Gleichbehandlung

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz

Nach dem Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist es verboten, Menschen aufgrund von bestimmten Merkmalen, die in ihrer Person liegen, zu benachteiligen. Insbesondere für den Bereich des Arbeitsrechts ergeben sich für Arbeitgeber Konsequenzen, die zwingend beachtet werden müssen
Nachfolgend wird im Übrigen – zur Vereinfachung – die maskuline Form sämtlicher Bezeichnungen als Synonym für alle Geschlechter verwendet.

1. Der gesetzgeberische Wille

Bereits in Artikel 3 des Grundgesetzes ist die Gleichheit der Menschen festgestellt und insbesondere die Gleichheit von Männern und Frauen hervorgehoben. Der Gesetzgeber wollte mit dem AGG diesen Gleichheitssatz ausweiten. Das AGG normiert, dass niemand wegen
  • Rasse oder ethnischer Herkunft,
  • Geschlecht,
  • Religion oder Weltanschauung,
  • Behinderung,
  • Alter oder
  • sexueller Identität
diskriminiert werden darf.

2. Begriffsklärung

Entscheidend ist das Verständnis für die im Gesetz verwendeten Begriffe. Dabei lassen sich folgende Definitionen festhalten:
  • Rasse und ethnische Herkunft bezeichnen fremdländische Herkunft oder Abstammung. Trotz der (historisch bedingten) negativen Besetzung des Begriffes "Rasse" hat dieser Ausdruck Eingang in das Gesetz gefunden, da hier die Umsetzung der Brüsseler Anti-Rassismus-Richtlinie deutlich werden sollte.
  • Bei dem Begriff Geschlecht ist die Diskriminierung von Frauen, Männern und/oder Diversen aufgrund deren Geschlechtszugehörigkeit gemeint. Der Begriff erfasst somit auch die geschlechtliche Identität von Menschen, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen sind. Dies betrifft intersexuelle, zweigeschlechtliche bzw. intergeschlechtliche Menschen.
  • Religion oder Weltanschauung bezeichnen die Freiheit des Glaubens und des weltanschaulichen Bekenntnisses. Hierbei ist zu beachten, dass es keine Pflicht zur Offenbarung der religiösen Weltanschauung gibt.
  • Behinderung liegt vor, wenn körperliche Funktionen, geistige Fähigkeiten oder seelische Gesundheit – nicht bloß vorübergehend, das heißt länger als sechs Monate - von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen. Bedingt dadurch muss die Teilnahme des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt sein. Der Begriff der Behinderung erfasst auch Behinderte mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50 Prozent, die Schwerbehinderten gleichgestellt sind.
  • Alter bezeichnet das Lebensalter und soll eine Gleichbehandlung von Alt und Jung bezwecken. Dabei steht der Schutz von Älteren gegenüber Jüngeren dem Schutz von Jüngeren gegenüber Älteren gleichwertig gegenüber.
  • Unter dem Begriff der sexuellen Identität bezieht sich der Gesetzgeber auf homosexuelle, bi- und transsexuelle sowie zwischengeschlechtliche Menschen.

