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"Unsere Stärke ist die flächendeckende Organisation."
Der Tourismusverband Ostbayern e. V. feiert in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen. Seit der Gründung hat sich viel verändert, eines jedoch nicht: die zentrale Organisation des gesamten ostbayerischen Tourismus. Dr. Michael Braun erklärt, warum die Bündelung der Aktivitäten nach wie vor ein großer Vorteil ist und gibt eine Einschätzung des Tourismus von morgen.
Was macht Ihrer Ansicht nach den Tourismus in Ostbayern über die Jahrzehnte hinweg aus?
Dr. Michael Braun: Das kann ich natürlich nicht für die gesamten 75 Jahre beantworten, so lange bin ich noch nicht beim Tourismusverband. Was aber wichtig ist: Bereits bei der Gründung unseres Verbands im Reichstagssaal bekam der Tourismus, der vor dem Zweiten Weltkrieg in Ostbayern noch kaum ausgeprägt war, einen besonderen Stellenwert. Man hat uns so breit direkt mit der Verbindung zur Landkreisebene aufgestellt, denn man wollte das Thema systematisch entwickeln. Und das ist gelungen: Wir verzeichnen im Jahr 17 Millionen Übernachtungen in den vier Landschaftsgebieten sowie in den ostbayerischen Städten. Im Gründungsjahr 1949 waren es eine halbe Million gewesen.
Was halten Sie für die aktuell wesentlichsten Trends?
Ganz klar Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Bei ersterem bin ich stolz, darauf verweisen zu können, dass 3.000 unserer 4.500 Mitgliedsbetriebe inzwischen online buchbar sind. Das entspricht zwei Dritteln – und ist verglichen mit anderen Regionen eine Superquote. In Zukunft wird es darum gehen, die Daten zentral zur Verfügung zu stellen. Die Reisenden sollen Informationen zu Sehenswürdigkeiten, Touren oder Veranstaltungen auf einer Plattform, aus einer Hand bekommen. An der Bündelung dieser Informationen arbeiten wir schon seit Jahren und haben entsprechend einen Vorsprung, wenn es jetzt darum geht, all dies in die Bayerncloud zu übertragen. Beim Thema Nachhaltigkeit ist es vor allem der Gast, der diese als Qualitätsmerkmal einstuft – im Übrigen nicht nur in Puncto Ökologie, sondern vor allem auch bei der Regionalität. Das bedeutet nun nicht, dass sich großartig damit werben ließe, eher wird nachhaltiges Wirtschaften mehr und mehr vorausgesetzt.
Bei der Tourismusentwicklung Ostbayerns setzt Ihr Verband traditionell auf Qualität, weniger auf Masse. Weshalb?
Wir wollen hier keine Bunker, in denen drei Nächte Allinclusive 169 Euro kosten – sondern qualitativ hochwertige Angebote. Dass wir dies umgesetzt haben, zeigt die Anzahl an Vier- und Fünf-Sterne-Häusern. Auch die Gastronomie ist mittlerweile vielerorts spitze. Das sind die Hard Facts, an denen sich der Qualitätsstandard ablesen lässt. Denn eines ist klar: Am Ende des Tages will sich im Urlaub niemand verschlechtern, und es zählt sehr stark die Unterkunft, und nicht allein unbedingt, wie viel schöne Infrastruktur wir darum herum geschaffen haben.
Die Zeiten sind dennoch nicht für alle rosig, oder?
Das stimmt, das waren sie zwar nie. Ein Blick auf die zurückliegenden Jahrzehnte zeigt aber unsere größte Herausforderung: die sinkende Verweildauer der Gäste. Diese lag bis in die neunziger Jahre hinein bei 5,4 Tagen und ist inzwischen auf 3,2 Tage gesunken. Abgesehen davon zeigen die Zahlen eine kontinuierlich positive Entwicklung der Gästezahlen, mit einem bedeutenden Coronaeinbruch. So hatten wir Mitte der achtziger Jahre 2,2 Millionen Gäste, ein Jahrzehnt später waren es bereits 3,3 Millionen, 2004 dann 4,1 und im Jahr 2014 4,8 Millionen. Derzeit liegen wir bei 5,3 Millionen Gästen und 17 Millionen Übernachtungen.
