IHK-Konjunkturumfrage
"Die Stimmung ist im Keller, die Lage bislang noch ordentlich"
Mannheim, 10. November 2022. ”Die Stimmung der Unternehmen ist im Keller, die Unsicherheit groß. Die Energiekrise, die Folgen der Inflation, der Fachkräftemangel und die fragilen Lieferketten stellen die Unternehmen der Region vor eine harte Bewährungsprobe. Gleichzeitig ist die Lage bislang noch ordentlich, wenngleich mit rückläufiger Tendenz”, kommentiert Dr. Axel Nitschke, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar, die IHK-Konjunkturumfrage.
Prägend für das Geschäftsklima sind vor allem die massive eingebrochenen Geschäftserwartungen, nicht die Lageeinschätzungen. So gehen per saldo 31 Prozent der Betriebe von rückläufigen Geschäften in den nächsten zwölf Monaten aus “Das ist der schlechteste Wert seit der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2009. Die Erwartungen sind stärker abgestürzt als im Corona-Frühjahr 2020. Diesmal als Ergebnis einer Reihe von Ursachen, die sich gegenseitig verschärfen”, erklärt der IHK-Hauptgeschäftsführer.
Der IHK-Konjunkturklimaindex liegt aktuell bei 90 Punkten – und damit 15 Punkte unter dem Wert vom Frühsommer und klar der wichtigen 100-Punkte-Marke. Der Index fasst die Bewertung der Lage und die Erwartungen zusammen. Erst Werte über 100 signalisieren Wachstum. Über alle Branchen hinweg blicken die Unternehmen mit großen Sorgen auf die kommenden Monate. Das sind die wichtigsten Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage im Herbst 2022 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1250 KB), an der sich 449 Unternehmer der Region aus allen Wirtschaftszweigen beteiligt haben.
Belastend für die Wirtschaft sind vor allem die gestiegenen und insbesondere für den Mittelstand unkalkulierbaren Energiekosten sowie die existenzielle Frage der Versorgungssicherheit. Mehr als drei Viertel der Unternehmen sehen die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise als größtes Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung. Darüber hinaus leiden die Unternehmen nach wie vor unter dem Mangel an Fachkräften und dem Anstieg der Arbeitskosten. Die Industrie erfährt zudem einen spürbaren Dämpfer bei den Auftragseingängen. Der Handel kämpft mit stark gestiegenen Einkaufspreisen und der abgestürzten Kauflaune der Konsumenten. Und bei den Dienstleistern bleiben zwar die Lageeinschätzungen stabil, insgesamt sinkt das Geschäftsklima jedoch auch hier.
Die Exportwirtschaft wird derzeit stark von den enormen Kostensteigerungen für Energie und einer durch Inflation weltweit geschwächten Kaufkraft belastet. Per saldo rechnen 14 Prozent der Industrieunternehmen mit abnehmenden Exporten in den nächsten zwölf Monaten. Noch im Frühsommer rechneten die Unternehmen mit einem leichten Zuwachs bei den Exporten. Der deutlichste Rückgang zeigt sich bei den Exporten ins europäische Ausland. Von einem hohen Niveau kommend, sind die Ausfuhrpläne nach Asien nur noch schwach ansteigend. Die Exporterwartungen für den nordamerikanischen Markt lassen im Vergleich zum Frühsommer nach, sind aber tendenziell noch positiv. “Hier zeigt sich der schwache Euro gegenüber dem US-Dollar als ein Vorteil für die Exporteure und auch die konjunkturellen Belebungsmaßnahmen in Billionenhöhe haben auf dem US-Markt positive Effekte auf die Nachfrage nach Gütern aus unsere Region”, sagt Nitschke.
Die Industriebetriebe in der Region stehen vor existenziellen Herausforderungen. Nach den lange anhaltenden Lieferengpässen trüben die Sorgen um eine ausreichende Gasversorgung sowie die hohe Inflation und massive Preissteigerungen die Stimmung deutlich ein. Nur noch 22 Prozent der Unternehmen befinden sich per saldo in einer guten wirtschaftlichen Situation – im Frühsommer waren es noch 39 Prozent. Vor allem gehen die Geschäftserwartungen zurück, die Industrieunternehmen blicken voller Soge in die Zukunft. “Noch erzielt die Industrie solide Umsätze, bei neuen Aufträgen aus dem In- und Ausland beklagen viele Betriebe dagegen einen deutlichen Rückgang”, so der IHK-Hauptgeschäftsführer. Für die kommenden zwölf Monate erwarten per saldo 27 Prozent der Industrieunternehmen deshalb eine schlechtere wirtschaftliche Situation. Die Industriebetriebe fahren als Reaktion auf die Energiepreise teilweise ihre Produktion runter (16 Prozent) oder erwägen, Produktion zu verlagern (10 Prozent). Knapp drei Viertel gibt die gestiegenen Preise an die Arbeitnehmer weiter. Befragt nach den Folgen einer möglichen Gasdrosselung um 25 Prozent, geben 14 Prozent der Unternehmer an, ihre Produktion dann einstellen zu müssen.