3. Benachteiligung und Benachteiligungsverbot

Das Gesetz erstreckt die Ungleichbehandlung auf die vier folgenden Verhaltensweisen.
Eine unmittelbare Benachteiligung ist die weniger günstige Behandlung im Vergleich zu einer anderen Person. Dazu kann beispielsweise die Ungleichbehandlung einer Frau wegen ihrer Schwangerschaft oder Mutterschaft zählen.
Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutralen Vorschriften geeignet sind, eine weniger günstige Behandlung für eine Person herbeizuführen, es sei denn, der Vorschrift liegt ein rechtmäßiges Ziel als sachliche Rechtfertigung zu Grunde. Eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts ist beispielsweise die Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten, da es überwiegend Frauen sind, die einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen.
Eine Belästigung ist eine unerwünschte Verhaltensweise, die bezweckt, dass die Würde einer Person verletzt wird und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Belästigungen können zum Beispiel durch Verleumdungen oder körperliche Übergriffe geschehen. Neben dem AGG können – je nach Intensität der Belästigung - auch noch andere Gesetze einschlägig sein. Das Allgemeine Zivilrecht für Schadenersatzansprüche und das Strafrecht für die Ahndung solchen Verhaltens bieten beispielsweise weiteren Schutz.
Sexuelle Belästigung ist jedes sexualisierte Verhalten, das von der betroffenen Person nicht erwünscht ist. Dazu zählen sexuelle Handlungen, Aufforderungen zu sexuellen Handlungen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie Zeigen von pornographischen Darstellungen.
Nicht bloß aktives Handeln kann einen Benachteiligungstatbestand erfüllen. Benachteiligungen können auch durch Unterlassen verwirklicht werden. Nachfolgend wird, zur Vereinfachung, allgemein von Benachteiligungen die Rede sein.

4. Schutzbereich

Der Schutzbereich des Gesetzes erfasst im Bereich des Arbeitsrechtes vor allem die Arbeitnehmer. Sie sollen vor Benachteiligungen im Arbeitsalltag durch ihren Arbeitgeber geschützt werden. Aber auch diskriminierendes Verhalten der Arbeitnehmer untereinander ist verboten. Gleiches gilt für diskriminierendes Verhalten von Kunden und sonstigen Dritten.
In den Schutzbereich sind ausdrücklich auch Bewerber im Auswahlverfahren für eine ausgeschriebene Stelle einbezogen. Für sie gelten dieselben Regelungen wie für bereits eingestellte Mitarbeiter.

5. Pflichten des Arbeitgebers

Im Zusammenhang mit Diskriminierung haben die Arbeitgeber gegenüber ihren Beschäftigten konkrete Schutzpflichten, § 12 AGG.
  1. Ein Arbeitsplatz darf nicht unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ausgeschrieben werden.
  2. Arbeitgeber müssen über den gesetzlichen Schutz vor Belästigungen informieren und vorbeugende Maßnahmen treffen, die das Arbeitsumfeld sicherer gestalten (Präventions- und Informationspflicht).
  3. Jede Beschwerde ist ernst zu nehmen. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob bestimmte Schutzvorkehrungen getroffen werden müssen, die dafür sorgen, dass die Benachteiligung in Zukunft nicht wieder passieren kann (Handlungspflicht).
  4. Es ist eine Stelle einzurichten, bei der die Beschäftigten Beschwerden einreichen können, wenn sie am Arbeitsplatz diskriminiert bzw. belästigt werden (Beschwerdestelle nach § 13 AGG).
Arbeitgeber müssen einschreiten, wenn sie von benachteiligendem Verhalten Kenntnis erlangen. Ansonsten drohen Schadenersatzklagen und der betroffenen Beschäftigten ist berechtigt, die Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts zu verweigern.

6. Ausnahmen zu dem Verbot der Ungleichbehandlung

Das AGG sieht Ausnahmetatbestände für die allgemeine Gleichbehandlung vor. Unterschiedliche Behandlungen wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität können sich aus den beruflichen Anforderungen ergeben, wenn ein sachlicher Grund vorliegt.
Lautet etwa eine Stellenanzeige: "Sichere Deutschkenntnisse in Wort und Schrift werden vorausgesetzt", kann dies bei der Ausschreibung für die Stelle als Redakteur einer Zeitung ein zulässiges Auswahlkriterium sein. Die Notwendigkeit ergibt sich vorliegend aus den beruflichen Anforderungen, § 8 AGG. Für einen Verkaufshelfer oder einen Packer dürfte die Anforderung dagegen eine unzulässige Benachteiligung wegen rassischer oder ethnischer Zugehörigkeit darstellen.
Ebenso dürfte ein gehbehinderter Mensch für die Anstellung als Dachdecker ausgeschlossen werden, da dort die Fähigkeit, sich sicher und zügig auf Gerüsten oder Dächern zu bewegen, für die Ausübung seiner Berufstätigkeit zwingend erforderlich ist.

