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Ausbildungspionier im E-Commerce
Seit dem Wintersemester 2011/12 bietet die Fachhochschule (FH) Wedel im Kreis Pinneberg als bundesweit erste FH den Studiengang E-Commerce an. Professor Dr. Eike Harms (40), Präsident und geschäftsführender Gesellschafter der FH Wedel, weiß aus seinen früheren Tätigkeiten bei der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers und IBM Business Consulting Services um die Bedeutung von E-Commerce und Social Media für Mittelstand und Einzelhandel. Die Otto Group finanziert den Studiengang (Bachelor und Master) durch eine Stiftungsprofessur.
Wirtschaft: Herr Professor Dr. Harms, eine Welt ohne Internet: Ist das für Sie vorstellbar?
Professor Dr. Eike Harms, Präsident der Fachhochschule Wedel
© Jens Neumann
Wirtschaft: Welchen Stellenwert hat Social Media dabei für Sie?
Harms: Zur Vernetzung verschiedener Personengruppen hat Social Media in der heutigen Zeit natürlich eine enorm hohe Bedeutung. Ich selbst bin zwar immer noch ein bisschen zurückhaltender und habe auch noch keinen eigenen Facebook-Account, allerdings nutze ich Xing. In meiner Position sind die Kontakte wichtig, um neue Impulse zu erhalten – und diese für die Fachhochschule einzusetzen.
Wirtschaft: Die FH Wedel geht mit der Zukunft – wie viele andere Unternehmen auch mit einer eigenen Facebook-Seite. Welche Vorteile schafft ein solches Netzwerk?
Harms: Richtig, wir sind gerade im Aufbau der Präsenz. Wie viele andere tun auch wir uns ein bisschen schwer, eine richtige Strategie zu entwickeln, wie wir Social Media am besten für uns nutzen können. Wir erhoffen uns natürlich, dass wir damit einen zusätzlichen Kommunikationskanal aufmachen können – sowohl zu Absolventen und Studierenden als auch zur jüngeren Generation. Wir haben zwar auch bei Xing eine FH-Wedel-Gruppe. Facebook spricht nach meinen Erfahrungen aber eher jüngere Personenkreise an. Das ist für uns besonders interessant, wenn wir zukünftig Studierende gewinnen wollen.
Wirtschaft: Nun ist an der FH Wedel der bundesweit erste Studiengang E-Commerce gestartet. Was hat Sie dazu motiviert?
Harms: Das vor drei Jahren von der Otto Group ausgelobte Stipendien-Programm war quasi der Auslöser für diese Entwicklung. Wir haben gemeinsam erkannt, dass es Bedarf für qualifizierte Ausbildung im E-Commerce-Bereich gibt. Die Otto Group finanziert den Studiengang durch eine Stiftungsprofessur mit, um so ihren Fachkräftemangel zu decken. Für uns als Fachhochschule war es ein relativ naheliegender Schritt, den Studiengang einzuführen, weil wir die Informatik- und BWL-Kompetenz für diesen Bereich im Haus haben und wirklich nur diese Stiftungsprofessur zusätzlich benötigten.
Wirtschaft: Reichen Studiengänge wie Informatik- und Betriebswirtschaftlehre nicht mehr aus, um die Kunden auch im Web zu bedienen?
Harms: E-Commerce ist da schon sehr speziell. Wirtschaftsinformatiker bedienen ein breites Feld – nicht nur den Bereich Commerce, sondern auch andere Unternehmensfunktionen, indem sie für die IT verantwortlich sind. Der BWLer beschäftigt sich weniger mit IT und häufig lieber mit Managementthemen. Beim E-Commerce müssen aber beide Sichtweisen zielgerichtet zusammengeführt werden. Sie müssen sich im E-Commerce sowohl mit Marketing, Konsumentenverhalten, Kundenbindung, Sortimentsplanung und Cross Channel-Konzepten als auch mit Search Engine Optimization, Semantic Web Shopping und Bezahlsystemen, Web-Design und IT-Sicherheit befassen. Alles Themen, in denen ein Absolvent des E-Commerce sich auskennen muss. In anderen Studiengängen sind diese Kombinationen nicht möglich. Daher macht es Sinn, die Inhalte so zu bündeln.
Wirtschaft: Ist Social Media eine Chance für Einzelhandel und Mittelstand?
Harms: Ja, denke ich schon. Das sieht man auch an der Entwicklung im Online-Bereich. Viele kleinere Unternehmen und Ein- zelhändler nutzen Social Media bereits sehr erfolgreich. Dem Handel bietet sich dadurch die Möglichkeit, Kunden aus dem lokalen Umfeld an das Unternehmen zu binden und im Internet zusätzliche Präsenz zu erzeugen. Nach einer Studie des EHI Real Institute und der Statista GmbH ist der Onlinehandel in Deutschland 2009 auf rund 20 Milliarden Euro angestiegen.
Wirtschaft: Kritiker sehen eher das Risiko des "gläsernen Kunden"…
Harms: Das Risiko besteht. Und der Datenschutz ist gefragt, dies zu verhindern. Wir stellen ja in der letzten Zeit fest, dass es viele Diskussionen darum gibt. Solange der Kunde Herr seiner eigenen Daten bleibt und bestimmen kann, welche Daten er wo preisgeben möchte und auch die Transparenz dafür vorhanden ist, habe ich weniger Bedenken.
Wirtschaft: Für wen macht es überhaupt Sinn, in Social-Media-Kampagnen zu investieren – oder sich zumindest im Netz zu engagieren?
Harms: Für jedes Unternehmen ist es sinnvoll, über Social Media Kunden anzusprechen. Man muss dabei immer im Hinterkopf haben, dass die junge Generation mit diesem zusätzlichen Medium aufwächst. Für die ist der Umgang selbstverständlich. Und die jungen Leute sind die Kunden der Zukunft. Von daher macht es Sinn, sich in diesem Medium zu bewegen und den Kontakt zu künftigen Kunden zu suchen.
Wirtschaft: Klassische Online-Shops sind das eine, mittlerweile gewinnen Apps aber immer größere Bedeutung …
Harms: Das sind unterschiedliche Anwendungssituationen. Den Online-Shop nutze ich eher zuhause am Rechner und die App auf dem Smartphone unterwegs. Ein App hat meist eine ganz bestimmte Funktion und häufig noch nicht den Komfort, den ein Online-Shop bietet.
Wirtschaft: Gefällt Ihnen die Entwicklung im Internet? Oder sehen Sie Nachbesserungsbedarf?
Harms: Es gibt immer Punkte, wo nachgebessert werden muss. Denken wir an den Gefällt-mir-Button bei Facebook oder den Hackerangriff bei Sony, bei denen die Themen Datenschutz und IT-Sicherheit eine breite mediale Aufmerksamkeit bekommen. Es gibt ein hohes Maß an Auseinandersetzung mit solchen Themen. Ich glaube, dass wir auf einem ganz guten Weg sind.
Wirtschaft: Kann der neue Studiengang E-Commerce dabei helfen?
Harms: Das glaube ich schon. Wir werden die Absolventen herausbringen, die zukünftig diese Online-Systeme und Apps entwickeln. Daher haben wir Verantwortung, die Studierenden auch für Themen wie Datenschutz und IT-Sicherheit zu sensibilisieren. Der neue Studiengang kann dazu beitragen.
Interview Jens Neumann
Veröffentlicht am 2. Dezember 2011
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Benjamin Tietjen