Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Die duale Ausbildung bietet beste Perspektiven - und alle Chancen, sich weiterzuentwickeln.
Das Stadion von Fußball-Bundesligist Mainz 05, ausverkauft, rappelvoll. So viele Auszubildende, 34.000 in etwa, gibt es im IHK-Bereich derzeit in Rheinland-Pfalz. „Es starten wieder mehr Jugendliche und junge Erwachsene eine Ausbildung, als es Studienanfänger gibt“, sagt Lisa Haus, als stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der IHK für Rheinhessen für den Bereich Bildung verantwortlich. „Der Run auf die Hochschulen ist gestoppt. Das bietet auch Chancen für Unternehmen.“
Schließlich werden neue Fachkräfte dringend gebraucht, nicht nur solche mit Hochschulzeugnis, sondern auch mit Ausbildungsabschluss. Bis 2035 beträgt die Fachkräftelücke in Rheinland-Pfalz rund 500.000 Stellen. „Eine halbe Million Menschen, die uns am Arbeitsplatz fehlen“, hebt Haus hervor. Der Fachkräftemangel zählt unverändert zu den größten Geschäftsrisiken für die Betriebe. In der Industrie beispielsweise nennen 62 Prozent der rheinland-pfälzischen Unternehmen in der aktuellen Konjunkturumfrage den Fachkräftemangel als wichtigstes Risiko, knapp vor den Energiepreisen und den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen.
Auch bei Handel und Dienstleistern liegen die Werte sehr hoch – dort, wo viele Mitarbeiter der dualen Ausbildung entstammen und nun kontinuierlich in Rente gehen. „Es kommen zu wenige nach, vor allem zu wenige mit einer berufspraktischen Qualifizierung über Aus- und Weiterbildung“, betont Haus. „Dabei liegt hier das wirksamste Instrument gegen den Fachkräftemangel.“ Daher hat die IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz unter dem Slogan „Gemeinsam handeln!“ den Aktionsplan Fachkräfte aufgelegt. Dazu gehören auch Kampagnen für die duale Ausbildung.

Imagewende für die Ausbildung

Und die scheinen Wirkung zu zeigen. „Wir stellen eine Imagewende im Bereich der Ausbildung fest“, sagt Haus. Schulabgänger und junge Menschen, denen Faktoren wie ein gesichertes Einkommen und ein gesicherter Arbeitsplatz wichtig sind, sehen zunehmend gute Perspektiven durch eine duale Ausbildung und die damit verbundenen Aufstiegschancen. Und sie werden am Arbeitsmarkt benötigt, haben nicht selten bessere Arbeitsplatzperspektiven als mit einem Studienabschluss.
Berufsinformationsmessen oder Tage der Technik sind für die IHK wichtige Bausteine, um die duale Ausbildung bekannter und attraktiver zu machen. Immer wichtiger werden die digitalen Kanäle, mit Kampagnen wie „Durchstarter“ oder „#könnenlernen“, die potenzielle Azubis über Social-Media-Plattformen wie Tiktok und Instagram erreichen – und die Eltern und Unternehmen über Facebook oder LinkedIn. Doch bei der Lehre allein bleibt es selten. „Weiterbildungsmöglichkeiten sind entscheidende Attraktivitätsfaktoren“, betont Haus.
Neun von zehn dual Ausgebildeten, die eine Weiterbildung absolviert haben, würden sich der DIHK-Erfolgsstudie Weiterbildung zufolge wieder so entscheiden. Mehr als 60 Prozent könnten dadurch berufliche Aufstiege realisieren. Das deutsche Bildungssystem ist in hohem Maße durchlässig, macht Lisa Haus deutlich, und es trifft auf zunehmend akribisch betriebene Karriereplanungen der nachfolgenden Generationen, die sich ihrer starken Stellung am Arbeitsmarkt bewusst sind, ihre Chancen kennen und nutzen wollen.
JETZT #KÖNNENLERNEN
Die erste bundesweite Azubi-Kampagne der IHKs unter dem Motto „jetzt #könnenlernen“ ist eine Einladung an alle Schülerinnen und Schüler, Studienabbrecher und Umsteigerinnen, das Lebensgefühl Ausbildung zu entdecken und mehr über die Chancen zu erfahren, die in einer Ausbildung stecken – natürlich von IHK-Azubis selbst. Die Botschaft: Ausbildung macht mehr aus uns. Das Ziel: Im ganzen Land ein neues Bewusstsein für das Thema Ausbildung schaffen und so dabei helfen, Betriebe und den Fachkräftenachwuchs zusammenzubringen.
IHK-Kontakt für Betriebe in Rheinhessen, die sich beteiligen möchten:
Sissy Kup,
Referentin Berufsorientierung | Fachkräftenachwuchs,
Telefon 06131 262-1650, Sissy.Kup@rheinhessen.ihk24.de
ausbildung-macht-mehr-aus-uns.de