7. Rechtsschutz bei Ungleichbehandlung

Benachteiligte Personen haben die Möglichkeit, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Erfolg hat die Klage, wenn der Betroffene eine Benachteiligung im Sinne des AGG und einen daraus entstandenen Schaden beweisen kann. Für das Vorliegen eines Benachteiligungsgrundes im Sinne des AGG (siehe oben) genügen Indizien. Liegen diese vor, muss der Beklagte beweisen, dass er sich nichtdiskriminierend verhalten hat. Das dürfte in der Regel schwerfallen. Als Rechtsfolgen drohen Schadenersatz-, Unterlassungs- und Verpflichtungsansprüche, die von dem angerufenen Gericht festgestellt werden können.
Unternehmen müssen deswegen ihre Arbeitsweise umstellen und bereits vor künftigen unternehmerischen Entscheidungen umdenken.

8. Umdenken bei der Einstellung von Bewerbern

Um im gerichtlichen Verfahren eine Chance zu haben, sollten Unternehmen rechtzeitig vorsorgen.
Der Arbeitgeber sollte sich vor einem Einstellungsgespräch einen genau ausgearbeiteten Fragenkatalog zusammenstellen, der ausschließlich Fragen beinhaltet, die für die unternehmerische Entscheidung über Zusage oder Absage erforderlich sind. Die Fragen dürfen weder zu detailliert noch zu intim sein. So vermeiden Sie, dass im Bewerbungsgespräch Tatsachen erfragt werden, die Rückschlüsse auf bestimmte geschützte Merkmale der Person zulassen. Haben Sie von vornherein keine Kenntnis von diesen Tatsachen, kann Ihnen später nicht der Vorwurf gemacht werden, Sie hätten einen Bewerber aufgrund eines solchen Merkmales abgelehnt. Es empfiehlt sich weiter, bei Bewerbungsgesprächen Zeugen hinzuzuziehen und ein Protokoll über den Gesprächsverlauf anzufertigen. Dies erleichtert später auch die Rekonstruktion des Gesprächsverlaufes.
Bei der Absage sollten Sie darauf achten, dass durch deren Formulierung nicht der Verdacht aufkommt, Sie hätten sich aufgrund von geschützten Merkmalen des Bewerbers gegen dessen Einstellung entschieden.
Genauso wichtig wie die Beseitigung von Diskriminierung im Bewerbungsverfahren ist der Schutz von Arbeitgebern vor "Trittbrettfahrern", die sich auf diskriminierende Stellenanzeigen nur zum Schein bewerben, um anschließend den Arbeitgeber auf Schadensersatz zu verklagen.

9. Umdenken im Arbeitsalltag

Der Arbeitgeber hat für den Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligungen zu sorgen. Hierfür soll er die erforderlichen Maßnahmen treffen. Der Arbeitgeber kommt dieser Pflicht nach, wenn er eine Schulungsmaßnahme durchführt. Gesetzlich zwingend ist das allerdings nicht. Der Arbeitgeber kann daher auch andere Maßnahmen durchführen.
Das AGG sieht vor, dass der Arbeitgeber eine sogenannte Beschwerdestelle einrichtet. An diese Stelle sollen sich Arbeitnehmer wenden können, die eine Ungleichbehandlung im Sinne des Gesetzes erfahren haben oder befürchten. Die Beschwerdestelle hat letztlich die Funktion einer Selbstkontroll-Einheit im Unternehmen, die einer Klage vorgeschaltet sein soll. Für diesen Zweck muss das Unternehmen nicht extra eine neue Stelle einrichten. Als Anlaufstelle kann auch der Personalleiter oder eine andere Person benannt werden.
Verstößt ein Mitarbeiter gegenüber einem anderen gegen Benachteiligungsverbote, sind die Maßnahmen, die der Arbeitgeber ergreifen muss von der Nachhaltigkeit und Intensität des benachteiligenden Verhaltens abhängig. Die Zwangsmittel reichen von der Verwarnung bis zur Kündigung des Mitarbeiters. Bei Dritten können dies Gespräche bis hin zur Vertragsbeendigung sein.
Ebenso wie das Betriebsverfassungsgesetz muss auch das AGG den Arbeitnehmern zur Verfügung stehen. Dafür genügt der ständige Aushang zum Beispiel am „Schwarzen Brett”. Eine Verpflichtung für jeden Arbeitnehmer eine Papierversion des Gesetzes bereit zu halten, besteht nicht.

