahmen der Produktion entsprechend der Vorgaben an.
Wichtiger Hinweis: Die Anbringung des CE-Zeichens ist nicht freiwillig. Jeder Hersteller, Importeur oder Händler muss für jedes Produkt prüfen, ob eine Kennzeichnungspflicht besteht und welche Pflichten bzw. Risiken sich daraus für ihn ergeben.
Darf das Produkt jetzt verkauft werden?
- Wurden alle Vorgaben eingehalten, erfüllt das Produkt die Anforderungen der relevanten CE-Richtlinien und darf unter diesem Aspekt in Verkehr gebracht werden.
- In der Regel ergeben sich jedoch weitere Anforderungen hinsichtlich Kennzeichnung, Registrierung etc. aus anderen Richtlinien. Beachten Sie hierzu auch den Leitfaden Produktentwicklung (Quelle: IHK Bodensee-Oberschwaben).
Ist die Arbeit damit abgeschlossen?
- Nein. Sobald Sie Änderungen am Produkt vornehmen (Bauweise, Materialien, etc.) ist möglicherweise eine Neubewertung erforderlich. In jedem Fall sollten Sie frühzeitig prüfen, unter welchen Voraussetzungen neue Tests in welchem Umfang erforderlich sind. So kann beispielsweise ein Materialengpass kurzfristig dazu führen, dass ein „neues“ Produkt entsteht und ein Teil der Prüfungen zu wiederholen ist.
- Prüfen Sie regelmäßig, ob für Ihr Produkt neue harmonisierte Normen existieren. Unterstützung bietet hierbei beispielsweise das kostenlose CE-Tool der IHK Bodensee-Oberschwaben. Nach Ablauf etwaiger Übergangsperioden muss das Produkt ggf. den Anforderungen einer neuen Norm genügen. Auch in diesem Fall sind in der Regel neue Tests bzw. ein neues Bewertungsverfahren erforderlich.
Was bedeutet das alles für mich als Importeur oder Händler?
- Die CE-Richtlinien, die entsprechenden Verordnungen zum Produktsicherheitsgesetz und das Produktsicherheitsgesetz sehen teilweise sehr weit reichende Pflichten für Importeure und Händler vor, welche im Einzelfall zu prüfen sind. Am Beispiel der Niederspannungsrichtlinie sind diese jeweils in Artikel 8 bzw. 9 zusammengefasst.
- Von besonderer Bedeutung für Importeure bzw. Händler ist die Anbringung des eigenen Namens am Produkt und das damit verbundene Auftreten als Hersteller (siehe auch Artikel 10). In der Praxis gehen Importeure bzw. Händler damit ein nicht zu unterschätzendes Risiko ein, welches jedoch ebenfalls im Einzelfall zu bewerten ist und ggf. Maßnahmen abzuleiten sind.
Praxis-Tipp: Zur Orientierung in der CE-Landschaft haben die baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern drei CE-Landkarten für Unternehmen herausgegeben. Diese geben in einfacher Form einen Überblick über den Ablauf der CE-Kennzeichnung, die relevanten Akteure und die rechtlichen Rahmenbedingungen.
Was gilt, wenn das Produkt nicht unter eine CE-Richtlinie fällt?
- In (fast) jedem Fall gelten dennoch die Anforderungen des Produktsicherheitsgesetzes, insbesondere muss das Produkt sicher sein.
- Für zahlreiche Produkte hat der Gesetzgeber das o a. Konzept auf den nationalen Produktbereich übertragen (siehe § 5 Abs. 2 ProdSG).
- Entsprechend entsteht in diesen Fällen bei Anwendung von Normen und technischen Spezifikationen, die vom Ausschuss für Produktsicherheit ermittelt wurden, die Vermutung dass ein Produkt die Anforderungen gemäß § 3 Abs. 2 ProdSG erfüllt.
- Für alle übrigen Fälle ist eine individuelle Analyse erforderlich, da zahlreiche weitere Gesetze, Richtlinien und Verordnungen rund um die Sicherheit bestimmter Produktarten existieren.
Wie aufwändig ist der Weg zur CE-Kennzeichnung?
Der Weg zur CE-Kennzeichnung ist vor allem beim ersten Mal aufwändig, aber mit einem realistischen Zeitaufwand zu bewältigen. Wenn Sie sich zum ersten Mal mit der CE-Kennzeichnung beschäftigen, empfehlen wir Ihnen, anhand der oben genannten Einzelschritte eine erste grobe Einordnung Ihres Produktes vorzunehmen und die notwendigen Arbeitsschritte festzulegen. Zögern Sie nicht, im weiteren Verlauf einen Dienstleister oder eine Benannte Stelle hinzuzuziehen, die Sie (kostenpflichtig) von der Normenrecherche bis zur Umsetzung begleiten und beraten können. Teilweise können für deren Leistungen im Zusammenhang mit der CE-Kennzeichnung auch Fördermittel beantragt werden.
Praxis-Tipp: Für ein tieferes Verständnis der EU-Produktvorschriften und Umsetzungsempfehlungen empfiehlt sich der “Blue Guide” der Europäischen Kommission.