Die Betriebe im Einzelhandel treffen die steigenden Energiekosten, die hohe Inflation und die Kaufkraftzurückhaltung mit voller Wucht. Die Lagebeurteilung lässt weiter nach und liegt aktuell mit zwei Punkten nur noch leicht im positiven Bereich. Besonders düster zeigen sich die Geschäftsaussichten. Sie gehen im Vergleich zum Frühsommer um weitere 16 Prozentpunkte zurück. Aktuell rechnet mehr als jeder zweite Einzelhändler mit schlechteren Geschäften in den nächsten zwölf Monaten.
Meldete im Frühsommer per saldo knapp jeder dritte Großhändler gut laufende Geschäfte, so sind aktuell noch sechs Prozent mit ihrer Geschäftslage zufrieden. Hinzu kommen die massiv nachlassenden Geschäftserwartungen. Knapp die Hälfte der Großhändler rechnet per saldo mit einer negativen Geschäftsentwicklung in den nächsten zwölf Monaten.
Die Stimmung in der Dienstleistungsbranche lässt nach, ist jedoch nicht so schlecht wie in anderen Branchen. Die Geschäftslage bleibt dank solider Umsatzzahlen stabil, der Saldo liegt wie im Frühsommer bei +18 Punkten. Ein anderes Bild zeigt sich bei den Geschäftserwartungen. Diese haben sich bei der aktuellen Umfrage im Vergleich zum Frühsommer per saldo um 21 Prozentpunkte verschlechtert. Nachdem die coronabedingten Nachholeffekte, insbesondere im Hotel- und Gastgewerbe, nachlassen, blicken viele Betriebe sorgenvoll in die Zukunft. Vor allem der Fachkräftemangel mach den Dienstleistern schwer zu schaffen. Per saldo geht aktuell knapp jeder vierte Dienstleister von rückläufigen Geschäften in den nächsten zwölf Monaten aus.
Die Investitionsabsichten der Unternehmen lassen branchenübergreifend nach, befinden sich aber noch insgesamt auf einem ausgeglichenen Niveau. Die Umfrage deutet damit an dieser Stelle auf ein die Konjunktur stabilisierendes Element hin. Der Saldo sinkt gegenüber dem Frühsommer um fünf Prozentpunkte auf aktuell minus drei Punkte. Wenn investiert wird, dann bleibt der Ersatzbedarf mit 62 Prozent das vorherrschendes Investitionsmotiv (Mehrfachnennungen möglich). Knapp die Hälfte der Betriebe plant Digitalisierungsinvestitionen. Investitionen in Umweltschutz- und Energieeffizienzmaßnahmen gewinnen immer mehr an Bedeutung. Innovationsprojekte gehen hingegen etwas zurück. Sie liegen mit 28 Prozent auf Platz vier der meistgenannten Investitionsmotive.
Die Unternehmen der Region melden aktuell rückläufige Beschäftigungspläne. Der Saldo liegt mit neuen Punkten im negativen Bereich. Im Branchendurchschnitt planen 13 Prozent der regionalen Betriebe zusätzliche Mitarbeiter einzustellen, 22 Prozent geben rückläufige Beschäftigungsabsichten an und 65 Prozent gehen von einer gleichbleibenden Anzahl an Mitarbeitern aus. Der Rückgang der Beschäftigungspläne wird vor allem durch die Industrie bestimmt. Die Zahl der offenen Arbeitsstellen lag im Oktober bei 7.696; das sind 308 weniger als im Oktober 2021. Die Arbeitslosenquote im IHK-Bezirk beträgt aktuell 4,9 Prozent. Sie liegt damit um 0,1 Prozent über dem Wert vom Frühsommer. Im Vergleich zum Herbst 2021 ist die Arbeitslosenquote um 0,3 Prozent gestiegen.