10. Entgeltgleichheit – gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt auch für die Festlegung des Arbeitslohns. Allerdings gilt dieser nicht schrankenlos. Das Bundesarbeitsgericht hat geurteilt (BAG Urt. v.16.2.2023 – 8 AZR 450/21), dass eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts nach § 22 AGG vermutet wird, wenn eine Partei darlegt und beweist, dass ihr Arbeitgeber ihr ein niedrigeres Entgelt zahlt als ihren zum Vergleich herangezogenen Kollegen/Kolleginnen des anderen Geschlechts und dass sie die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verrichtet. Der Umstand, dass sich die Parteien eines Arbeitsvertrags im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit auf ein höheres Entgelt verständigen als der Arbeitgeber mit einer Arbeitskraft des anderen Geschlechts mit gleicher oder gleichwertiger Arbeit vereinbart, ist für sich allein betrachtet nicht geeignet, die Vermutung einer geschlechtsbezogenen Entgeltbenachteiligung nach § 22 AGG zu widerlegen. Das Entgelttransparenzgesetz verbietet in § 3 Abs. 1 ausdrücklich eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen.
Das BMFSFJ bietet einen Gleichstellungscheck für kleine und mittlere Unternehmen.

11. Auswirkungen auf Kündigungen

Das AGG stellt fest, dass für Kündigungen die allgemeinen Kündigungsschutzvorschriften Vorrang haben, § 2 Abs. 4 AGG. Dies sind zum einen das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) für Betriebe mit mehr als zehn Arbeitnehmern und das von der Rechtsprechung anerkannte Willkürverbot (§§ 242, 138 BGB) für Betriebe, die nicht unter das KSchG fallen.
Allerdings haben die Arbeitsgerichte das AGG richtlinienkonform auszulegen und es dementsprechend anzuwenden. Daher sollten Kündigungen daraufhin untersucht werden, ob in den Kündigungsgründen durch das AGG verbotene Benachteiligungen enthalten sind. Drängt sich nämlich der Verdacht auf, dass sich hinter einer an sich sozial gerechtfertigten Kündigung tatsächlich eine verbotene Benachteiligung verbirgt, kann das AGG wieder eingreifen.

12. Auswirkungen auf das allgemeine Zivilrecht

Auch außerhalb des Arbeitsrechts wird das AGG Wirkung entfalten und Diskriminierungsverbote schaffen. So darf zum Beispiel im "Massengeschäft" niemand benachteiligt werden. Als "Massengeschäft" versteht man Geschäfte, die von der Person des Vertragspartners unabhängig sind. Daher darf etwa ein Taxifahrer einen Fahrgast nicht wegen dessen Hautfarbe von der Beförderung ausschließen. Ein Ladenbesitzer darf einen alten oder einen körperbehinderten Menschen nicht wegen dessen Alter oder Behinderung aus seinem Geschäft weisen. Auch Miet- und Versicherungsverträge werden vom AGG betroffen sein, obwohl sie keine "Massengeschäfte" sind.
Ungleichbehandlungen sind nur dort erlaubt, wo sie sozial erwünscht sind und kein Schutzbedarf besteht. Das bedeutet, dass zum Beispiel Schüler- und Seniorenermäßigungen bei Eintrittsgeldern weiterhin erlaubt sind, obwohl sie an sich eine Ungleichbehandlung wegen des Alters darstellen.

Weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Stand: Juli 2024