Viele Möglichkeiten in der Bildungskette

Ray Lehmpfuhl ist ein Beispiel für die Möglichkeiten, die das Bildungssystem in Deutschland bietet. Nach dem Fachabitur an der höheren Berufsfachschule ließ der inzwischen 35-Jährige eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten folgen. Nebenberuflich sattelte er im Fernstudium einen Bachelor in Wirtschaftsrecht drauf und bildete sich zum Controller fort. „Ständig etwas am Machen zu sein, ist meine Kernidentität“, sagt Lehmpfuhl, „es gibt immer noch was Neues zu lernen.“
Darin sieht der Referent Personalcontrolling bei der Deutschen Anlagen-Leasing eine zentrale Herausforderung unserer von Wandel und Digitalisierung geprägten Zeit. „Wenn du vorankommen willst, musst du dich fortbilden – dieser Gedanke ist tief in mir verankert.“ Als nächstes strebt er ein Fortbildungsprogramm in Richtung Führungskraft an. Das Rhein-Main-Gebiet bietet die Möglichkeit, dies alles ortsnah und regional in die Tat umzusetzen. Aus seinem geliebten Mainz ist der Familienvater nie weggezogen.
Weil Ray Lehmpfuhl erlebt hat, wie wichtig eine gute Berufsausbildung ist, hat er selbst die Ausbildereignungsprüfung bei der IHK abgelegt. „Ich fand es damals wichtig, jemanden an der Hand zu haben, der mich nicht nur fachlich ausbildet“, sagt der Mainzer mit Blick auf pädagogische und persönlichkeitsentwickelnde Aspekte. „Das hatte er so gut gemacht, dass ich es auch wollte. Es macht mir extrem viel Spaß, mit jungen Leuten zu arbeiten, die noch nicht ganz genau wissen, wohin ihre berufliche Reise geht.“
Lehmpfuhl ist Teil der multimedialen „Aufsteiger“-Kampagne, mit der die Industrie- und Handelskammern in Rheinland-Pfalz die Fort- und Weiterbildung ankurbeln will. „Für uns ist das der klassische Weg in der Bildungskette“, sagt Lisa Haus. Häufig, weiß Lehmpfuhl, werde die Durchlässigkeit des Bildungssystems gar nicht zur
Kenntnis genommen oder gar belächelt. Positivere Vermarktung tut Not, findet der Mainzer – und macht daher mit bei der Kampagne.

