Konzepte im Handel

Kundenwünsche wecken

Ob hybrider Handel, Digitalprojekte oder innovative Ideen im Unternehmen, um gleich der ganzen Innenstadt unter die Arme zu greifen: Aktuelle Herausforderungen in der Branche zeigen, wie kreative und persönliche Konzepte im Handel trotz aktueller Hürden gelingen.
Es waren die Drachen, die alles ins Rollen brachten: Eröffnet als Shop-in-Shop-Modell mit großer Auswahl im veloCenter Kiel, schaffte Inhaber Stefan Schneider im Jahr 1987 seinen Durchbruch. “Der Drachen-Boom ebbte aber wie jeder Boom auch wieder ab. Als meine Kinder geboren wurden, erweiterte ich mein Sortiment um Spielzeuge, dann zog ich erst 1999 in den Knooper Weg, dann unter die Arkaden - einer der schönsten Standorte in Kiel“, sagt Schneider. Mittlerweile sind die Spielwaren für Kinder, Teenager und Erwachsene das Hauptabsatzprodukt der Höhenflug GmbH, doch die Drachen und Lenkdrachen sind als Alleinstellungsmerkmal geblieben, da Höhenflug sie als eines der wenigen deutschen Fachgeschäfte führt. “Wir verkaufen nichts, was wir nicht selbst gut finden und ausprobiert haben“, sagt Stefan Schneider. “Und wir legen großen Wert auf das persönliche Gespräch, lassen Produkte ausprobieren, schaffen Nähe zur Kundschaft. Diesem Anspruch hat sich auch das Team verschrieben, alle haben einen persönlichen Schwerpunkt - und vor allem Spaß an der Ware.“ Besonders gern helfen er und sein Team denjenigen, die ohne konkreten Plan vorbeikommen. “Wenn der Großvater etwas sucht, was er seiner Enkelin zu Weihnachten schenken soll, haben wir die Lösung. Wir erfüllen nicht die Wünsche unserer Kunden, wir wecken sie.“
Die Spielwarenbranche unterliegt mit rund 40 Prozent Neuprodukten jährlich einem ständigen Wandel. Höhenflug führt mehr als 10.000 Artikel und wechselt das Programm häufig. Kurzlebige Trends betrachtet man jedoch kritisch, weshalb das Unternehmen auch kein lizenziertes Merchandise anbietet. Schneider meint: “Viele Trends bestehen nur kurz, dann bleiben wir auf der Ware sitzen. Da wir aber keine Produkte verramschen, gehen wir mit Vorsicht vor. Manchmal muss man etwas trotzdem aufgrund hoher Nachfrage anbieten, aktuell die Pop-it-Fidget-Toys.“ Bei allen Trends sind auch die Folgen der Coronakrise laut Schneider weiterhin zu spüren: "Der Einzelhandel ist immer noch massiv getroffen und steht vor der Herausforderung, sich jetzt zu positionieren und zugleich die nötige Stärkung aus der Politik zu erhalten. Das heißt etwa: bezahlbare Mieten, gute Verkehrsanbindungen für alle Verkehrsträger, Prüfung der eigenen Konzepte.“ Bevor Stefan Schneider sein Geschäft zum Ende des Jahres 2022 an Sohn Leo übergibt, soll mithilfe der godigital- Förderung des Bundeswirtschaftsminsteriums ein Webshop entstehen. Leo Schneider betont: „Der Online-Shop kann neben unserem Instagram-Kanal als zusätzliche Möglichkeit dienen, vor dem Besuch bei uns zu stöbern, genau wie der virtuelle Rundgang auf unserer Website.“ Der gelernte Einzelhandelskaufmann und staatlich geprüfte Betriebswirt Leo Schneider wird das Familienunternehmen nicht umkrempeln, sondern auf das Grundkonzept setzen: vor Ort für die Kunden da sein und das Gefühl des inhabergeführten Einzelhandels hochhalten.
Auf inhabergeführte Leidenschaft setzt auch Tanja Lübbers in der Hüxstraße in der Hansestadt Lübeck. Seit fünf Jahren betreibt die Unternehmerin ihren Franchise-Store Violas’ Gewürze und Delikatessen mit Freude am kulinarischen Genuss und jeder Menge Persönlichkeit. Das Besondere: Die angebotenen Gewürzmischungen stammen aus der hauseigenen Manufaktur in Hamburg, das zusätzliche Sortiment aus hochwertigen Ölen, Schokoladen, Fruchtaufstrichen oder Gins stellt Lübbers selbst zusammen. “Die Manufaktur lässt uns Franchisenehmern die Freiheit, unsere eigenen Kompetenzen zusätzlich aufzubauen. Ich bestücke mein Geschäft mit Produkten aus anderen regionalen Manufakturen, nichts wäre in einem Supermarkt zu finden. Dieser persönliche Anspruch macht mein Violas’ authentisch und lokal verankert.“, sagt sie.
Lübbers erfüllte sich nach 30 Jahren in einem großen Hamburger Modekonzern mit einem eigenen Laden den Traum von der Selbstständigkeit. Das Franchise- Konzept und der Trend, sich vermehrt mit Lebensmitteln und der Zusammensetzung von Produktgruppen auseinanderzusetzen, kam ihr dabei sehr gelegen: “Ich konnte mit Rückendeckung starten. Zudem ist unser Geschäft beratungsintensiv: Mein sechsköpfiges Team und ich sind alle kochbegeistert, erklären Gewürze, Öle oder Gins intensiv und schlagen zu jedem Produkt passende Rezepte vor“, sagt Lübbers. “Violas’ bietet auch besondere Services für Firmenkunden: ob liebevoll verpackte Geschenke und Präsentkörbe für Geschäftspartner oder Mitarbeiter oder personalisierte Gewürzmühlen mit Firmenlogo - wir versuchen, alle Wünsche umzusetzen.“ Auf die Gestaltung des Ladengeschäfts, das in einem Haus aus dem 15. Jahrhundert untergebracht ist, legt Lübbers ebenfalls sehr großen Wert: Schaufenster und Regale werden saisonal aufwendig dekoriert, die Online-Präsenz täglich aktualisiert. “Auf Instagram und Facebook bin ich eine sehr aktive Violas’-Partnerin“, erläutert Lübbers. “Täglich poste ich Produkte, Rezepte, neue Deko oder saisonale Gewinnspiele. Wir spüren, dass der Kundenzulauf durch diese Aktivität sehr zunimmt. Die sozialen Kanäle haben außerdem eine ideale Feedbackfunktion“, berichtet sie. Im Jahr 2022 möchte Tanja Lübbers Dip-Verkostungen an den Wochenenden und VIP-Abende für bis zu 30 Kunden wiederaufleben lassen. Auch ein Popup- Store in Timmendorfer Strand ist in Planung. “Wir warten noch auf den Startschuss nach der Krise. Dann tragen wir unsere Leidenschaft über den Laden hinaus weiter.“
Autorin: Julia Romanowski
Veröffentlicht: November 2021