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Möbelhof Parsberg GmbH: Vom Bedarf zur Ware
Die Möbelhof Parsberg GmbH behauptet sich nicht nur in einem schwierigen Markt, sondern expandierte in der Vergangenheit sogar mit einer Filiale in Ingolstadt und zusätzlichem Küchen-Centrum. Insgesamt zählt das Unternehmen rund 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Geschäftsführer Martin Stephan verweigerte sich lange dem Vertrieb seiner Möbel über einen Online-Shop, denn da mache man sich nur selbst Konkurrenz. Nun tut er es doch – allerdings mit einem gänzlich anderen Konstrukt.
Pink oder quietschgelb – Hauptsache auffällig sollte es sein, das persönliche Lieblingsmöbel von Martin Stephan. „Einzelsessel können sehr schöne Ruheinseln abgeben, wenn sie mit einem schönen Teppich, einer Dschungeltapete im Hintergrund, die die Farbe wieder aufgreift, und einer tollen Leuchte kombiniert werden“, erklärt der Möbelfachmann aus Parsberg. Man könne Mut zeigen beim Einzelsessel, denn die gesamte Polstergarnitur in pink sei dann doch eher nichts für die meisten.
Geschäftsführer Martin Stephan (Mitte) verfolgt ein individuelles Konzept aus stationärem und Online-Geschäft, das den Kundenbedarf gänzlich in den Mitelpunkt stellt.
© Firmenfoto
Seit 44 Jahren verkauft der Möbelhof mit seinen Standorten in Parsberg und Ingolstadt aber nicht nur Einzelsessel, sondern vor allem Wohnkonzepte, die mit den entsprechenden Pro-dukten ausgefüllt werden. Angefangen hat die Geschichte mit Holz: Martin Stephans Vater wollte eigentlich Förster werden, durfte dies aber aufgrund seiner notwendigen Sehhilfe damals nicht. Er entschied sich zunächst für den Holz-, und später für den Möbelhandel. Seitdem hat sich vieles verändert, das Unternehmen ist durch prospe-rierende und schwierige Zeiten gegangen – zum Beispiel während der Pandemie aber auch aktuell wegen der Krise in der Bauwirtschaft.
Wohnen und Bauen hängen zusammen
„Wohnen und bauen hängen ja zusammen, deshalb haben wir derzeit viele Kunden, die eher umbauen und renovieren als neugestalten“, sagt Stephan. Dabei unterstützt sie der Möbelhof auf vielfältige Weise – stationär und digital verzahnt. Allerdings genügt dafür kein klassischer Online-Shop. „Einen traditionell umgesetzten Online-Shop wollte ich nie, ganz einfach, weil er nicht funktioniert“, erklärt Stephan, der Wirtschaftsinformatik studiert hätte, wäre er nicht ins Familienunternehmen eingestiegen.
„Wenn ich einen Online-Shop vernünftig mache, dann bin ich ein Online-Händler und habe keine Kunden mehr auf meiner Fläche“, sagt er. Viele Modeunternehmen, die auf diesen simplen Multi-Channel-Ansatz gesetzt haben – einige in-zwischen in Insolvenz – hätten das in den vergangenen Jahren erfahren müssen. „Ein Online-Shop nutzt meine Marke, meine Bekanntheit, meinen Namen, um mich offline zu zerstören“, so Stephan. Das bedeutet freilich nicht, dass er sich der Digitalisierung verweigert hätte, im Gegenteil.
Eigenes Online-Shop-Konzept
„Bei unseren ersten Versuchen, einen Onlinevertrieb aufzubauen, der nur als Abfallprodukt meiner täglichen Arbeit funktionieren sollte, standen wir vor der Schwierigkeit, dass wir das Warenwirtschaftssystem nicht als Zentrum unserer Lösung haben wollten“, so der Geschäftsführer. Von dieser Standardarchitektur wollte aber kein Softwarehaus Abstand nehmen. Deshalb dauerte es noch beinahe neun Jahre, ehe ein Konstrukt erdacht wurde, mit dessen Hilfe Stephan seine Vorstellung des Omni-Channel-Vertriebs realisieren konnte.