Nun sind die Fachkräftesuche und das Nachfolgeproblem seit einigen Jahren nicht nur für die Tourismusbranche, sondern für die gesamte Wirtschaft beherrschend geworden. Zuletzt hat auch die Corona-Pandemie dafür gesorgt, dass insbesondere im ländlichen Raum das Niveau von 2019 noch nicht wieder erreicht ist und womöglich auch nicht wieder erreicht werden wird. Das liegt einfach daran, dass kleinere Betriebe mit wenig Fachkräften ihr Angebot reduziert oder ganz eingestellt haben, aus einem Hotel eben nun Ferienappartements geworden sind.
Nun sind die Fachkräftesuche und das Nachfolgeproblem seit einigen Jahren nicht nur für die Tourismusbranche, sondern für die gesamte Wirtschaft beherrschend geworden. Zuletzt hat auch die Corona-Pandemie dafür gesorgt, dass insbesondere im ländlichen Raum das Niveau von 2019 noch nicht wieder erreicht ist und womöglich auch nicht wieder erreicht werden wird. Das liegt einfach daran, dass kleinere Betriebe mit wenig Fachkräften ihr Angebot reduziert oder ganz eingestellt haben, aus einem Hotel eben nun Ferienappartements geworden sind.
... die ja auch nicht ganz schlecht sind...
Ja, sie passen in gewisser Weise auch zu unserem Markenkern des outdoornahen Tourismus mit vielen Wander- und Fahrradwegen. Denn gerade daran haben wir in den vergangenen zwei Jahrzehnten viel gearbeitet, zuletzt beispielsweise den Fünf-Flüsse-Radweg Handbike-fähig gemacht, die Mountainbikeroute „Trans Bayerwald“ über 700 km lang durch den Bayerischen Wald ausgeschildert. Hier muss man sagen, dass einiges natürlich auch dem klimatischen Wandel geschuldet ist. Wo der Wintertourismus weniger wird, sorgen zusätzliche Angebote im Sommer schlicht für mehr Auslastung. Noch ein Beispiel: Der Oberpfälzer Wald ist in Bezug auf die touristische Entwicklung im Destinationsranking mit Platz fünf bei den besten deutschen Tourismusregionen.
Insgesamt geht es der ostbayerischen Tourismusbranche aber gut?
Wenn sie mit den Betrieben sprechen, hören sie halbstündige Beschwerdemonologe: vor allem über die überbordende Bürokratie und den Fachkräftemangel. Aber abgesehen davon, würde ich sagen: ja. Insbesondere die Städte konnten ihre Angebote seit der Pandemie nochmal ausbauen. In Regensburg etwa sind 2.000 Betten neu hinzukommen, wenngleich auch einige ältere Häuser geschlossen haben. Aber das ist der Wandel, der immer stattfinden wird. Während wir beim Thema Bürokratie insgesamt nur wenig Handlungsmöglichkeiten haben, kümmert sich insbesondere der Hotel- und Gaststättenverband intensiv um die Anwerbung von ausländischen Fachkräften. Insofern sehe ich auch bei diesem Problem Lösungen.
Mit welchen Sorgen sehen Sie persönlich in die Zukunft?
Was mich umtreibt, ist die Frage nach der verbindlichen Finanzierung unserer Arbeit in der Zukunft. Denn unsere Hauptfinanciers sind die Landkreise und Kommunen, denen nach und nach das Geld ausgeht. Als erstes wird dann an den freiwilligen Ausgaben für den Tourismus gespart. Hier würde ich mir wünschen, dass Bayern eine verbindliche Finanzierungsmöglichkeit für die touristischen Strukturen schafft. Österreich hat das sogar in ein eigenes Gesetz gegossen. So weit würde ich nicht gehen wollen, aber schon gern sehen, dass die Entwicklung im Tourismusbereich finanziell abgesichert wäre.
Über die Person:
Dr. Michael Braun ist geschäftsführender Vorstand des Tourismusverbandes Ostbayern e. V. (TVO).
© Gerhard Illig
Das Gespräch führte Alexandra Buba.