24.04.2024

EU-Lieferkettenrichtlinie beschlossen

Die heute (am 24.04.2024) vom Europäischen Parlament beschlossene EU-Lieferkettenrichtlinie erscheint der Wirtschaft im Norden weder praktikabel noch unbürokratisch.

Unternehmen in Sorge vor noch mehr Bürokratie

Bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht plädiert die Wirtschaft im Norden daher auf Zweckmäßigkeit zu achten.
„Die EU-Lieferkettenrichtlinie wird zu einer vermehrten bürokratischen Belastung der Unternehmen führen. In der späteren Umsetzung in nationales Recht kommt es darauf an, die wenigen verbleibenden Umsetzungsspielräume zu nutzen. Die Prozesse, die bereits durch die Umsetzung der nationalen Gesetzgebung in den Unternehmen aufgesetzt werden mussten und implementiert wurden, müssen dabei berücksichtigt werden. Vor allem darf es nicht zu einer deutschen Übererfüllung der Vorgaben der Richtlinie im EU-Vergleich kommen, beispielsweise in Haftungsfragen“, appelliert Dr. Bernhard Brons, Vorsitzender der IHK Nord an die deutsche Politik.
Viele Unternehmen in den außenhandelsgeprägten Küstenländern kämpfen bereits mit den überbordenden Berichtspflichten des deutschen Lieferkettengesetzes und den weiteren bürokratischen Nachhaltigkeitsanforderungen aus der Europäischen Union – wie dem CBAM und der Verordnung zur entwaldungsfreien Lieferkette. Die EU-Lieferkettenrichtlinie verstärkt das Problem der Bürokratielast nur noch. Diese wird vergrößert durch:
  • Erstens, einem erweiterten Katalog an Abkommen und geschützten Rechtspositionen, die die Unternehmen überprüfen und einhalten müssen.
  • Sowie zweitens, der Ausdehnung der Aktivitätskette auf alle mittelbaren Lieferanten. Zusätzlich kommt mit der Umsetzung der europäischen Richtlinie eine zivilrechtliche Haftungsregelung hinzu.
Die Unternehmen warnen davor, dass sich kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aufgrund dieser Zunahme der Bürokratielast aus bestimmten Regionen zurückziehen müssen.
KMU sind zwar vom Anwendungsbereich der Richtlinie nicht direkt erfasst, werden jedoch in vielen Fällen vertraglich von den direkt betroffenen Unternehmen zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten verpflichtet, häufig von mehreren Kunden mit unterschiedlichen Anforderungen. Diesem Marktdruck kann kein KMU standhalten mit der Folge, dass nicht zuletzt der Wirtschaftsstandort Deutschland mit seinem dichten Netz von Marktteilnehmern Schaden nähme. Auch die Zielstellung der EU-Lieferkettenrichtlinie, der Schutz von Mensch und Umwelt, entfaltete nicht die beabsichtigte positive Wirkung. Die Menschenrechte und Umweltbedingungen in Drittländern werden sich durch einen Rückzug europäischer Unternehmen nicht verbessern. Zudem wird die politisch geforderte geographische Diversifizierung der Lieferketten erschwert.
Die Wirtschaft im Norden steht zu der unternehmerischen Verantwortung, die Achtung von Menschen- und Umweltrechten in ihrer eigenen Geschäftstätigkeit und in Zusammenarbeit mit Lieferanten und Abnehmern nach Möglichkeit auch in der Wertschöpfungskette sicherzustellen.
„Der Schutz von Menschenrechten und der Umwelt ist eine inner- und zwischenstaatliche Angelegenheit. Die EU hat hierfür genug Werkzeuge wie das Allgemeine Präferenzsystem für Entwicklungsländer (APS), das den Entzug von Zollpräferenzen möglich macht, wenn schwerwiegende Verstöße gegen bestimmte internationale Übereinkommen festgestellt werden. Die Verantwortung für politisch gewollte Ergebnisse darf nicht durch Maßnahmen wie der Lieferkettenrichtlinie auf die Unternehmen verlagert werden“, so Dr. Brons abschließend.
Vor Inkrafttreten der EU-Lieferkettenrichtlinie muss diese formell vom Rat der Europäischen Union bestätigt werden. Innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten muss die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt sein. Bis dahin gilt das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in seiner derzeitigen Form.
Die IHK Nord ist der Zusammenschluss dreizehn norddeutscher Industrie- und Handelskammern aus Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Sie vertreten knapp 890.000 Unternehmen in Norddeutschland.