Schifffahrt

Innovativ aus der Krise

Die Schifffahrtsbranche befindet sich im Wandel: Verschärfte Normen und die angestrebte Klimaneutralität bis 2050 machen schon jetzt marktreife Schiffstypen erforderlich. Die Werften in Schleswig-Holstein in der Nische ihr Erfolgsrezept.
Ein Schlüssel zur klimaneutralen Schifffahrt ist die Entwicklung alternativer Antriebstechnologien. Während batteriegetriebene Systeme auf See nur schwerlich eine Alternative bieten werden, gilt Flüssiggas (LNG) als Brückentechnologie zu wasserstoffbasierten Lösungen wie der Brennstoffzelle oder grünem Wasserstoff und Ammoniak. Die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) möchte bis 2027 das erste klimaneutrale Handelsschiff bauen und damit mit innovativen Konzepten den Bedarf der Reedereien bedienen, die mit Kraftstoffpreisen ebenso zu kämpfen haeben wie mit teils veralteten Flotten, die strengere Regularien nicht erfüllen können.
Mit der 150 Meter langen und 18 Knoten schnellen „FSG RoRo 1600 maxE“, die bis zu 1.600 Lademeter Kapazität liefert, bietet die FSG eine RoRo-Fähre, die mit nur einem Zweitaktmotor über einen hybriden Ansatz mit elektrischem Fahrmotor zwei Propellerwellen antreibt und so die zwei Viertaktmotoren ersetzt, was den Kraftstoffverbrauch erheblich senkt. „Während das zum Patent angemeldete Konzept zunächst mit LNG betrieben wird, ist es ammonia-ready, kann also auf Ammoniak, Methanol, Wasserstoff oder E-Fuels umgerüstet werden, sobald die Verfügbarkeit gewährleistet und der finanzielle Kipppunkt zum wirtschaftlichen Einsatz erreicht ist. Spätestens 2030 rechnen wir damit“, sagt Dr. Adele Lübcke von der FSG.
Neben der Energie- und Antriebswende ist auch die von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene Zeitenwende eine Chance, neue Aufträge zu generieren: So könnte ein Teil der 100 Milliarden Euro Sondervermögen der Bundeswehr an der Flensburger Förde in Marineprojekte investiert werden.
Auch in Lauenburg konzentriert man sich auf eine Nische: Die Hitzler Werft fokussiert sich auf den Spezialschiffbau: „Wir bauen Schiffstypen, die in Deutschland durch den hohen Anteil an Ingenieursleistung gewinnbringender gebaut werden können als im Ausland“, sagt Geschäftsführer Kai Klimenko. So arbeitet Hitzler zurzeit an zwei Wallaby Boats – Katamarane, die durch eine flexible Verbindung des Rumpfs mit den Aufbauten quasi federgelagert sind. Die Hydraulikzylinder gleichen den Wellengang aus, was nicht nur einen erhöhten Fahrkomfort sicherstellt, sondern vor allem auch die Besatzung bei speziellen Einsätzen schützt. So sind die ersten beiden Boote des Typs als Crew Transfer Vessel (CTV), das Personal zu Offshore-Windkraftanlagen bringt, und als Lotsenversetzboot eingeplant. „Bei beiden Einsatzzwecken kommt es immer wieder zu Unfällen“, so Klimenko. Wenn nun das Deck auch bei Wellengang immer in Waage bleibe, könne die Crew in Zukunft problemlos übersteigen.
Die Reparatur von rund 200 Schiffen im Jahr und die Konstruktion von Schiffen für externe Werften hälfen zudem dabei, immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel zu halten.
Autor: Jan Philipp Witt