Unsicherheit in der Wirtschaftspolitik wird zum Top-Risiko

Nachdem sich die wirtschaftliche Entwicklung in Rheinland-Pfalz im vergangenen Herbst spürbar verschlechtert hatte, bleibt die Stimmung der Unternehmen zu Jahresbeginn unverändert im Tief.
Der IHK-Konjunkturklimaindex, das wirtschaftliche Stimmungsbarometer für aktuelle Geschäftslage und Perspektiven der gewerblichen Wirtschaft, liegt nach der jüngsten Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern in Rheinland-Pfalz bei 89 Punkten (Herbst 2023: 88 Punkte). Damit verbleibt er weiterhin klar unterhalb der 100-Punkte-Marke, der Grenze zwischen positiver und negativer Gesamtstimmung. Der Abschwung der wirtschaftlichen Entwicklung in Rheinland-Pfalz hält damit seit mehr als eineinhalb Jahren an.

Geschäftslage der Unternehmen im Abwärtstrend, Erwartungen über alle Sektoren hinweg trübe

Die aktuelle Geschäftslage der Unternehmen in Rheinland-Pfalz wird stetig schwieriger. 27 Prozent der Betriebe schätzen ihre Lage als gut ein (Jahresbeginn 2023: 32 Prozent), 26 Prozent als schlecht (Jahresbeginn 2023: 17 Prozent), und 47 Prozent beurteilen ihre Lage als weiterhin gleichbleibend (Jahresbeginn 2023: 51 Prozent). Lag der Saldenwert aus positiven und negativen Antworten vor einem Jahr noch bei plus 15 (Jahresbeginn 2023), nahm er im Verlauf des letzten Jahres kontinuierlich ab und liegt nun mit 1 Prozent nochmal unter dem Wert aus dem vergangenen Herbst (3 Prozent). 20 Prozent der Betriebe geben zudem an, dass ihre Finanzlage wesentlich von einem Rückgang des Eigenkapitals geprägt ist.
Die Geschäftserwartungen der Unternehmen für die kommenden zwölf Monate geben ebenfalls wenig Anlass zur Hoffnung: 55 Prozent und damit über die Hälfte der Unternehmen rechnen mit einer höchstens gleichbleibenden und 33 Prozent sogar mit einer schlechteren Geschäftsentwicklung. Mit -21 kommt der entsprechende Saldo damit auch knapp zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nicht aus dem negativen Bereich.
Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz, sieht diese Entwicklung mit Sorge: „Die Vorhersagen der Betriebe aus der Vergangenheit haben sich bewahrheitet und nun stehen die Unternehmen immer mehr unter Druck. Dazu bleibt ungewiss, wie sich Weltwirtschaft, Energiepreise, Personalengpässe oder das Konsumverhalten der Verbraucher entwickeln werden. Entsprechend pessimistisch sind daher auch die Geschäftsaussichten für die Zukunft – und das unabhängig von der Branche.“ Die entsprechenden Salden liegen bei -10 in der Dienstleistungsbranche, -25 in der Industrie und -29 im Handel.

Ballung von Risiken, geringe Wachstumsaussichten

Als Gründe für die belastete Stimmungslage werden zahlreiche Geschäftsrisiken genannt: 59 Prozent der Unternehmen geben die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als Geschäftsrisiko an – das sind fast doppelt so viele wie noch zum Amtsantritt der Ampel-Koalition im Bund (Jahresbeginn 2022: 30 Prozent). An zweiter Stelle steht der Fachkräftemangel (57 Prozent). Daher führen die rheinland-pfälzischen IHKs ihren Aktionsplan Fachkräfte auch 2024 mit Unternehmensberatungen, Ausbildungsmarketing oder Veranstaltungen wie den Fachkräfte-Foren fort. Dicht darauf folgen die Energiepreise und der Inlandsabsatz (jeweils 56 Prozent) sowie die Arbeitskosten (51 Prozent). Damit liegen die Werte von fünf der zehn abgefragten Geschäftsrisiken zwischen 50 und 60 Prozent.
Entsprechend wenig Bewegung lässt sich auch bei den erwarteten Investitionen und den Beschäftigungsabsichten für die kommenden zwölf Monate verzeichnen: Nur ein Viertel der Betriebe rechnet mit höheren Investitionen und nur 14 Prozent planen neues Personal einzustellen. Dabei sind mit Blick auf die Zukunftsherausforderungen der Transformation und den Fachkräftemangel die Bedarfe eigentlich gegeben. Doch ausbleibende strukturelle Reformen und fehlende Planbarkeit seitens der Politik führen zu Zurückhaltung. Gleichzeitig bleibt auch die internationale Nachfrage aus: Nur 19 Prozent der Industrieunternehmen rechnen in den kommenden 12 Monaten mit höheren Ausfuhren von Gütern ins Ausland.
„Unter den Betrieben herrscht Frust und massiver Unmut. Dadurch dass die strukturellen Probleme unseres Landes nicht gelöst werden, wird Vertrauen verspielt, Wachstum verhindert und der Standort im internationalen Vergleich geschwächt. Bereits 39 Prozent der Unternehmen geben an, Auslandsinvestitionen zu tätigen, um damit Kosten bei der Produktion zu sparen“, erläutert Rössel.

Blick in die Branchen

Die Industrie als zentraler Wirtschaftsfaktor liegt mit einem Index von 87 Punkten unter dem gesamtwirtschaftlichen Konjunkturklimaindex in Rheinland-Pfalz. Die Teilbranchen der Investitionsgüterindustrie (80 Punkte) und der Vorleistungsgüterindustrie (81 Punkte) liegen nochmal klar darunter. Unter allen Industrieunternehmen bewerten nur noch 23 Prozent ihren Auftragsbestand als hoch, das sind 14 Prozentpunkte weniger als noch zu Jahresbeginn 2023. Auch Bauwirtschaft und Handel stehen mit jeweils 81 Indexpunkten deutlich schlechter da als vor einem Jahr (Jahresbeginn 2023: jeweils 92 Punkte). Nur die Dienstleistungsbranche hat mit einem Konjunkturklimaindex von 100 Punkten noch eine positive Grundstimmung und sorgt für etwas Stabilisierung in der Konjunktur (Jahresbeginn 2023: 102 Punkte).

Effektive Entlastung der Unternehmen
erfordert verbesserte politische Rahmenbedingungen

Angesichts dieser ernüchternden Zahlen skizziert Rössel, was sich aus Sicht der Wirtschaft ändern muss: „Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sind zum größten Risiko der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung geworden. Doch die Politik hat es selbst in der Hand: Ob Digitalisierung von Visumprozessen, Umsetzung von Verkehrsinfrastrukturprojekten, Planung des zukünftigen Wasserstoffverteilungsnetzes oder unbürokratischere Genehmigungen der Um- und Neubauten von Industrieanlagen. Statt weiterer Ankündigungen müssen jetzt endlich Taten folgen.“ Die entsprechenden Vorschläge aus der Wirtschaft – auch seitens der IHK-Organisation (#GemeinsamBesseresSchaffen – jetzt!) – liegen längst auf dem Tisch.
Die Konjunkturumfrage der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz lief von 3. bis 23. Januar 2024. Teilgenommen haben 1.027 Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen aus Rheinland-Pfalz mit insgesamt rund 204.000 Beschäftigten.