Kein Ende der Konjunkturflaute in Sicht

IHK für Rheinhessen: Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen größtes Geschäftsrisiko - Unternehmen fordern Maßnahmen zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes
18.10.2024 – Die Wirtschaft in Rheinhessen tritt weiter auf der Stelle und ein Ende der Konjunkturflaute ist nicht in Sicht. Während Beschäftigungspläne und Exporterwartungen stagnieren, sind die Geschäftserwartungen und Investitionsabsichten negativ. Das zeigen die Ergebnisse der Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen zum Herbst 2024. Der Konjunkturklimaindex, Gradmesser für die wirtschaftliche Entwicklung, liegt aktuell mit 101 Punkten an der Wachstumsschwelle von 100 Punkten.
„Dieser Wert ist seit nunmehr eineinhalb Jahren fast unverändert. Die Risiken sind seither nicht kleiner geworden und auch die Wirtschaftspolitik hat es nicht geschafft, zum Turnaround beizutragen“, stellt IHK-Präsident Dr. Marcus Walden fest.
Zwar ist die Geschäftslage der rheinhessischen Wirtschaft aktuell noch gut. Aber die Erwartungen für die kommenden Monate sind negativ. Die Betriebe kämpfen weiterhin mit einer breiten Palette an Risiken, gedämpften Exporterwartungen und zahlreichen geopolitischen Krisen. Aufgrund der unsicheren Lage halten sich die Unternehmen weiter mit Investitionen zurück. „Die Investitionszurückhaltung der Unternehmen ist alarmierend. In der Folge nimmt die Innovationskraft ab. Handlungsbedarf zeigt sich auch darin, dass die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen erstmals das Top-Risiko für Unternehmen sind, noch vor dem Fachkräftemangel,“ so der IHK-Präsident. „Die Wirtschaftspolitik muss endlich die vielfältigen Strukturprobleme angehen, das Vertrauen der Unternehmen für Investitionen wieder stärken sowie umfangreiche Maßnahmen zum Erhalt der Attraktivität und der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes ergreifen.“
„Bürokratie, Steuerlast, Regelungswut, mangelnde Digitalisierung, lange Genehmigungsverfahren, restriktive Baubestimmungen, mangelnde finanzielle Mittel im öffentlichen Bereich, Kostensteigerungen, rechtliche Hürden im Bereich ausländischer Fachkräftegewinnung, Unzuverlässigkeit von Regierungsentscheidungen – die Liste der von den Unternehmen genannten Hausaufgaben für die Politik ist lang“, ergänzt Karina Szwede, Hauptgeschäftsführerin der IHK.
Aktuell befriedigende Geschäftslage, sorgenvoller Blick in die Zukunft
Die aktuelle Geschäftslage wird von den befragten rheinhessischen Betrieben im Vergleich zum Frühjahr 2024 leicht besser bewertet: 30 Prozent melden aktuell gute Ergebnisse, 51 Prozent berichten von einer befriedigenden Geschäftslage und 19 Prozent beurteilen ihre Lage als schlecht. Bei der Einschätzung der Geschäftsentwicklung für die kommenden zwölf Monate blicken die Unternehmen aber sorgenvoll in die Zukunft: Nur 17 Prozent rechnen mit einer besseren Geschäftslage, 57 Prozent erwarten gleichbleibende Geschäfte und 26 Prozent befürchten einen Rückgang.
Deutliche Investitionszurückhaltung der Unternehmen
Die Investitionsbereitschaft für die kommenden zwölf Monate geht stark zurück: Aufgrund der unsicheren Aussichten planen nur noch 21 Prozent der Unternehmen mit steigenden Investitionen in den Standort – ein Rückgang um 9 Prozentpunkte im Vergleich zum Herbst 2023. 26 Prozent wollen ihre Investitionen zurückfahren, 53 Prozent gehen von gleichbleibenden Investitionen aus.