Ausbildung im Wartesemester vor dem Studium

Genauso wie Robin Derichs, der aus der Not eine Tugend machte. Weil nach dem technisch orientierten und vom Notenschnitt daher nicht gerade glänzenden Fachabitur zu viele Wartesemester vor dem angestrebten BWL-Studium anstanden, schob er kurzerhand eine Ausbildung zum Kaufmännischen Angestellten dazwischen. Und eine
Weiterbildung zum Personalfachkaufmann nach. Jetzt hat er Bachelor-Niveau erreicht, Wartesemester hin oder her.
„Wer mir das finanziert hat? Ich selbst!“, betont Derichs auf der Kampagnen-Seite aufsteiger-ihk.de. „Ich hatte damit auch keinerlei Probleme. Ich habe die Weiterbildung ja in Raten zahlen können, was mich monatlich nicht sehr eingeschränkt hat. Es gibt auch ausreichend Fördermöglichkeiten, mit denen es leichter wird.“ Die Teilnehmer an der Kampagne geben Einblick in ihre Werdegänge, beantworten die am häufigsten gestellten Fragen, berichten darüber, wie sich ihr Leben während der Fort- und Weiterbildung entwickelt hat, und erzählen, worauf es ankommt.
Hinzu kommen Übersichten über Weiterbildungen und Fördermittel. Die Botschaft: Wer es will, kann es auch. „Ich habe mich sehr geehrt gefühlt, dass ich empfohlen wurde, bei der Kampagne mitzumachen“, erzählt Derichs. „Das Thema Aus- und Weiterbildung ist mir persönlich sehr wichtig.“ Bleibende Verbindungen sind entstanden. „Ich freue mich immer noch, wenn ich andere aus der Weiterbildung sehe“, berichtet Derichs im Kampagnen-Interview. „Sei es bei einer Verabredung zum Weihnachtsmarkt, durch Zufall oder beim Alumni-Treffen. Auch beruflich tausche ich mich manchmal mit ein paar meiner Kommilitonen aus.“
Zwei berufsbegleitende Aufstiegsfortbildungen absolviert
Mit den Möglichkeiten zur Weiterbildung „habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Viktoria Braun. Sie ist als Referentin Bildungsprojekte und Fachkräftesicherung bei der IHK für Rheinhessen tätig – und ebenfalls ein Gesicht der „Aufsteiger“-Kampagne. Zuzeiten ihres Abiturs 2006 gab es viel weniger Berufsorientierung als heute, erzählt Braun, „die meisten sind Studieren gegangen.“ Sie informierte sich und erkannte in einer kaufmännischen Ausbildung, die sie auf zwei Jahre verkürzen konnte, den idealen Start in den beruflichen Werdegang.
Denn die vielfältigen Anknüpfungspunkte danach, die Chancen zur Fort- und Weiterbildung, waren von Anfang an Teil ihrer Entscheidung für die duale Ausbildung. Zwei berufsbegleitende Aufstiegsfortbildungen legte sie ab – erst adäquat zum Bachelor die Wirtschaftsfachwirtin mit einem Weiterbildungsstipendium des Bundes, dann, maßgeblich vom Arbeitgeber sowie dem Ausbildungsbonus Rheinland-Pfalz unterstützt, die Betriebswirtin als Äquivalent zum Master. Nur, dass Braun mit ihrem Studienabschluss schon jede Menge Berufserfahrung gesammelt hatte.
„Ich sehe noch viel Informationsbedarf bei den Unternehmen und den möglichen Teilnehmern, welche Möglichkeiten es gibt, beispielsweise zu Abschlüssen auf Bachelor- und Master-Niveau zu kommen“, sagt Braun, „das ist auch ein Grund für die Kampagne.“ Dass manche Lehr- und Lernstunden an Abenden und Wochenenden zusammenkamen, verschweigt sie nicht. „Man muss das wollen, Prioritäten setzen und darf seine Work-Life-Balance nicht von Beginn an an einer 37-StundenWoche festmachen. Aber tut das jeder ehrgeizig seinen Zielen nachgehende Student?“
Braun ließ auf ihre Weiterbildung noch den Ausbilderschein folgen und betreut die fünf angehenden Kaufleute für Büromanagement, die sich bei der IHK Rheinhessen in Ausbildung befinden. „Lebenslanges Lernen ist extrem wichtig“, betont sie, „es kommen permanent neue Inhalte hinzu.“ Die Digitalisierung bietet Chancen, Lehrgänge online oder hybrid abzuhalten. Etwa 5.000 Auszubildende im IHK-Bereich gibt es derzeit in Rheinhessen. Der massive Rückgang während der Pandemie hat sich als Delle erwiesen, das Tal ist im Wesentlichen durchschritten. „Hotellerie und Gastronomie spüren noch Nachwehen, da wird viel international rekrutiert“, berichtet Lisa Haus,
„wir sehen eine Zunahme im gewerblich-technischen Bereich, aber es gibt auch noch mehr als genug offene Lehrstellen und Betriebe, die gern noch mehr junge Menschen ausbilden würden – auch über den Ausbildungsstart am 1. August hinaus. Wir können jederzeit nur zu Praktika ermuntern – und sich für die duale Ausbildung zu entscheiden.“ Die Möglichkeiten danach sind fast schon unbegrenzt.
TORBEN SCHRÖDER, FREIER JOURNALIST
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Aufsteiger ist das Weiterbildungsportal der vier Industrie- und Handelskammern in Rheinland-Pfalz. Hier geht es darum, wie es nach der Ausbildung weitergeht. Hier wird über Fortbildungs- und Meisterlehrgänge auf Bachelor- und Masterniveau informiert, und ebenso über finanzielle Fördermöglichkeiten
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Durchstarter ist das Ausbildungsportal der vier Industrie- und Handelskammern in Rheinland-Pfalz. Hier berichten Auszubildende über ihre Berufe und ihren Alltag, auch auf den Social-Media-Kanälen Instagram und TikTok. Hier geht es um Berufswahl, Bewerbungsunterlagen, Ausbildungsberufe, Ausbildungsvergütung und IHK-Angebote und Kontakte direkt vor Ort.
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