“Der gesamte Prozess läuft KI-gestützt in vielen Bereichen automatisiert, so dass die Mitarbeitenden Zeit für die Betreuung haben”Martin Stephan
Im Zentrum steht dabei nicht der eigene Warenbestand, sondern der Kunde. Wichtigste Datenbasis ist ein vielschichtiges CRM-System. Die Artikel kommen aus den Industriekatalogen in die Lösung, ebenso Bilder und Produktspezifika. Gefällige, Shop-taugliche Texte generiert die KI, ebenso wie Bilder aus iPad-Fotos der Mitarbeitenden als Freisteller oder in einem vergebenen Milieu. Selbst die Bepreisung nimmt die KI automatisiert vor: „Wir hinterlegen die Konditionen, die ein bestimmter, zum Beispiel Geschäftskunde hat, und die KI generiert aus dem Einkaufspreis einen individuellen Verkaufspreis, der dem Kunden angezeigt wird.
Mit dem Handy auf die Fläche
Die Einrichtungshäuser in Parsberg sowie in Ingolstadt bieten auf einer Verkaufsfläche von rund 25.000 bzw. 40.000 Quadratmetern viele kreative Einrichtungsideen.
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Erklärtes Ziel und einziger Zweck sei, dass der Kunde eine gute Erfahrung habe. „Wir wollen vermitteln: Wir kennen dich, deine Bedürfnisse und Anliegen. Kein Telefonanruf, keine E-Mail und auch kein gelikedes Produkt geht verloren, im Gegenteil: Wir überführen diese Infos alle in unsere Beratung vor Ort, beim Kunden zuhause oder in der Firma, so er dies möchte“, erklärt Stephan. Konkret könne sich der Kunde anhand seiner Favoriten durch die Ausstellung navigieren lassen, jeder angesprochene Berater hat Zugriff auf die Kundendaten wie zum Beispiel die persönliche Merkliste und kann sofort sachkundig die gewünschte Auskunft geben.
„Ob der Kunde das Produkt anschließend online bestellt, im Laden kauft und liefern lässt oder gleich mitnimmt, ist egal“, so Stephan. Das Back-End der Lösung erlaubt zudem einen nicht unbedingt vorrätigen, aber beschaffbaren Artikel per Häkchen auf verschiedenen Kanälen zu bewerben: im eigenen Online-Shop, über den CRM-Channel, im digitalen Schaufenster oder auf verschiedenen anderen Handelsplattformen.
Kundenbeziehung als Ausgangspunkt
Damit unterscheidet sich dieses integrierte Vertriebskonzept grundlegend von anderen, die vorrätige Produkte ins Zentrum stellen, um sie dann auf irgendeinem Kanal abzusetzen. „Wir gehen den umgekehrten Weg: Vom Kunden und seinen Bedürfnissen aus führen wir zur Ware, die wir gegebenenfalls erst beschaffen“, so Stephan. „Und der gesamte Prozess läuft KI-gestützt in vielen Bereichen automatisiert, so dass die Mitarbeitenden Zeit für die Betreuung haben.“ Die Warenwirtschaft sei nur ein untergeordnetes System zur Bestellabwicklung.
„Was wir wissen, setzen wir ein: Wenn jemand heute ein Babyzimmer kauft, braucht er in fünf Jahren einen Schreibtisch, in acht oder neun ein Kinderzimmer, in zwölf oder dreizehn ein Jugendzimmer und noch später die Ausstattung für ein Studentenappartement – entsprechend adressieren wir unsere Kunden“, erklärt Stephan. „Ziel ist die geschlossene Lifetime Product Story.“ Dazu gehören Internet wie Möbelausstellung gleichermaßen und außerdem noch das, was Stephan schlicht als „Verkäufer as a Service“ bezeichnet. Denn der Kunde findet zwar den passenden Eyecatcher-Sessel selbst. Um aber eine wirkliche Ruheinsel zu schaffen, braucht es den Sachverstand für das Drumherum.
Autorin: Alexandra Buba