5 min
Lesezeit
Tourismus kann auch digital
In der Tourismusbranche liegt das Potenzial, das die Digitalisierung in sich birgt, vielfach noch brach. Doch das ändert sich gerade, nicht zuletzt dank neuer Angebote. Fehlende Fachkräfte sind nur einer der Gründe für Tourismusunternehmen, sich stärker digital aufzustellen. Vielmehr profitiert auch die Umsatzseite.
Wissen bedeutet auf Reisen vor allem Komfort. Das wissen alle, die schon einmal vor der Frage standen: Wohin mit der gesamten Skiausrüstung, wenn man erst einmal das Hotel gefunden hat? Am besten nicht alles mitschleppen, oder? Das gilt auch für die Golftasche im Sommer. Auf die x-te Frage nach dem dafür vorgesehenen Stauraum antworten Rezeptionistinnen und Rezeptionisten zwar stets professionell freundlich, aber sicherlich nicht sonderlich gern. Schließlich ist es immer wieder dieselbe ermüdende Routine. Parkplatz? WLAN? Wann kann man in den Wellnessbereich? Schön wäre es, man könnte bereits zuhause all diese Aspekte klären, möglichst umstandslos und bequem – ein regelrechter Anreise-Assistent, der all dies abnimmt. Tatsächlich gibt es diesen inzwischen, nämlich in digitaler Form. Entwickelt hat ihn Bernhard Hitz, Geschäftsführer der five digital GmbH aus Neumarkt. Seine Motivation war ein ähnliches Szenario wie das beschriebene, allerdings noch mit Kleinkindern an der Hand.
Wichtigste Infos vorab
„Damit der Urlaub schon zuhause beginnt“, wie die Hoteliers, die den Anreise-Assistent nutzen, gewinnend in die Kamera sprechen, bedarf es einiger Vorarbeit. „Wir kommen in die Hotels und machen Videoaufnahmen von sämtlichen wichtigen Orten, also der Zufahrt zur Parkmöglichkeit, Aufbewahrungsräumen für Sperriges, dem Wellnessbereich nebst Zugangsmöglichkeit und so weiter“, erklärt Hitz. Zusätzlich können die Hotelchefs vor der Kamera eine persönliche Begrüßung aufnehmen. Ergänzt wird dieses Filmmaterial noch um weitere Informationen und Dokumente – etwa einen vorausgefüllten Meldeschein. Anschließend erstellt five digital aus diesem Konglomerat eine individuelle E-Mail, die nicht etwa mit allen möglichen Texten vollgestopft ist. „Es geht darum, die Gäste über einen Link in die Lage zu versetzen, dass sie sich schnell das anschauen können, was sie interessiert. Videos helfen viel mehr als Beschreibungen“, erklärt Hitz. Erstmals im Haus Ankommende sollten sich so fühlen, als wären sie schon einmal da gewesen.
Ressourcen schonen
Für das Hotel respektive seine Mitarbeitenden spart dies Ressourcen. Die Quote der Online-Check-Ins im Vorfeld sei mit dem Anreise-Assistenten von 30 auf 80 Prozent gestiegen, berichtet Hitz. Auch die Buchungsquote zusätzlicher Services, die über den Anreise-Assistenten angeboten werden, stieg beträchtlich. Dazu zählt sowohl das hoteleigene Restaurant als auch Wellness-Anwendungen. „Unsere Kunden bieten über den Anreise-Assistenten frühzeitig anreisenden Gästen zum Beispiel an, gegen Aufpreis bereits am Anreisetag am Frühstücksbuffet teilzunehmen und dies direkt darüber zu buchen.“ Der Zweck des digitalen Tools ist bewusst ein doppelter: Zum einen geht es darum, Ressourcen zu schonen, zum anderen soll zusätzliches Geschäft generiert werden. „Beides klappt hervorragend“, so Hitz, der eigentlich aus dem Online-Marketing kommt und neben dieser Lösung für Hotels Tools zur Produktberatung für Kunden entwickelt hat. „Wir sind zunächst sehr vertriebslastig an das Thema herangegangen, haben aber schnell gemerkt, dass wir daraus ein tolles, menschennahes Produkt gemacht haben, das auch den Hotelmitarbeitenden qualitativ hochwertigere Kontakte zu den Gästen ermöglicht.“
„Es geht darum, den Gästen maßgeschneiderte Angebote zu unterbreiten.“Stefan Huber, Geschäftsführer der neusta destination.one GmbH
Ähnliche Ziele mit im Grunde demselben Mittel – nämlich besserer, individueller Information – verfolgt die neusta destination.one GmbH mit Standort in Lam im Bayerischen Wald. „Es geht darum, den Gästen maßgeschneiderte Angebote zu unterbreiten und dabei zum Beispiel Freizeiteinrichtungen oder Parkplätze gleichmäßig auszulasten“, erklärt Stefan Huber, Geschäftsführer des Innovationstreibers im Tourismus. Seine Kunden sind allerdings nicht die Leistungserbringer aus dem Tourismus selbst, sondern die Destinationen – also Bundesländer, Landkreise oder Kommunen. Sie alle unterstützt das Unternehmen dabei, ihre touristischen Angebote zunächst in sogenannten Content Hubs zusammenzufassen. Im zweiten Schritt geht es dann darum, den Gästen aus diesem Datenpool ein individuelles Angebot zu unterbreiten. „Wenn Sie also zum Beispiel wissen, dass Sie kommende Woche mit der Familie nach Leipzig fahren, dann kann Ihnen die integrierte KI einen perfekten Tag inklusive Zoobesuch, Café- Pause und Abendevent vorschlagen“, erklärt Huber.
Die KI wird zum Reiseassistenten der Gäste, doch nicht allein diese profitieren. „Die Systeme sind so programmiert, dass sie Dinge zum Beispiel so vorschlagen, dass die Interessenten zu dem Zeitpunkt dorthin geführt werden, zu denen üblicherweise eher weniger Andrang ist“, so Huber. Hinsichtlich der Auswahl von Restaurants und anderen Anbietern kann er beruhigen: „Hier achten die Destinationen peinlich genau darauf, dass alle gleich häufig ausgespielt werden und niemand einen ungerechtfertigten Vorteil erhält.“
Künstliche Intelligenz ausprobieren
Für Tourismusunternehmen hat er dennoch einige Ratschläge. „Ich möchte an die Betriebe appellieren, KI als Beratungs-Bot auf ihre Websites einzubinden – allerdings begrenzt auf ihr eigenes Angebot“, sagt Huber. Dann könne man messen, ob man dadurch mehr Gäste bekäme oder nicht. Wesentlich dabei sei aber, dass sich die Betriebe auf ihr Angebot beschränkten. „Wenn Sie jetzt anfangen, alle möglichen Wanderwege und Freizeitangebote zu integrieren, verwässert das wiederum das, was die Destinationen leisten sollen, nämlich den Gesamtüberblick mit sauberen Daten zur Verfügung zu stellen“, betont Huber. Leider stehe ein derartiges Angebot für den ostbayerischen Raum derzeit noch nicht zur Verfügung, jedoch gäben die Erfahrungen etwa aus Sachsen, Nordrhein-Westfalen oder Brandenburg viel Grund zu Optimismus und Vorfreude, sagt der Geschäftsführer. Vollends überzeugt ist er vom Nutzen, den KI für den Tourismus bringen wird: „Heute noch als Text und morgen schon als perfekt auf die Zielgruppe zugeschnittene Audiogeschichte mit unmittelbarer Buchungsmöglichkeit.“
Autorin: Alexandra Buba