Beim Blick auf die Hauptmotive der Investitionen zeigt sich, dass die Innovationskraft abnimmt: Nur noch 27 Prozent der Betriebe investieren in Produktinnovationen (-12 Punkte im Vergleich zum Vorjahr), 22 Prozent in den Umweltschutz (-8 Punkte) und lediglich 18 Prozent in Kapazitätserweiterungen (-6 Punkte). 62 Prozent nennen „Ersatzbeschaffung“ und 39 Prozent „Rationalisierung“ als Motive.
Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen jetzt größtes Risiko – dringender Handlungsbedarf besonders für die Industrie
Beim Ranking der größten Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung für die Unternehmen gibt es deutliche Verschiebungen: Mit 58 Prozent der Nennungen führen jetzt die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen die Liste der Herausforderungen an – sogar 71 Prozent der Industriebetriebe setzen dieses Risiko auf Platz eins und fordern hier dringenden Handlungsbedarf von der Politik. Es folgen Fachkräftemangel und Inlandsnachfrage (jeweils 53 Prozent), hohe Energie- und Rohstoffpreise (49 Prozent), Arbeitskosten (47 Prozent), Auswirkungen des Ukraine-Kriegs (18 Prozent), Auslandsnachfrage (15 Prozent) und Finanzierung (12 Prozent).
Industrie im internationalen Wettbewerb unter Druck
Die stark exportorientierte Industrie sieht sich im internationalen Geschäft weiterhin mit Wettbewerbsnachteilen, Handelshemmnissen sowie geopolitischen Unsicherheiten konfrontiert und beklagt die fehlende Verlässlichkeit bei politischen Entscheidungen. 29 Prozent der Industriebetriebe melden aktuell eine gute Geschäftslage, 49 Prozent eine befriedigende Situation und 22 Prozent eine schlechte Lage. Für die kommenden 12 Monate wird von einer Stagnation der Geschäfte ausgegangen. Die Auftragseingänge aus dem Ausland in den vergangenen drei Monaten sind rückläufig: der Saldo aus Industrieunternehmen mit Auftragsplus und Betrieben mit Rückgängen liegt bei -16 Punkten. Weiterhin wird eine Stagnation der Exporte erwartet.
Einzel- und Großhandelsunternehmen blicken besorgt in die Zukunft
Die aktuelle Geschäftslage der Einzel- und Großhändler stagniert und wird insgesamt schlechter eingeschätzt als noch vor einem Jahr. Der Ausblick der Handelsbranche in die Zukunft ist düster: Bei der Frage nach den Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monaten rechnen nur noch 6 Prozent (im Frühjahr 19 Prozent) mit einer besseren Entwicklung, 65 Prozent rechnen mit einer gleichbleibenden Lage und 29 Prozent erwarten eine Verschlechterung.
Dienstleister mit aktuell guten Ergebnissen, Ausblick negativ
Von den Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor melden 34 Prozent aktuell eine gute Geschäftslage, 50 Prozent verzeichnen keine Veränderung und 16 Prozent berichten von einer schlechten Lage. Die Geschäftsentwicklung für die kommenden zwölf Monate schätzen 20 Prozent besser ein, 51 Prozent rechnen mit gleichbleibenden Ergebnissen und 29 Prozent befürchten einen Rückgang.
Gastgewerbe optimistisch und überwiegend zufrieden mit der Saison
41 Prozent der Betriebe aus dem Gastgewerbe bewerten die aktuelle Lage als gut, 36 Prozent sind mit der Situation zufrieden und 23 Prozent melden eine schlechte Geschäftslage. Für die kommenden zwölf Monate erwarten 32 Prozent eine bessere Lage, 54 Prozent kalkulieren mit einer gleichbleibenden Entwicklung und 14 Prozent rechnen mit einem Rückgang.
Im Rahmen der repräsentativen IHK-Konjunkturumfrage zum Herbst 2024 wurden zwischen dem 9. September und 7. Oktober insgesamt 785 Unternehmen aller Größen und Branchen in Rheinhessen befragt.