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Highlights im Hinterland
Kiel, St. Peter-Ording, Sylt: Lange Zeit standen vor allem die touristischen A-Lagen im Fokus der Urlaubsgäste und der Touristiker. Während die Preise in den Hotspots steigen und die Destinationen gut ausgelastet sind, laufen sich im Hintergrund die Betriebe aus dem Binnenlandtourismus warm – und können mit anderen Qualitäten punkten.
Chefin Wiebke Schmidt hinter der Bar im Hotel Wittensee Schützenhof
© Adina Merkel
Es ist früher Morgen im Hotel Wittensee Schützenhof. Sonnenstrahlen fallen durch die Fenster des Wintergartens. Wiebke Schmidt, Geschäftsführerin des Hauses, poliert sorgfältig die Gläser und stellt sie zurück auf die gedeckten Tische.
Durch die großen Fenster kann man den Wittensee erkennen, auf dem die Sonne glitzert. Direkt davor liegt der Campingplatz, der noch zum Hotel Wittensee Schützenhof gehört. Camper und Wohnwagen stehen in Wassernähe, ein Paar genießt bereits den morgendlichen Kaffee auf dem hölzernen Steg, der über das Wasser ragt.
Der Binnenlandtourismus erfährt eine Renaissance in Schleswig-Holstein. Und das kommt nicht von ungefähr. Denn während die Strände an Nord- und Ostsee längst kein Geheimtipp mehr sind und in den Sommermonaten nicht gerade menschenleer, hat der Tourismus in ländlichen Regionen ein Kontrastprogramm zu bieten, das immer mehr Touristen, insbesondere aus dem Inland, lockt. Tourismus in Städten und A-Lagen bietet eine Vielzahl an Attraktionen und eine gut ausgebaute Infrastruktur. In Städten locken Sehenswürdigkeiten, Museen, Theater und viele Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten.
Tourismus im ländlichen Raum
Im Gegensatz dazu konzentriert sich der Tourismus im ländlichen Raum auf naturnahe Erlebnisse und kulturelle Authentizität. Wie das im Hotel Wittensee aussieht, zeigt Senior-Chefin Silke Schmidt, als sie beim Termin ungefragt eine Broschüre in die Hand drückt. Auf mehr als 30 Seiten hat die Familie Schmidt zusammengefasst, was es in der Region zu entdecken und was es über sie zu wissen gibt. „Uns war wichtig, den Menschen sagen und zeigen zu können, was diese Region wirklich ausmacht: von Kultur über Geschichte bis hin zu Sport und Erlebnissen mit Kindern“, sagt die Senior-Chefin. So organisiert das Hotel Wittensee verschiedene Aktivitäten wie Inline-Skating-Touren durch die Hüttener Berge oder plattdeutsche Lesenachmittage und Seemannsabende.
Das Konzept des Hotels hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten stark verändert. Vor allem die infrastrukturelle Erreichbarkeit, denn früher gab es die B203 noch nicht und alle Verkehre mussten durch die Dorfstraße in Klein Wittensee. „Das hat dazu geführt, dass viel mehr Menschen bei uns spontan eingekehrt oder zum Essen vorbeigekommen sind“, sagt Silke Schmidt. Trotz dieser Entwicklung ist das Hotel in den letzten Jahren stark gewachsen, mehrere Erweiterungsbauten kamen hinzu, sodass das Haus heute 160 Betten zählt.
© Adina Merkel
Für Erholungssuchende und Familien
Die Zielgruppe für den ländlichen Tourismus umfasst beispielsweise Erholungssuchende, Naturliebhaber und Familien, die Ruhe und Erholung inmitten unberührter Natur wie am Wittensee suchen. Auch jüngere Menschen entdecken diese Urlaubsform zunehmend für sich. Aktivitäten im Freien wie Wandern, Radfahren, Baden oder Angeln stehen dabei im Fokus. Der Binnenlandtourismus bietet nicht selten eine persönliche und familiäre Atmosphäre, die geprägt ist von individuellen Erlebnissen und der Möglichkeit, fernab vom Trubel des städtischen Lebens zur Ruhe zu kommen.
Kleinteilige Angebotsstruktur
Das bestätigt der Besuch bei Familie Schmidt aus Groß Wittensee, die seit 130 Jahren eine Geschichte abseits der Mainstream-Destinationen schreibt, und versucht mit Individualität des Urlaubs und persönlichen Empfehlungen zu punkten. Das passt ins größere Bild, denn die Angebotsstruktur in ländlichen Regionen besteht oft aus familiengeführten Hotels, Bed & Breakfasts oder Ferienwohnungen und ist damit kleinteilig. Diese Unterkünfte zeichnen sich durch ihre Regionalität aus, bieten häufig eine Küche mit Produkten aus eigener Herstellung und stehen im Selbstverständnis für „gelebte Gastfreundschaft“, wie Wiebke Schmidt sagt.
© Adina Merkel
Zur Mittagszeit strömt eine Gruppe von rund zehn Leuten ins Gasthaus. „Bekommen wir bei euch spontan einen Tisch? Wir haben ordentlich Hunger“, sagt ein älterer Mann. Wiebke Schmidt reagiert mit einem kurzen und freundlichen „klar“ und sucht für die Gruppe einen passenden Tisch im Gastraum mit Blick auf den See. Auf der Speisekarte finden sich rustikale Klassiker wie Schnitzel mit Bratkartoffeln, aber auch Saisonales und feinere Speisen. Wiebkes Mann Bernd steht am Tresen und zapft frisches Bier für die Gäste, die gerade angekommen sind. Das Hotel Wittensee Schützenhof ist ein Beispiel, das zeigt, wie ländliche Hotels ihre Umgebung nutzen können, um einzigartige Erlebnisse zu bieten. Das Pfund: vielfältige Outdoor-Aktivitäten und die familiäre Atmosphäre, die einen Kontrast zum hektischen Alltag in der Stadt bildet. „Gastfreundschaft, die von Herzen kommt“, lautet so auch der Slogan der Schmidts, der ein wenig nach Pathos klingt, aber doch eingelöst wird.
Autor: Karsten von Borstel
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Ingo Joachim Dahlhoff